Darf ein Opfer Gespräche als Beweis mitschneiden? Die Staatsanwaltschaft hat in einem besonderen Fall entschieden. Foto: Picture Alliance/dpa/Volker Hartmann

Die Affäre um den suspendierten Inspekteur der Polizei, Andreas Renner, hat eine weitere Etappe absolviert. Das mutmaßliche Opfer soll sich laut Staatsanwaltschaft nicht für einen Mitschnitt verantworten müssen.

Darf man ein mutmaßlich kompromittierendes Gespräch als Beweis mitschneiden oder nicht? Diese Frage hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Falle einer Polizeibeamtin, die das Verfahren um den suspendierten Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, Andreas Renner, ins Rollen gebracht hatte, nunmehr beantwortet. Das Ermittlungsverfahren gegen die Polizistin wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes wurde nach Paragraf 170 Strafprozessordnung eingestellt.

„Die Beschuldigte hat aufgrund eines rechtfertigenden Notstands nicht rechtswidrig gehandelt“, erklärt Aniello Ambrosio, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg sei eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme gewesen, „um der fortdauernden Gefahr, von ihm zur Aufnahme einer sexuellen Beziehung gedrängt zu werden, durch Herbeiführung eines Straf- und Disziplinarverfahrens gegen ihn zu begegnen“.

Der Generalstaatsanwalt ist eingeschaltet

Das Interesse der Beamtin, künftige Straftaten zu verhindern, habe überwogen. Außerdem habe ein wirksamer Strafantrag des Betroffenen nicht vorgelegen, so der Staatsanwaltssprecher. Die Frau habe auch nicht als Amtsträgerin gehandelt, sie habe den Mitschnitt weder bei ihrer dienstlichen Tätigkeit noch zu dienstlichen Zwecken gefertigt. Der Hauptkommissarin hätte im Falle einer Anklage und der Verurteilung eine Geldstrafe oder bis zu drei oder gar fünf Jahren Haft gedroht.

Allerdings ist mit der Verfahrenseinstellung noch nicht das letzte Wort gesprochen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat der beschuldigte Inspekteur Beschwerde gegen die Entscheidung erhoben. Über diese muss nun die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart befinden.

Der suspendierte Inspekteur muss vor Gericht

Renner selbst wird sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung verantworten müssen. Das Landgericht Stuttgart hat vor einigen Tagen die Anklage zugelassen und legt nun die Termine für die Hauptverhandlung fest. Dem suspendierten Inspekteur wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, Ende vergangenen Jahres eine Polizeibeamtin sexuell belästigt zu haben – zum Preis von Karrierevorteilen. Im Falle des Widerstands habe die Beamtin erhebliche berufliche Nachteile befürchten müssen.

Der suspendierte Inspekteur weist die Vorwürfe zurück. Wie es heißt, geht die Verteidigung von einem Freispruch aus. Die Affäre hat auch den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) in politische Nöte gebracht. Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) steht wegen der Sache seit Längerem unter Druck – er hatte nach eigenen Angaben ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht.

Ein Untersuchungsausschuss im Landtag beleuchtet das Thema sexueller Belästigungen bei der Polizei sowie die Beförderungspraxis und die Verantwortung Strobls. Weil er nach eigenen Angaben ein Anwaltsschreiben an einen Journalisten weitergereicht hatte, hat er eine Geldauflage über 15 000 Euro zur Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn akzeptiert.