Die Demonstranten waren auf dem Bürgerplatz durch eine Absperrung von den Besuchern der Veranstaltung getrennt. Foto: Simon Granville

Ein Leonberger Bündnis hat zur Demonstration gegen eine Wahlkampfveranstaltung der AfD aufgerufen. Gekommen sind 800 Menschen – und bescherten den Besuchern der Stadthalle keinen ruhigen Start in den Abend.

Eine ruhige Veranstaltung hatte die Polizei zu Beginn eines Wahlkampfevents der AfD am Mittwochabend in Leonberg prognostiziert. In der Tat: Größere Zwischenfälle gibt es zumindest bis zum Beginn des Events in der Leonberger Stadthalle um 19 Uhr nicht. Ruhig in Sachen Lautstärke ist es allerdings kaum auf dem Bürgerplatz vor der Halle. Rund 800 Demonstranten, das zählten Polizei und Feuerwehr, versammeln sich hier bereits vor 17.30 Uhr zu einer Gegendemonstration – und machen ordentlich Lärm. Dicht an dicht gedrängt halten die Demonstranten ihre Schilder in die Höhe, skandieren „Ganz Leonberg hasst die AfD“, „Schämt euch!“ oder „Nazis raus!“. Zwischen Ihnen und den Besuchern der AfD-Veranstaltung: Ein Zaun, eine Handvoll Polizisten und ein paar Meter Abstand.

 

Geladen hatte der AfD-Landesverband Baden-Württemberg, der vom Landesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, und angekündigt war hoher Parteibesuch, allen vorweg Bundesvorsitzender Tino Chrupalla, der gerade erst von seinem Besuch bei der Amtseinführung von Donald Trump zurückgekehrt sein dürfte. Auch die beiden Landesvorsitzenden Emil Sänze und Markus Frohnmaier aus Weil der Stadt waren unter den angekündigten Gästen in der Stadthalle.

„Wir wollen unsere Demokratie nicht verlieren“

Bereits in der vergangenen Woche hatte sich eine entsprechende Demonstration vor der Stadthalle angekündigt. Zur Kundgebung aufgerufen hatte das Bündnis „Leonberg bleibt bunt – Gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte“, das bereits im vergangenen Jahr einige Demonstration gegen den Rechtsruck im Lande organisiert hatte. „Wir hatten mit 500 bis 800 Teilnehmern gerechnet“, sagt die Leonberger Grünen-Kreisrätin Angie Weber-Streibl, die das Bündnis initiiert hat, am Rande der Demonstration am Mittwochabend. Freude herrscht bei den Veranstalter also darüber, dass sich diese Schätzung auch erfüllt habt, auch angesichts des Termins an einem Wochentag und der kühlen Temperaturen. „Demokratie ist wichtig“, so Weber-Streibl. „Wir wollen sie nicht verlieren.“

Dieser Tenor bestimmt auch die zahlreichen Redebeiträge, die auf der kleinen Bühne teilweise kaum bis zum lauten Kern der Demonstranten durchdringen. Unter den Rednern ist etwa die Vorsitzende der Leonberger KZ-Gedenkstätte Marei Drassdo, die die Bedeutsamkeit der Erinnerungskultur betont – und, dass jeder einzelne sich weiterhin für Demokratie einsetzen muss. „Wir werden uns nur gegen den neuen Faschismus wehren können, wenn endlich alle mitmachen“, sagt sie. „Wir werden nicht den Mund halten, wenn in unserer Stadt eine Partei wie die AfD versucht, ihre Politik der Ausgrenzung, der Hetze und des Geschichtsrevisionismus’ zu verbreiten.“ Farina Semler, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW, spricht über notwendige und wichtige Demokratiebildung in Schulen, über die hohen Zustimmungswerte der Partei unter jungen Menschen. Und sie sagt klar: „Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, sie ist Gift für Deutschland, eine Katastrophe für unsere Demokratie.“

Besucher der Veranstaltung werden beschallt

Den rund 800 Demonstranten gegenüber stehen noch bis zum Veranstaltungsbeginn um 19 Uhr zahlreiche Besucher der Stadthalle. Den Einlass organisieren die Sicherheitskräfte zwar über eine abgesperrte Zone mit Taschenkontrolle, zwischen Veranstaltungsteilnehmern und Demonstranten liegen aber dennoch nur einige Meter. Der Einlass zur Stadthalle läuft teilweise so schleppend, dass sich vor den Türen eine größere Traube bildet – die dort auch die Rufe der Demonstranten aushalten muss. Irritieren lassen sich die Besucher der AfD-Veranstaltung davon scheinbar nicht, feuern die Buh-Rufe der Menge vereinzelt sogar an. Ein Teilnehmer versucht sogar, die Demonstranten mit einem kleinen portablen Lautsprecher und dem Song „L’amour toujours“, das von Rechten gerne zur ausländerfeindlichen Hymne umgedichtet wird, zu übertönen – ohne Erfolg.

Lange Schatten wirft derweil auch die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, und das nicht nur, weil AfD-Gast Chrupalla sie live mitverfolgt hatte. So manche negativen Kommentare über die Ereignisse in den USA, über den Tech-Milliardär Elon Musk und seine enge Zusammenarbeit mit dem neuen, alten Präsidenten fielen unter den Zuschauern und zieren die Plakate der Demonstranten. „Wärst du nur in Washington geblieben“, hieß es auf einem – gemeint ist Chrupalla.

Familien, junge und ältere Menschen auf der Demonstration

Um 18.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn in der Stadthalle, verkünden die Veranstalter schließlich das offizielle Ende der Demonstration. So einige Demonstranten harren aber noch länger aus. Unter ihnen ist auch ein 83-jähriger Leonberger. Es ist seine erste Demonstration gegen rechts, berichtet er. „Es ist traurig, sehen zu müssen, dass wir wieder in Zeiten zurückfallen, die großes Elend über Deutschland gebracht haben“, sagt er. „Ich bin Gegner der AfD, voll und ganz“. Ein anderer, älterer Besucher freut sich über die vielen jungen Leute, die zur Demonstration erschienen sind.

Eine von ihnen steht für eine Rede auch auf der kleinen Bühne. „Wenn ich höre, wie die AfD über andere spricht, wird mir schlecht. Und wenn ich höre, wie das, was die AfD sagt, verharmlost wird, wird mir noch schlechter“, sagt die 24-jährige Dora ins Mikrofon. Der Kampf gegen den Faschismus, der sei kein Sprint, sondern ein Marathon, den man zusammen schaffe, betont sie. „Bleibt laut, bleibt wütend!“, fordert die 24-jährige dann noch, und ergänzt: „Und bleibt liebevoll und einfühlsam miteinander.“