In Berlin startet die Grüne Woche. Ulrike Höfken, grüne Agrarexpertin, geht mit der Verbraucherschutz-Politik von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hart ins Gericht.

Berlin - In Berlin startet die Grüne Woche. Ulrike Höfken, grüne Agrarexpertin, geht mit der Verbraucherschutz-Politik von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hart ins Gericht.

Zur Grünen Woche geben Politiker Verbrauchern wieder einmal Verhaltensmaßregeln. Landwirtschaftsministerin Aigner (CSU) rät zum Verzicht auf Fleisch oder zum Kauf hochwertiger Lebensmittel. Das nervt, oder?

Die Appelle stehen in Widerspruch zum eigentlichen Handeln. Was konkrete Maßnahmen angeht, ist Frau Aigner eine unsichtbare Ministerin. Sie prangert Lebensmittelimitate an, handelt aber nicht. Selbst die Möglichkeiten nationalen Handelns nutzt sie nicht. Sie könnte einschreiten und dafür sorgen, dass beim Speiseeis wirklich Milch verwendet wird. Davor schreckt sie aber zurück, weil die Ernährungsmittelindustrie sofort bei ihr vorstellig würde. Ähnliches gilt für das Verbraucherinformationsgesetz, das Aigner und ihr Vorgänger Horst Seehofer gemeinsam zu verantworten haben: Es nutzt dem Verbraucher überhaupt nichts.

Wie steht es um die Nährwertkennzeichnung?

Auch hier ist Frau Aigner an der kurzen Leine der Industrie und verletzt die Interessen der Verbraucher. Die Industrielobby versucht gerade auf EU-Ebene zu verhindern, dass jedes einzelne Mitgliedsland eine eigene nationale Regelung treffen kann, wie es etwa die Engländer mit der Ampel für Salz, Fett und Zucker bereits haben. Zwischen der Ankündigung der Ministerin einer besseren Kennzeichnung, ihren warmen Worten für Transparenz und Interessen der mündigen Verbraucher und der Realität des Regierungshandelns liegen Welten.

Warum ist der Industrie-Vorschlag schlecht?

Der Verbraucher kann damit nichts anfangen. Es werden Parameter zugrunde gelegt, die die Berechnung und den Vergleich so gut wie unmöglich machen. Zudem werden da abstruse Empfehlungswerte festgesetzt, die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gar nicht geteilt werden, etwa beim Zucker. Ohne Lehrbuch, Lupe und Taschenrechner kommen Sie da nicht weiter. Letztlich ist es eine Verhinderungspolitik aus Sorge, ein Lebensmittel könne in den Ruf kommen, ungesund zu sein.

Was lässt sich am besten gegen die ruinöse Niedrigpreisstrategie in den Lebensmittelgeschäften tun?

Zum Beispiel die Milch: Wenn diese Bundesregierung ganz gezielt die produzierten Milchmengen hochjagt, dann ist die logische Folge Preisverfall. Die EU hat aber gerade noch höhere Milchmengen beschlossen. Das heißt, da kommt noch mehr Milch auf den Markt. Zudem lagert in den Kühlhäusern auf Steuerzahlerkosten Butter ein, die in die Geschäfte kommt. Wenn man, wie die Regierung, konsequent das Gesetz von Angebot und Nachfrage missachtet, dann ist es zynisch, sich über niedrige Preise zu beklagen. Wir brauchen ein Instrument zur Anpassung von Angebot und Nachfrage, wie es die Bauern, die im Bund Deutscher Milchviehhalter organisiert sind, schon lange fordern. Die fortgesetzte Untätigkeit von Frau Aigner beim Thema Milch beweist, dass sie letztlich eine Landwirtschaft will, die vor allem billige Rohstoffe liefert.

Demnächst fallen die Entscheidungen darüber, wie die EU-Agrarpolitik ab 2013 ausgerichtet ist. Was muss da beachtet werden?

Wir müssen zum einen darauf achten, dass es auch nach 2013 überhaupt noch eine gemeinsame Agrarpolitik der EU gibt. Es gibt Kräfte, die alle Entscheidungen wieder in die Länder verlagern wollen. Dahinter steht das Ansinnen, Umwelt- und Verbraucherstandards zu schleifen und lästige Produktionshemmnisse abzuschaffen. Diese Deregulierungsideologie muss gestoppt werden. Zudem muss die Landwirtschaft konsequent in den Klimaschutz einbezogen werden. Konkret heißt das, dass mehr EU-Gelder für Umweltleistungen, Kulturlandschaftspflege und erneuerbare Energien verteilt werden. Diese sogenannte zweite Säule muss gestärkt werden. Zudem brauchen wir eine funktionierende Marktordnung, das zeigt allein das Beispiel Milch.

Die FDP will die deutsche Landwirtschaft stärker für Gentechnik öffnen...

Davon halte ich nichts. Die Liberalen deklarieren die Agrogentechnik zu einer modernen Entwicklung in der Ernährung. Tatsächlich aber ist es das Gegenteil: Es handelt sich um heute bereits veraltete Technologie, die von der Industrie nicht beherrscht wird und Gesundheits- und Umweltrisiken in beträchtlichem Ausmaß mit sich bringt. Trotzdem wird das Ganze massiv unterstützt von der FDP, aber auch von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), die Milliarden dafür einsetzt. Das ist eine massive Klientelpolitik zugunsten von Unternehmen, die die Märkte beherrschen wollen, und läuft der Lebensmittelsicherheit zuwider.