Denkt man da an Jägermeister: Laurin Lehmann zeigt den Agavenschnaps Selva Negra. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Schnapshersteller Jägermeister schützt seinen gleichnamigen Kräuterlikör mit allen Mitteln. Auch vor Gericht. Doch die beiden Stuttgarter Laurin Lehmann und Sebastian Dresel gaben nicht klein bei und haben nun einen Sieg errungen. Sie dürfen ihren Agavenschnaps Selva Negra weiter unverändert verkaufen.

Das Risiko war groß. Laurin Lehmann und Sebastian Dressel ließen es auf einen Klage ankommen. Sie waren sich ihrer Sache zwar sicher, glaubten, dass das Logo ihres Schnapses dem Jägermeister-Logo nun wahrlich nicht ähnlich sehe. „Wir sind ein Agavenschnaps aus dem Schwarzwald, kein Kräuterlikör, kommen einander nicht ins Gehege“, sagte Lehmann. Doch wie heißt es so schön, vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Was sagt das Gericht?

Nun, das Risiko hat sich gelohnt. Das Landgericht Hamburg hat eineinhalb Jahre nach der Einreichung der Klage folgendes Urteil gefällt: „Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.“ Das heißt, Selva Negra wird weiter verkauft wie bisher. Mit dem Fabelwesen auf dem Etikett, eine Verschmelzung von „Stier, Mensch und Hirsch“, so die beiden Gründer, mit Geweih und Bollenhut auf dem Kopf.

Jägermeister hat in dem Logo hingegen einen Hirsch erkannt. Zum Schutz der Marke Jägermeister müsse man immer prüfen, „ob bei der Anmeldung einer neuen Marke die Gefahr der Verwechslung besteht, beziehungsweise ob unsere Marke durch die Handlungsweisen Dritter Gefahr läuft, etwas von ihrer Einzigartigkeit zu verlieren.“ Dies ließ Andreas Lehmann, Head of Public Relations, Mast-Jägermeister SE vor der Klage-Einreichung mitteilen. Bei Selva Negra sei dies der Fall, so glaubt Jägermeister: Es handele sich jeweils um Flaschenetiketten mit einer rechteckigen Form und in den Farben Grün und Rot/Orange. „Dominierend in den jeweiligen Marken ist die Abbildung eines Hirschkopfes, der in beiden Fällen direkt von vorne gezeigt wird, also frontal auf den Betrachter schaut.“

Warum gab es keine Einigung?

Lehmann, Dresel und ihr Anwalt Clemens Pfitzer sahen dies naturgemäß anders und ließen sich nicht auf das Angebot von Jägermeister ein, die bereits etikettierten Flaschen zu verkaufen, dann aber ein anderes Logo und daraus folgend andere Etiketten, Verpackungen und Werbemittel zu verwenden. „Das kostet uns eine sechsstellige Summe“, hat Dresel aus- und Jägermeister vorgerechnet.

Nach Pfitzers Auffassung „greift das Zeichen von Selva Negra jedoch nicht in das von Jägermeister ein, da sich das Zeichen in seinem Gesamteindruck so deutlich von dem Zeichen von Jägermeister unterscheidet“, dass potenzielle Käufer die Zeichen nicht gedanklich miteinander verbinden würden.

Wie ist die Begründung?

Dieser Auffassung folgte das Landgericht: „Es fehlt . . . an der vorauszusetzenden Zeichenähnlichkeit . . ., sodass der Klagemarke gegenüber der Beklagtenmarke kein Bekanntheitsschutz zu gewähren ist.“ En detail führt das Gericht auf, welche Unterschiede es sieht und weist die Klage zurück. Weder im Kern noch im Sinngehalt sei eine Übereinstimmung gegeben. „Zwar weisen beide Marken als Gemeinsamkeit ein Wesen mit Geweih in frontaler Abbildung als zentral platziertes Bildelement auf. Allerdings ist dieses Wesen in erheblichem Maße unterschiedlich gestaltet.“ Es bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Warum Agavenschnaps aus Baden-Württemberg?

Nun können die Schwaben also weitermachen. Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte es das Ende bedeutet. „Eine Umstellung war wirtschaftlich nicht machbar.“ 70 000 Euro hat es sie gekostet, bis 3000 Flaschen gebrannt und verpackt waren. Beide kennen sich aus der Getränkeindustrie und träumten davon, sich in der Branche selbstständig zu machen. „Von Gin hatten wir die Nase voll“, sagt Lehmann. Zunächst dachten sie über einen alkoholfreien Gin nach, ehe sie auf den Agavenschnaps kamen. Klar, Tequila kennt man hierzulande, aber meistens die zusammengemixte Billigvariante, die man auf Partys mit Zitrone und Salz hinunterkippt. Hochwertigen Tequila trinkt man wie Whiskey, langsam, gemütlich, Schluck für Schluck. Das taten Lehmann und Dresel. Und waren sich einig, sie wollen einen Agavenschnaps herstellen.

Ein Bollenhut auf dem Etikett

Tequila dürfen sie ihn nicht nennen, so darf nur der Schnaps heißen, der einzig aus der Blauen-Weber-Agave und im mexikanischen Bundesstaat Jalisco hergestellt wird. Mescal hingegen wird aus verschiedenen Agavensorten hergestellt und darf überall hergestellt werden. Auch am Kaiserstuhl, nicht weit weg vom Schwarzwald. Dort entsteht Selva Negra, Schwarzwald auf Spanisch. Lehmann und Dresel holten Florian Faude ins Boot, der Schnapsbrenner aus Bötzingen am Kaiserstuhl arbeitet mit dem Agaven-Extrakt, der aus Mexiko per Schiff kommt. „Bioqualität“, unterstreicht Lehmann. Während die Mexikaner Spontangärung machen, setzt Faude deutsche Weinhefe zu, macht Agavenwein, destilliert dann zweimal. Die Etiketten lassen sie in Nürtingen machen, die Umverpackung in Metzingen. Darauf prangt das Fabelwesen samt Bollenhut. Und kein Hirsch.

Jägermeister sieht das nach wie vor anders. Und hat laut Pfitzer Berufung eingelegt beim Oberlandesgericht.