Protestaktion der Seebrücke Stuttgart im vergangenen Jahr Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Initiative Seebrücke setzt sich schwerpunktmäßig für die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Seenot ein. Jetzt richtet sich der Blick auf Afghanistan. Ihre Forderung: Die Stadt Stuttgart soll Geflüchtete aufnehmen.

Stuttgart -

Die Seebrücke, eine Nichtregierungsorganisation, hat Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) aufgefordert, geflüchtete Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. In einem offenen Brief forderte der Verein Nopper am Dienstag auf, der Bundesregierung zuzusichern, „dass in Stuttgart Platz für schutzsuchende Menschen aus Afghanistan ist, ganz gleich aus welchen Gründen diese vor den Taliban fliehen.“ Die Stadt solle eine konkrete Zahl zusätzlicher Aufnahmeplätze anbieten.

Stadt verweist auf EU, den Bund und die Länder

Die Seebrücke erinnert an einen Beschluss des Gemeinderats vom 9. April 2020, in dem dieser Stuttgart zum „Sicheren Hafen“ erklärt hat. Als „Sicherer Hafen“ werden Kommunen bezeichnet, die sich grundsätzlich bereiterklären, zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen. „Angesichts der Lage in Afghanistan ist das nun dringender als je zuvor“, schrieb Jonas Gutknecht, Sprecher des Stuttgarter Ablegers der Seebrücke, an den Oberbürgermeister. Er regte ein persönliches Gespräch mit Nopper an und sagte „tatkräftige Unterstützung bei der Planung und Organisation von Aufnahmeplätzen in Stuttgart zu“. Die Seebrücke wolle ein konstruktiver Partner sein.

Die offizielle Reaktion? „Auch die Landeshauptstadt verfolgt die besorgniserregenden Entwicklungen in Afghanistan“, sagte Stadtsprecher Sven Matis auf Anfrage. Man gehe davon aus, dass Europäische Union, Bund und Länder über die Frage der Aufnahme von betroffenen Ortskräften entscheiden. „Die Stadt ist in der Lage, Menschen aufzunehmen, die uns im Rahmen der bestehenden Verfahren, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, zugewiesen werden, und diese nach dem bewährten Stuttgarter Weg unterzubringen.“ Gemeinsam mit dem Land wolle man zudem prüfen, „inwieweit Hilfsmaßnahmen vor Ort oder in der Region unterstützt werden können“. Im Klartext: die Stadt wartet die weitere Entwicklung erst mal ab. Im Königsteiner Schlüssel ist ursprünglich geregelt, wie die einzelnen Länder an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind. Der Anteil, den ein Land tragen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl. Dieses Verfahren wird auch für die Zuteilung von Geflüchteten auf die einzelnen Länder angewandt.

Kretschmann hat Aufnahmebereitschaft erklärt

Die dezentral organisierte, zivilgesellschaftliche Bewegung Seebrücke existiert seit 2018. Sie richtet sich gegen die „europäische Abschottungspolitik und Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer“, wie sie es formuliert. Die Stuttgarter Initiative hatte der Stadt im Mai dieses Jahres vorgeworfen, als formal „Sicherer Hafen“ noch nichts unternommen zu haben, um zusätzliche aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen. Die Stadt hielt dem entgegen, Stuttgart könne zwar den Willen erklären, Menschen aufzunehmen, bis eine europäische Lösung für die Aufnahme, Rückführung oder Integration gefunden sei, die Kommunen dürften dies jedoch nicht außerhalb der Verteilungsquoten tun. Grundsätzlich seien der Bund und vereinzelt die Länder zuständig, konkrete Aufnahmezusagen zu machen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Montag erklärt: „Baden-Württemberg steht selbstverständlich zur Unterstützung bereit und wird Menschen aus Afghanistan aufnehmen.“