Anschlag von 19 al-Kaida-Terroristen am 11. September 2001 auf das World-Trade-Center in New York. 2977 Menschen starben alleine in den beiden Türmen. Foto: AP/Richard Drew

Weltweit hat sich die Terrororganisation al-Kaida 2001 mit den Anschlägen in New York und Washington ins Bewusstsein der Menschen gebombt. Die Gruppe ist eng mit den Taliban in Afghanistan verbündet und vernetzt, fand bei den radikalen Islamisten jahrelang Unterschlupf. Vieles spricht dafür, dass sie jetzt wieder am Hindukusch eine Terrorbasis aufbauen.

Stuttgart - Terroranschläge haben die radikal-islamischen Taliban außerhalb von Afghanistan und Pakistan nie verübt. Dafür ihre Verbündeten der Terrororganisation al-Kaida. Seit den frühen 1990er Jahren gaben sie der Gruppe um den saudischen Milliardärssohn Osama bin Laden Gastfreundschaft und Schutz, ließen sie in Afghanistan Trainingscamps aufbauen. Vieles spricht dafür, dass dies nach der Machtübernahme der Taliban wieder so sein wird.

Wer ist al-Kaida?

Die Gruppe wurde wahrscheinlich 1988 für den Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan von bin Laden und dem Palästinenser Abdullah Azzam gegründet. Übersetzt heißt al-Kaida „die Basis“. Aus Pakistan heraus operierten radikalisierte Muslime unter bin Ladens Führung wenige Male mehr symbolisch als militärisch erfolgreich gegen sowjetische Operationsbasen. Nach dem Abzug der Sowjets kämpfte al-Kaida im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina (1992-1995) auf der Seite der muslimischen Bevölkerung, bevor es sich dem Kampf gegen die USA zuwandte, der in den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington mit mehr als 3000 Toten seinen Höhepunkt fand.

Warum kämpft die Terrororganisation al-Kaida gegen den Westen?

Al-Kaida sieht sich als Vorhut des internationalen Dschihad, dessen Ziel die Errichtung eines weltumspannenden Gottesstaates ist. Die USA und in der Folge Europa wurden Mitte der 1990er-Jahre für Osama bin Laden zu Zielen, weil er so den Einfluss des Westens auf Länder wie Saudi-Arabien, die Golfstaaten, Ägypten und die Maghreb-Staaten unterbinden, dort Emirate errichten und Israel vernichten wollte. So soll nach der heute noch geltenden Ideologie al-Kaidas das Fundament für ein weltweites, einheitliches Reich aller Muslime entstehen.

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Wer führt Al-Kaida mittlerweile an?

Nach dem Tod bin Ladens während einer US-Kommandoaktion 2011 übernahm dessen Vertrauter und langjähriger Weggefährte Ayman al-Zawahiri die Führung. Den 70 Jahre alten ägyptischen Chirurgen vermuten Terror-Ermittler der UN seit Jahren bei schlechter Gesundheit in Afghanistan. Ihm dürfte der 61- oder 58-jährige, frühere ägyptische Oberst, Mohammed bin Salah al-Din Zidan folgen, der sich Saif al-Adel, „Schwert der Gerechtigkeit“, nennt. Dieser führte Osama bin Ladens Leibwache und war zeitweilig der oberste Sprengstoffexperte al-Kaidas. In drei im Jahr 2015 veröffentlichten Büchern „Kämpfe und Winde des Wandels“ beschreibt er sehr lesenswert und analytisch die Zukunft des islamisch motivierten Terrorismus.

Wie stark ist die Terrororganisation heute noch?

Al-Kaida ist ein international verzweigtes Terrornetzwerk, das in mindestens 22 Regionen weltweit vertreten ist. In Europa in Spanien und auf dem Balkan. Der Politologe Aaron Y. Zelin schätzt die Stärke al-Kaidas auf 10  000 Kämpfer, von denen etwa die Hälfte in Afghanistan sei. In diesem Jahr soll al-Kaida weltweit 570 Anschläge verübt haben.

Was wird al-Kaida jetzt tun?

Im Gegensatz zu den Einschätzungen von US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehen viele Analysten und Wissenschaftler nicht davon aus, dass al-Kaida nach 20 Jahren Einsatz in Afghanistan besiegt ist und kaum Gefahr mehr von der Gruppe ausgeht. Sie bezweifeln auch, dass sie keine neuen Trainingslager am Hindukusch aufbauen wird. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass sich al-Kaida in Afghanistan reorganisiert und mit einem beachtenswerten Terroranschlag auf sich aufmerksam machen wird, um den Rausch nach dem Sieg der Taliban über westliche Werte und Politik für sich auszunutzen, neue Kämpfer zu rekrutieren und sich gegenüber der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) abzugrenzen. Der hatte sich Mitte der 2010-Jahre im Irak von al-Kaida abgespalten.

Wie unterscheiden sich al-Kaida und Islamischer Staat?

Vor allem in drei Punkten: Der IS will das Kalifat, den Gottesstaat unter der Führung des Nachfolgers des Propheten, sofort. Für al-Kaida ist das der Endzustand einer längeren Entwicklung. Während al-Kaida zudem versucht, mit anderen Glaubensrichtungen des Islam, besonders mit den Schiiten, im Gespräch zu bleiben und sie zu respektieren, charakterisiert den IS auch seine antischiitische Haltung. Und al-Kaida sieht sich dem Kampf – vor allem gegen den Westen als dem fernen Feind – mit Terroranschlägen verpflichtet. Der IS versteht sich als revolutionäres Regime, das versucht, einen Staat nach seinen Prinzipien zu errichten und seine Ideologie und seinen Machtanspruch aggressiv durchzusetzen und auszuweiten.

Wer unterstützt al-Kaida?

Nach Erkenntnissen westlicher Dienste Saudi-Arabien, Katar, Pakistan und der Iran. Offiziell haben diese Staaten verneint, al-Kaida zu fördern. Zudem wird die Gruppe von zahlreichen Hilfsorganisationen und privaten Spendern gefördert. Zudem gibt es Hinweise, dass die Organisation in Menschen- und Drogenhandel verstrickt ist. In einer Anhörung im US-Kongress 2020 wurde das jährlich zur Verfügung stehende Finanzvolumen auf 68 bis 102 Millionen Euro geschätzt. Bin Laden hatte der Organisation in seinem Testament 27 Millionen US-Dollar – etwa 23 Millionen Euro – vererbt.