Täter sprengt sich vor schiitischer Moschee in die Luft - Karsai spricht von beispiellosem Gewaltakt.

Kabul/Berlin - Bei einem der schwersten Selbstmordanschläge in Afghanistan hat ein Attentäter während des schiitischen Aschura-Festes in Kabul fast 60 Menschen getötet.

Er sprengte sich nahe des Präsidentenpalastes in die Luft, als sich zahlreiche Gläubige zu einem der höchsten Feiertage der schiitischen Muslime versammelt hatten. Fast zeitgleich starben im nordafghanischen Masar-i-Scharif vier Menschen bei einem Anschlag nahe einer schiitischen Moschee. Insgesamt wurden mehr als 130 verletzt. Die Taliban wiesen jede Verantwortung zurück.

Merkel sichert weitere Hilfe zu

Staatspräsident Hamid Karsai sagte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, erstmals in der jüngeren Geschichte seines Landes sei an einem wichtigen religiösen Feiertag eine solche Gewalttat verübt worden. Merkel sprach Karsai ihr Beileid aus und sicherte ihm weitere Hilfe zu. Die Vereinten Nationen verurteilten die Tat. Der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf, US-General John Allen, nannte die Attacke an einem der heiligsten Tage im islamischen Kalender einen Angriff auf den Islam.

Die Hintergründe waren unklar. Angriffe gegen die schiitische Minderheit sind in Afghanistan anders als im Nachbarland Pakistan oder im Irak äußerst selten. Die afghanischen Behörden vermuten sunnitische Extremisten hinter den Taten. Die Taliban rekrutieren sich vorwiegend aus sunnitischen Muslimen. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid nannte die Anschläge aber unmenschlich und unislamisch. Der schiitische Geistliche Seyed Taqdusi sagte: "Schiiten und Sunniten leben in Afghanistan friedlich zusammen." Er sah die Drahtzieher des Kabuler Anschlags in Pakistan.

Drahtzieher des Anschlags in Pakistan?

Der Angriff galt dem Abu-Fasl-Schrein in der Altstadt, wo sich Hunderte Schiiten während des Aschura-Festes versammelt hatten - nur rund 500 Meter vom Präsidentenpalast entfernt. Ein Augenzeuge berichtete: "Rund um den Schrein lagen überall Körperteile, auch Kinder waren unter den Toten."

Mit dem Aschura-Fest gedenken schiitische Muslime ihres Märtyrers Hussein, eines Enkels des Propheten Mohammed. Hussein starb 680 in einer Schlacht bei Kerbela (heute Irak). Er steht für die Schiiten für die Verfolgung in einer ihrem Glauben feindlich gesinnten Welt. Jeder Fünfte der knapp 30 Millionen Afghanen gehört zu den Schiiten.

Weitere Bombe im Zentrum von Masar-i-Scharif

Kurz nach dem Anschlag in Kabul explodierte im Zentrum von Masar-i-Scharif im Einsatzgebiet der Bundeswehr eine weitere Bombe. Der an einem Fahrrad befestigte Sprengsatz war nach Polizeiangaben in der Nähe einer schiitischen Moschee im Stadtzentrum detoniert. Auch in Masar-i-Scharif hatten Schiiten Aschura gefeiert.

Merkel sagte: "Wir müssen weiter hart arbeiten, um die Sicherheit in Afghanistan gewährleisten zu können." Auch Außenminister Guido Westerwelle erklärte, die Terrorakte zeigten erneut, dass es in eine friedliche Zukunft Afghanistans noch ein langer Weg sei.

Die Kanzlerin betonte, es könne nur eine politische Lösung geben. Dazu gehört für die Kanzlerin ein Versöhnungsprozess mit gemäßigten Taliban. Merkel versicherte: "Deutschland fühlt sich für das Schicksal Afghanistans verantwortlich." Deutschland sei verpflichtet, Afghanistan für ein weiteres Jahrzehnt zu helfen, wenn die Nato-Kampftruppen 2014 das Land verlassen.

Merkel und Karsai vereinbarten, die anschließende Zusammenarbeit in einem Partnerschaftsabkommen zu regeln. Schwerpunkte sollen das Training der afghanischen Sicherheitskräfte, Berufsausbildung und die Erschließung der Rohstoffe des Landes sein. Die Kanzlerin sagte: "Deutschland fühlt sich für das Schicksal Afghanistans verantwortlich." Am Vortag hatte die Weltgemeinschaft in Bonn über die Zukunft Afghanistans nach dem Nato-Abzug Ende 2014 beraten - über weitere Milliardenhilfen und eine Aussöhnung mit den Taliban.