Die Landfrauen nähen Herzkissen. Foto: Michael Raubold Photographie

Die Landfrauen nähen unentgeltlich Nesteldecken und hilfreiche Herzkissen für erkrankte Mitmenschen.

Barbara Geeck ist mit einer mobilen Nähmaschine und Nähutensilien bepackt, als sie in die Affalterbacher Kelter kommt. Außer ihr befinden sich knapp ein Dutzend Frauen in dem Raum, der an diesem Dienstagnachmittag hell von der Sonne beschienen ist. Die Landfrauen und Helferinnen haben sich versammelt, um Gutes zu tun. Auf der To-Do-Liste stehen Herzkissen und Nesteldecken.

Der Begriff Nesteln bedeutet, „sich mit den Fingern an etwas zu schaffen zu machen“, erklärt Ingrid Steidle die ungewöhnliche Bezeichnung des textilen Produkts, das in gemeinschaftlicher Arbeit genäht werden soll. Steidle bildet zusammen mit Bärbel Köder den Vorstand bei den Landfrauen. Sie weiß, dass Demenzkranke gerne „an irgendetwas rumfingern, also nesteln“. Deshalb sind die etwa 80 auf 80 Zentimeter großen Decken, die man auf den Schoß legen kann, bei der Personengruppe äußerst beliebt. Der Clou ist der Knistereffekt. „Wir verwenden Schlauchfolie wie sie beim Braten zum Einsatz kommt“, erklärt Steidle und fährt fort, den Aufbau zu erklären: „Entweder kommt die Folie als mittlere Schicht in die Decke oder sie wird, was einfacher und ebenso effektiv ist, hinter eine Applikation gelegt, die wiederum auf die Decke genäht wird“. Auch Helferin Maria Dettmar müht sich bereits mit dem Stoffungetüm ab, das sie parallel zu den Begleitgeräuschen der Maschine, unter dem Nähmaschinenfuß vorwärts gleiten lässt, damit die Naht an der richtigen Stelle sitzt.

Die Beleuchtung über dem arbeitenden Maschinen-Fuß hilft auch Barbara Geeck, besser zu sehen, was bearbeitet wird. Außerdem müssen noch weitere Greif- und Fühleffekte wie Reißverschlüsse, Schleifenbändel oder große Knöpfe, an den Decken angebracht werden, denn „das erhöht den Spaß“. Und Schriftführerin Annemarie Paiani hat schon zuhause fleißig Vorarbeit für ihre Kolleginnen geleistet: sie hat viele kleinere Stoffquadrate zu einer Art dünnen Patchworkdecke zusammengenäht und zur weiteren Verarbeitung mitgebracht.

Doch Annemarie Paiani hat mittlerweile ihren Fokus auf ein anderes Textilerzeugnis gelegt, das an dem Tag ebenfalls „in Produktion geht“ und sehr begehrt ist: das Herzkissen. Es soll bei Frauen mit Brustkrebs für Schmerzentlastung nach der Operation sorgen und weist eine Herzform mit längeren „Ohren“ auf. Speziell entwickelt, um Schmerzen und Spannungen nach dem chirurgischen Eingriff zu minimieren, kann das Kissen unter der Achsel getragen, Schwellungen unter dem Arm lindern. Die Landfrauen, die seit 2012 die Herzkissen fertigen, verschenken alle ihre genähten Erzeugnisse.

Und auch Männer kommen jetzt in die Gunst, eines der Kissen für sich zu nutzen. Denn Annemarie Paiani hat erfahren, dass Krebs-Patienten beiderlei Geschlechts dankbar dafür sind, wenn sie ein solch weiches Produkt – dann jedoch in der Form eines Knochens – während der Bestrahlung unter Nacken oder Knie schieben können. Aus ihrer früheren beruflichen Tätigkeit heraus, hat sie den Kontakt zum Klinikum hergestellt und wird alle Erzeugnisse, insgesamt sind es bereits mehr als 1200 Kissen, nach Marbach ins Krankenhaus bringen. Entsprechend ihrer Vorgabe werden diese dann im Klinikum Ludwigsburg und im Bietigheimer Krankenhaus verteilt.

Doch vorerst ist Paiani damit beschäftigt, eine Schablone auf die Stoffe zu legen und eine Herz-Form auszuschneiden. Auf einem Nebentisch liegen Stoffe im gestreiften, unifarbenen, karierten oder geblümten Design bereit. Zwischendurch aber prüft Paiani mit geübtem Griff, ob die Füllung reicht. „Da muss noch was rein“, lässt sie Monika Eckert wissen, die an einem Vlies zupft, um dem Kissen die entsprechende Konsistenz und Griffigkeit zu geben. „Damit es keine Bollen gibt“, sagt diese lächelnd und zupft mit flinken Fingern, unbeirrt an der Füllmasse herum. Barbara Geeck ist dabei, die Stoffteile, die ihr Paiani reicht, zu einem Herz zusammenzunähen. „Jetzt aber nicht mehr dieser stockende Stoff! Die Teile verschieben sich dauernd gegeneinander“, klagt die Näherin, die sofort motiviert wird. „Das schaffst du“, meint Annemarie Paiani überzeugt und erklärt, dass sich die Beschaffenheit des Velourstoffs für die Nutzer besonders gut anfühle. Und ab und an fliegt ein fertiges Teil durch die Luft, direkt auf die Stelle, wo schon die anderen Kissen darauf warten, ihre Besitzer zu beglücken.

Am Tisch, wo die fleißigen Hände von acht weiteren Frauen beinahe von alleine wissen, was sie zu tun haben, herrscht entspanntes Gemurmel. Uta Wahl beispielsweise näht fast blind das Kissen auf ihrem Schoß zu und unterhält sich parallel dazu, mit ihrer Sitznachbarin Sieglinde Fischer. Auch ihre Hände ruhen nicht. Lustige Anekdoten, Erinnerungen oder auch Krankheitsgeschichten bestimmen die harmonische Arbeitsatmosphäre, die auch den Frauen gut tut. Schließlich bedeutet ehrenamtlich Gutes für seine Mitmenschen zu tun, ja auch, dass man sich mit Gleichgesinnten trifft und die eigene Befindlichkeit nährt. Und wer fleißig ist, dem ist auch eine Pause vergönnt: Mit Kaffee, Tee und Hefezopf – gute Gespräche sind da dann inbegriffen.