Er hat derzeit nur wenige Fürsprecher: Generalbundesanwalt Harald Range steht wegen der Landesverrats-Affäre in der Kritik. Foto: dpa

In der Affäre um Journalisten von Netzpolitik.org schieben die Behörden den Schwarzen Peter hin und her. Auch Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister de Maizière rücken von Generalbundesanwalt Harald Range ab.

Berlin - In der Affäre um Landesverrats-Ermittlungen gegen den Journalisten-Blog Netzpolitik.org ist die Bundesregierung auf Distanz zu Generalbundesanwalt Harald Range gegangen. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz betonte am Montag in Berlin, Kanzlerin Angela Merkel unterstütze „ausdrücklich das Vorgehen des Bundesjustizministers“, der zuvor Zweifel am Vorgehen Ranges geäußert hatte. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) teilt nach Worten seines Sprechers die Skepsis von Justizminister Heiko Maas (SPD).

Auch im Innenressort werde bezweifelt, ob die Netzpolitik-Blogger die Absicht hatten, die Bundesrepublik zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, sagte der Sprecher. Es sei aber nichts dagegen einzuwenden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zuvor in dem Fall Strafanzeigen gegen Unbekannt erstattet habe. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen habe vorab Innenstaatssekretärin Emily Haber und den zuständigen Abteilungsleiter informiert, dass er einen solchen Schritt plane. De Maizière selbst habe erst später davon erfahren.

Der Blog Netzpolitik.org hatte über Pläne des Verfassungsschutzes berichtet, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Dazu stellten die Journalisten vertrauliche Unterlagen ins Netz. Der Verfassungsschutz erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Generalbundesanwalt Range leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org ein. Das wurde vielfach als Angriff auf die Pressefreiheit gerügt.

Kanzleramt erfuhr aus den Medien von dem Vorgang

Das Kanzleramt erfuhr nach Angaben der Vize-Regierungssprecherin erst aus den Medien von dem Vorgang. Wirtz betonte, die Regierung sehe die Pressefreiheit als sehr hohes Gut an. Die Kanzlerin sei der Ansicht, dass es grundsätzlich einer sehr sensiblen Abwägung bedürfe, wenn es um Fragen der Pressefreiheit gehe. Auf die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen für Range reagierten sowohl Wirtz als auch ein Sprecher des Justizressorts ausweichend: Derzeit stehe die Klärung der Sachfragen im Vordergrund.

Das Justizministerium will Range nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ schon frühzeitig vor Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org gewarnt und signalisiert haben, man halte ein solches Vorgehen für falsch. Das Ressort wurde nach eigener Darstellung am 27. Mai von der Bundesanwaltschaft über das am 13. Mai eingeleitete Verfahren informiert. Spitzenbeamte mehrerer Ministerien hätten die vielen Details des Falles gekannt und vor allem von der Entscheidung Ranges gewusst, gegen die Journalisten zu ermitteln.

Das Verfahren sei in Gang gekommen, weil das BfV in einem Gutachten zwei Veröffentlichungen von Netzpolitik.org zum Staatsgeheimnis erklärt habe. Daraufhin habe die Bundesanwaltschaft einen externen Experten beauftragt, über die Frage ein weiteres Gutachten zu fertigen. Die Anklagebehörde wollte sich zur Rolle des Justizministeriums bei den Ermittlungen am Montag nicht äußern: „Zu internen Dienstabläufen geben wir keine Stellungnahme ab.“

Die SPD kritisierte auch Maaßen: „Unser Eindruck ist schon, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in dieser Frage seine eigene Rolle kritisch hinterfragen sollte“, sagte Partei-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. „Bei uns entsteht zumindest der Eindruck, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte mit Blick auf unangenehme Veröffentlichungen.“ Auch Ranges Vorgehen halte die SPD „weder für verhältnismäßig noch für nachvollziehbar“. Wegen der Landesverrats-Ermittlungen forderte die Linkspartei ein Machtwort Merkels. Es reiche in dem Skandal nicht aus, wenn sich die Kanzlerin hinter Justizminister Maas stelle.