Der Begriff „Framing“ gilt als schillernd. Manche wollen sich damit womöglich in eine Opferrolle bringen, andere lehnen ihn ab. Gleichzeitig ist der „Framing-Effekt“ wissenschaftlich belegt. Welchen Einfluss hat er auf Kommunikation und Sprache?
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen stellte sich AfD-Chefin Alice Weidel im ZDF als Opfer dar, sprach gegenüber Moderator Andreas Wunn von „Framing“ und beschuldigte ihn damit der Einseitigkeit. Weidel gab sich zickig, als dieser sie fragte, warum keine der anderen Parteien etwas mit ihr zu tun haben wolle - und was sie dagegen zu tun gedenke. Wunn wies den Weidel-Vorwurf zwar mit Verweis auf das AfD-Programm souverän zurück, doch was genau versteht man unter „Framing“?
Framing-Definition
Framing kommt von Englisch „Frame“ (Rahmen) und bezieht sich auf die unterschiedliche Formulierung desselben Inhalts, die die Wahrnehmung oder das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen kann. Das Wort „Framing“ wird zwar teilweise als „rechter Kampfbegriff“ kritisiert, kommt aber aus den Kommunikations- und Sozialwissenschaften und hat zumindest in diesem Kontext eine neutrale Bedeutung.
Framing-Effekt und Realität
Ein „Frame“ – also ein Rahmen – strukturiert, wie die Realität wahrgenommen wird und beeinflusst somit, welche Informationen beim Empfänger im Gedächtnis haften bleiben. Dieser Effekt wird als „Framing-Effekt“ bezeichnet.
„Loss-Framing“
Bei der Gesundheitsvorsorge wird zum Beispiel oft auf die schädlichen Folgen von Rauchen, ungeschütztem Sex, Übergewicht und Ähnlichem hingewiesen. In diesem Fall spricht man von „Verlust-Framing“ (Englisch „Loss-Framing“). Umgekehrt gibt es auch sogenanntes „Gain-Framing“ mit positiven Aussagen (von Englisch „Gain“ – „Gewinn“).
Framing-Beispiele
„Wer raucht, stirbt schneller“ führt als Aussage zu Verlustängsten bei der adressierten Person (Loss-Framing). Es gibt aber auch das Gegenbeispiel: „Wer aufhört zu rauchen, lebt länger.“ Hier betont man die positiven Aspekte und Vorteile, die mit dem Aufhören verbunden sind (Gain-Framing).
Framing-Forschung
Studien untersuchen, welches Framing bei welchen Aussagen am stärksten wirkt. Außerdem muss der Framing-Effekt bei der Erstellung von Fragebögen beachtet werden, weil er sonst die Ergebnisse von Umfragen verzerren kann. Framing-Studien sind besonders relevant für Werbung und PR (Public Relations) sowie für sozialwissenschaftliche Erhebungen.
Framing und Wortwahl
In den Medien kann über die Wortwahl oder selektives Betonen und Weglassen von Fakten unter Umständen ebenfalls eine Art Framing entstehen. Dieser Effekt läuft teilweise ungewollt oder unbewusst ab und kann unter anderem durch plakative oder vermeintlich praktische Formulierungen entstehen. So ist es nicht das Gleiche, ob man von der „Creutzfeld-Jakob-Krankheit“ spricht oder von „Rinderwahnsinn“ (BSE). In einem Fall blieb der Rindfleischkonsum der Verbraucher laut Studien fast unbeeinflusst, im anderen ging er stark zurück.
Framing vermeiden
Framing läuft also über die Sprache und über den Kontext. Es macht einen Unterschied, ob man von „Flüchtlingswelle“ spricht oder von „Geflüchteten“. „Islamischer Staat“ hat nicht die gleiche Wirkung wie „IS-Terrormiliz“ oder „Daesh“.
Auch bei der Kommunikation im Alltag ist Framing fast unvermeidlich, etwa beim Einkauf, in sozialen Netzwerken oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Es gibt jedoch Möglichkeiten, den Framing-Effekt abzumildern oder auszuschalten. Eine Arbeitsgruppe um den Forscher Benedetto de Martino vom University College London empfiehlt folgende Überlegungen:
- Framing-Perspektive: Welche alternativen Sichtweisen existieren?
- Umgekehrte Formulierung: Wie könnte die Aussage anders formuliert werden?
- Sprachliche Varianten: Wie wirken verschiedene Formulierungen auf mich?
- Handlungsdruck/Zeitdruck: Fühle ich mich angespornt, sofort zu handeln oder zu reagieren? Welche Emotion erzeugt Druck?
- Framing-Emotion: Was würde ich denken/tun, wenn diese Emotion nicht auf mich wirken würde?
Framing und AfD
Der AfD gefällt es nicht, mit ihrem Wahlsieg in Thüringen von ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten in einen Zusammenhang mit dem Beginn des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 gebracht zu werden. Andererseits braucht man sich auch AfD-Formulierungen wie „linksgrünversifft“ oder „Altparteien“ nicht zu eigen machen, zumal dieses Wort an den Jargon der Nationalsozialisten erinnert, die schon vor dem Sturz der Weimarer Republik von „Systemparteien“ sprachen und damit alle anderen verächtlich machen wollten.
Medienschaffende müssen hier also Vorsicht walten lassen und sollten vor allem bei kontroversen Themen möglichst neutrale Formulierungen verwenden, ohne dabei die eigenen Vorlieben und Wertungen deutlich zu machen. Bericht und Kommentar sind ohnehin klar voneinander zu trennen. Gleichzeitig bleibt es das Recht und die Pflicht der Medien, nach allen Seiten kritische Fragen zu stellen.