Gerodete Fläche im Amazonas-Gebiet – begehrtes Land für den Soja-Anbau Foto: AFP

In Brasilien und darüber hinaus wächst die Sorge um den Regenwald, wenn Rechtspopulist Jair Bolsonaro die Stichwahl um das Präsidentenamt gewinnt.

Rio de Janeiro - Schon jetzt ist der Amazonas-Regenwald ein riesiger Flickenteppich, durchzogen von gerodeten Flächen illegaler Holzfäller, illegalem Bergbau und jeden Tag mehr und mehr angenagt von den gierigen Zähnen der flächenfressenden Agrar-Industrie. Glaubt man Luiz Antonio Nabhan Garcia, dann ist die Situation rund um den Amazonas-Regenwald in Brasilien gar nicht so dramatisch. Der Agrar-Unternehmer und potenzielle Kandidat für das Amt des Landwirtschaftsministers unter einem möglichen neuen Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien sieht „noch Raum für eine legale Abholzung“, wie er jüngst der Tageszeitung „Folha“ verriet.

Was Nabhan Garcia im Wahlkampf von sich gab, ist für Umweltschützer nichts Anderes eine Kriegserklärung an die Lunge der Welt. Der Kampf der deutschen Umweltaktivisten um den Rest des Hambacher Forstes mag symbolisch sein, in Südamerika geht es nicht mehr nur um die Symbolik. Es geht um das Überleben eines der wohl wichtigsten Ökosysteme der Welt und damit auch um den Schutz des globalen Klimas. Der Amazonas bietet neben Holz vor allem eines: Fläche, viel Fläche. Und an diesem Raum sind die großen Agrar-Unternehmer in Brasilien interessiert. Sie fahren mit ihren riesigen Fabriken Millionen-Gewinne ein, schaffen aber kaum Arbeitsplätze. Die industrielle Landwirtschaft ist nur wenig personalintensiv, hat aber einen riesigen Platzbedarf.

Landwirtschaft ohne Menschen

In ihren Werbespots im brasilianischen Fernsehen protzen die Unternehmen sogar mit ihrer modernen Technik: Computergesteuerte Erntemaschinen oder Drohnen, die im Tiefflug über die riesigen Felder fliegen und Dünger abwerfen. Menschen werden hier kaum noch gebraucht. Der riesige ökonomische Erfolg liegt unter anderem an dem gesteigerten Interesse an der Soja-Bohne nicht nur in China.

Am Sonntag geht Jair Bolsonaro in die Stichwahl um das Präsidentenamt. Der Rechtspopulist geht nach den jüngsten Umfragen als klarer Favorit in das Rennen gegen den Linkspolitiker Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT. Zwar ist auch die PT in den letzten beiden Jahrzehnten unter den Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff nicht als großer Umweltschützer aufgefallen, doch die offen ausgesprochenen Pläne Bolsonaros mit dem Regenwald lassen Umweltschützer und Menschenrechtler dann doch noch einmal erschrocken zusammenzucken. Der in der Vergangenheit mit homophoben, frauenfeindlichen und rassistischen Sprüchen aufgefallene Bolsonaro kann sich auf die Unterstützung der reichen und mächtigen Agrarlobby im Wahlkampf aber auch im Parlament verlassen.

Was passiert mit den indigenen Völkern?

Im Gegenzug erwartet die Industrie ein Entgegenkommen des künftigen Präsidenten. Und das bedeutet eine Ausdehnung von Anbauflächen auf Kosten des Regenwaldes und der dort lebenden indigenen Völker. „Die Agrarlobby, die sich für die Interessen der Großgrundbesitzer und der industriellen Landwirtschaft einsetzt, gewinnt zusehends an Einfluss“, beklagt Yvonne Bangert von der Gesellschaft für bedrohte Völker. „Leidtragende sind vor allem die indigenen Gemeinschaften, deren Rückzugsgebiete für die wirtschaftliche Nutzung geöffnet werden sollen. Unter einem Präsidenten Bolsonaro, der diese Lobby unterstützt, wird sich dieser Prozess deutlich beschleunigen.“

Schon in den vergangenen Jahren gab es unter den Präsidenten Lula, Rousseff und zuletzt Michel Temer immer wieder Massaker unter der weit abgelegenen lebenden Bevölkerung. Menschenrechtsverteidiger wurden ermordet, wenn sie sich den Expansionsplänen der Industrie in den Weg stellten. Weil das aber weit abseits der großen Metropolen und Redaktionen geschieht, nehmen das viele Brasilianer kaum zur Kenntnis.

Umwelt und Agrar in einem Ministerium

Auch im Wahlkampf sind innere Sicherheit und Wirtschaftspolitik die dominierenden Themen. Die Folgen sind dramatisch: „Die Daten des gerade erschienenen Jahresberichts 2017 der brasilianischen Menschenrechtsorganisation CIMI sind alarmierend“, erklärt Bangert. Demnach wurden 128 Fälle von Suizid verzeichnet. 110 Indigene wurden ermordet. Zudem wurden 27 Mordversuche und 14 Morddrohungen registriert.

Der mögliche neue Agrarminister Nabhan Garcia sieht das anders. Er wittert einen Kreuzzug der Nichtregierungsorganisationen gegen die Landwirtschaft. Es gäbe eine Legende, wonach der Agrarproduzent auf dem Land der Gegner der Umwelt sei: „Es ist genau das Gegenteil. Dieser Agrarproduzent ist der beste Beschützer der Umwelt.“ Nabhan Garcia, dem große Ländereien in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso de Sul gehören, legt einem künftigen Präsidenten Bolsonaro schon jetzt die Daumenschrauben an. Würde sich dieser mit der Bewegung der landlosen Bauern auch nur zusammensetzen, wäre das eine große Enttäuschung.

Die Landlosenbewegung ist eine Organisation, die sich für die Rechte der enteigneten Landbevölkerung einsetzt und unter anderem die Rückgabe von Amazonas-Land an die Ureinwohner fordert. Setzt sich Nabhan Garcia durch, wird Brasiliens künftige Regierung nicht einmal mit diesen Vertretern reden. In dieser Woche wurde bekannt, dass Bolsonaro im Falle eines Wahlsieges eine Zusammenlegung von Umwelt- und Agrarministerium plane, was de facto einer Entmachtung der Umweltpolitik gleichkäme. Für den Regenwald und seine letzten Bewohner brechen dann ganz dunkle Zeiten an.