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Der neue Africom-Kommandeur David Rodriguez hält die Aufregung über den Drohneneinsatz in Afrika für über­trieben. Das Militär alleine, betont er, könne die Probleme dort nicht lösen.

Stuttgart - Der neue Africom-Kommandeur David Rodriguez hält die Aufregung über den Drohneneinsatz in Afrika für übertrieben. Das Militär alleine, betont er, könne die Probleme dort nicht lösen.

General Rodriguez, verstehen Sie als Offizier, der auch diplomatisch unterwegs ist, die große Empörung über den NSA-Skandal?
Ja, nach der ganzen Berichterstattung verstehe ich die Empörung.
Was ist denn aus Ihrer Sicht als Soldat im Umgang mit Verbündeten das Wichtigste?
Da geht es vor allem um Vertrauen, offene Diskussionen und Freundschaften. Als ich zum Heer kam, haben wir uns nur ums Heer gekümmert. Über die Zusammenarbeit über die Grenzen der Teilstreitkräfte hinweg haben wir uns keine Gedanken gemacht, bis wir in den Kampf gezogen sind. Heute beschäftigen wir uns vordringlich mit der Zusammenarbeit im Verbund. Und das werden wir auch international immer stärker tun. Immer mehr Staaten werden zur Unterstützung unserer Partner in Afrika beitragen müssen, weil niemand mehr die Ressourcen hat, die Dinge alleine zu erledigen. Und damit das klappt, braucht man vertrauensvolle Beziehungen, in denen wir uns verstehen, miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Teamarbeit ist das Wichtigste.
Haben Sie den Eindruck, dass die Affäre Ihre Arbeit mit den Europäern beeinträchtigt?
Bisher sehe ich keine Anzeichen dafür. Es ist wahrscheinlich noch zu früh. Aber das ist ein Thema für die Regierungen und Diplomaten, die diese weitreichenden Entscheidungen treffen. Das Militär befindet sich ja ganz am Ende des ausführenden Teils.
Welche Rolle spielen Drohnen für Ihre Operationen in Afrika?
Dazu werde ich nicht viele Einzelheiten nennen. Selbstverständlich gehören auch Drohnen dazu, wenn wir mit unseren Partnern zusammenarbeiten und deren Bemühungen unterstützen, die Bedrohungen, mit denen sie und wir konfrontiert sind, besser zu verstehen. Mit Blick auf all unsere Aktivitäten wird dieser kleine Teil allerdings unverhältnismäßig aufgeblasen. Schließlich geht es dabei um ein größeres System: Geheimdienst, Überwachung und Aufklärung.
Sie setzen Drohnen aber auch zum Töten mutmaßlicher Terroristen ein. Befürchten Sie keine Gegenreaktion, so dass Sie am Ende mit mehr Feinden dastehen als vorher?
Diese Gefahr besteht. Da geht es um Genauigkeit. In einer perfekten Welt will man in einem Kampf alle schlechten Leute ausschalten, ohne den guten Leuten zu schaden. Vor- und Nachteile müssen vorsichtig gegeneinander abgewogen werden. Aber noch einmal: Das sind politische Entscheidungen.
Was sagen Sie zu der Kritik, Ihr Afrika-Kommando setze zu sehr auf militärische Mittel?
Für unsere Probleme gibt es keine militärischen Lösungen. Dieser Kampf wird von den eigenen Regierungen der Völker gewonnen. Es geht darum, an einen Punkt zu gelangen, wo Polizei und Gerichte funktionieren. In Afrika gibt es heute weniger Gewalt und mehr Wirtschaftswachstum als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften befinden sich dort. Es gibt eine Menge guter Nachrichten. Und das nach schlimmen Kriegen. Unsere Bemühungen sind langfristig. Wir wollen dabei helfen, dass sich die Länder in die richtige Richtung entwickeln. Wir bilden viele Leute aus. Darunter gibt es stets auch solche, die schlechte Dinge tun. Aber es wäre falsch, wegen einiger Schlechter die Ausbildung vieler zu stoppen.
Um welche Zonen der Instabilität kümmern Sie sich besonders?
In Ostafrika konzentrieren wir uns weiter auf Somalia und Umgebung und in Nordwestafrika um eine riesige Zone von Libyen bis Mali. Zudem arbeiten wir nach der Erfahrung der Vergangenheit (die Ermordung des US-Botschafters und dreier weiterer Mitarbeiter im libyschen Bengasi im Herbst 2012, die Red.) am Schutz von US-Bürgern und Einrichtungen in der ganzen Region.
Ihr Vorgänger hielt die Terroristengruppe al-Shabaab schon für besiegt, aber sie schlägt immer wieder zu. War das also verfrüht? Hätte das Afrika-Kommando mehr tun müssen?
In Somalia unterstützen wir die Länder, die Soldaten für die Mission der Afrikanischen Union bereitstellen. Diese verbuchte einige Erfolge. Doch al-Shabaab reagierte erwartungsgemäß, verübte Terroranschläge zuerst in Mogadischu und dann gegen Kenia, einen der Staaten, der Truppen entsendet. Solche Terrororganisationen sind anpassungsfähig, sie finden neue Wege, um die Stabilität in Afrika zu untergraben.
Wie groß ist die Gefahr für den Westen, die von den Islamisten in Afrika ausgeht?
Al-Shabaab und El Kaida im Islamischen Maghreb und andere haben angekündigt, die USA und den Westen anzugreifen. Im Augenblick fällt ihnen das noch schwer. Wenn sie aber weiter wachsen, werden sie gefährlicher. Wir unterstützen unsere Partner, um dieses Wachstum zu begrenzen. Aber die Afrikaner leiden am meisten unter dem Terror. Deshalb helfen zum Beispiel im Norden Malis neun afrikanische Länder bei der Stabilisierung des Landes.
Rechnen Sie damit, dass nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes in Afghanistan Extremisten von dort in Afrika einsickern?
Das Netzwerk ausländischer Kämpfer bewegt sich vom Norden Malis bis nach Syrien. Die gehen dahin, wo sie am leichtesten operieren können. Mit Blick auf Afghanistan macht sich jeder in der Region große Sorgen.
Bleibt Stuttgart auch unter den Vorzeichen des fortgesetzten Zwangssparens in Washington der ideale Ort für Ihr Hauptquartier?
In naher Zukunft bleiben wir in Stuttgart. Wahrscheinlich sind wir hier am besten untergebracht. Wir sind zufrieden. Unser Hauptquartier muss 20 Prozent sparen, aber derzeit ist eine Verlagerung kein Thema. Wahrscheinlich werden wir sogar etwas weniger schrumpfen als andere Kommandos.