Bernd Klingler (rechts) soll 23 500 Euro an die Stadtkasse zurückzahlen. Weil er sich weigert, könnte sich die Stadt das Geld aber auch von der mittlerweile zur Gruppe geschrumpften Rats-FDP um ihren Chef Matthias Oechsner zurückholen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der ehemalige FDP-Fraktionschef Bernd Klingler hat vor vier Jahren in die Fraktionskasse der Liberalen gegriffen. Obwohl Klingler deswegen rechtskräftig verurteilt wurde, geht die Stadt nun auch gegen die Rats-FDP vor. Ein Erklärungsversuch.

Stuttgart - Das Regierungspräsidium Stuttgart hat im Auftrag der Landeshauptstadt am 29. Dezember fristgerecht Klage gegen den AfD-Fraktionschef im Rathaus, Bernd Klingler, beim Verwaltungsgericht eingereicht. Es geht um die Rückzahlung jener 23 500 Euro, die Klingler als ehemaliger FDP-Fraktionsvorsitzender aus der Fraktionskasse der Rathaus-Liberalen entnommen und laut Gerichtsurteil für private Zwecke verwendet hat. Dass die Stadt vorsichtshalber auch gegen die damalige FDP-Fraktion und heutige FDP-Gruppe klagt, stößt in der Kreispartei vielfach auf Unverständnis. Der zuständige Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) zeigt zwar Verständnis dafür, beteuert aber: „Wir mussten auf Nummer sicher gehen, weil wir sonst eine Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung riskiert hätten.“

Die rechtliche Materie ist selbst für Juristen wie Mayer ausgesprochen kompliziert und stellt zudem ein Novum in der Geschichte Stuttgarts dar: Erstmals geht die Landeshauptstadt gerichtlich gegen eine ihrer gewählten Repräsentanten vor. Der Hintergrund: Bernd Klingler war im Sommer 2016 wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden und hatte den Richterspruch nach längerem Zögern akzeptiert. Laut Urteil soll er in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 23 500 Euro aus der Fraktionskasse – Geld, das den Liberalen für die Fraktionsarbeit aus Steuermitteln von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde – für private Zwecke verwendet haben. Den Beteuerungen des Kleinunternehmers, er habe mit dem Betrag doch nur Werbemittel für die FDP-Fraktion finanziert, schenkte das Gericht keinen Glauben.

Stadt wirft auch der FDP zweckwidrige Verwendung von Fraktionsmitteln vor

Im Gefolge der Affäre war Klingler bei den Liberalen als Fraktionschef abgesetztworden und wenig später zur AfD übergelaufen. Während diese seither als vierköpfige Fraktion im Rat und in den Ausschüssen sitzt, schrumpfte die FDP-Fraktion durch den Abgang zur dreiköpfigen Gruppe.

Warum aber sollen die Liberalen im Rat nun für den Schaden mithaften, den ihr damaliger Vormann angerichtet hat? „Es gibt unter Juristen verschiedene Auffassungen darüber, wer in diesem Fall der Geschädigte ist“, so Bürgermeister Mayer. Aus seiner Sicht sei in erster Linie der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden. Daher sei es von zentraler Bedeutung, das Geld zurückzubekommen, das der FDP-Fraktion entsprechend ihrem Abschneiden bei der Kommunalwahl 2014 übertragen worden sei. Mayer: „Die strafgerichtlich festgestellte Veruntreuung durch Herrn Klingler erfolgte in deren Sphäre.“ Deswegen gehe man auch gegen die frühere Fraktion und ihren Rechtsnachfolger, die heutige FDP-Gruppe, vor. Der Vorwurf: „Zweckwidrige Verwendung von Fraktionsmitteln“ zulasten der Stadtkasse. Im Klartext: Nicht Klingler persönlich, sondern die FDP-Ratsfraktion hat von der Stadt das Fraktionsbudget erhalten, das dann laut Urteil des Amtsgerichts für private Ausgaben des damaligen Fraktionschefs herhalten musste. Daraus ergibt sich im Juristendeutsch eine sogenannte Anspruchskette. Da sich Klingler wie berichtet nach anfänglicher Zusage unter Berufung auf ein Gutachten des renommierten Verwaltungsrechtlers Holger Zuck geweigert hatte, den Betrag zurückzuerstatten, sitzt nun also quasi sicherheitshalber auch die Rats-FDP auf der Anlagebank.

Mayer verdeutlicht das Prozedere an einem Beispiel: Ein Bürger beauftragt einen Handwerksbetrieb mit einer Reparatur. „Wenn der dann einen Subunternehmer engagiert und bei der Reparatur etwas schiefläuft, wendet sich der Bürger mit seinen Regressansprüchen an den ursprünglichen Auftragnehmer“, so der Bürgermeister. Der wiederum könnte sich dann beim Subunternehmer schadlos halten – im vorliegenden Fall also die FDP bei Klingler. Weil sich das Verfahren über mehrere Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht ziehen könnte und das für alle Beteiligten ein teurer Spaß wäre, hatten die im Rathaus verbliebenen Liberalen vor Weihnachten bei Klingler vorsichtig vorgefühlt, ob man sich die Rückzahlung nicht hälftig teilen könne.

Fraktion will keinen Deal mit ihrem abtrünnigen Stadtrat eingehen

Dieser Schritt wiederum stößt vielen Mitgliedern der Stuttgarter Liberalen sauer auf. Parteichef Armin Serwani berichtet von Dutzenden von empörten Anrufen und E-Mails: „Die Leute finden es unerhört, dass die FDP-Fraktion für einen finanziellen Schaden geradestehen will, den ausschließlich Bernd Klingler angerichtet hat.“ Der Protest hat bereits Wirkung gezeigt: Auf der Kreisvorstandssitzung am Dienstag sei man mit den FDP-Stadträten übereingekommen, doch keinen Deal mit Klingler einzugehen, so Serwani auf Anfrage unserer Zeitung: „Die FDP im Rathaus lässt’s jetzt drauf ankommen.“ Klingler hatte dagegen gegenüber dem SWR erklärt, er habe sich mit den Freien Demokraten bereits auf einen Vergleich verständigt. Serwani dazu: „Da hat er schlicht gelogen.“