Wie wird die Rente zukunftsfest? Darüber gibt es in der AfD Streit. Foto: dpa

Alle sprechen über die Rente. Die AfD auch. Weil Wirtschaftsliberale gegen national-konservative Sozialpolitiker stehen, droht der Partei eine Zerreißprobe.

Stuttgart - Wofür steht die AfD? Klar, in Sachen Flüchtlingspolitik ist diese Frage überflüssig. Aber sonst? Da gibt es im Parteiprogramm noch viele Leerstellen. Auf dem Parteitag am Wochenende in Augsburg will die AfD versuchen, einige davon zu schließen. Und gerade in der Rentenfrage dürfte es dort eine kontroverse Debatte geben.

Die rentenpolitische Stammtischhoheit in der AfD haben derzeit die Thüringer. Der Erfurter Fraktionschef Björn Höcke hat unlängst mit dem Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl ein detailliertes Rentenkonzept vorgelegt. Die beiden Rechtsaußen präsentieren sich als linke Sozialpolitiker, bleiben sich allerdings insofern treu, als der von ihnen geforderte Rentenaufschlag nur deutschen Staatsbürgern zugutekommen soll.

Aber der Reihe nach. Höcke und Pohl treibt vor allem das Thema Altersarmut um. Viele Experten teilen ihre Befürchtung angesichts der steigenden Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse und gebrochener Erwerbsbiografien. Die Thüringer antworten mit einem steuerfinanzierten Zuschuss für kleine Renten.

Zuschuss nur für Besitzer eines deutschen Passes

Wer auf mindestens 35 Beitragsjahre, aber weniger als 45 Rentenpunkte kommt (45 Rentenpunkte entsprechen der Standardrente von aktuell rund 1350 Euro), soll laut Höcke und Pohl für jeden Punkt einen Aufschlag erhalten. Bezweckt wird, dass jeder Rentner – sofern er einen deutschen Pass besitzt – mehr Geld hat als in der Grundsicherung im Alter (derzeit rund 850 Euro).

Das bedeutet: Rentner mit 301 Euro Rente (zehn Rentenpunkte) kämen auf 961 Euro (301 Euro Rente plus 549 Euro Grundsicherung plus 111 Euro Zuschuss). Rentner mit 601 Euro Rente (20 Punkte) kämen auf 1073 Euro. Am stärksten würden Rentner mit 842 Euro Rente (28 Punkte) profitieren, sie kämen auf 1163 Euro. Für Rentner mit mehr Punkten würde der Zuschlag bis zum Erreichen der Standardrente wieder sinken.

Grundsätzlich planen Höcke und Pohl eine Anhebung des Rentenniveaus von derzeit 48 auf 50 Prozent sowie eine „Kinderrente“. Danach soll der Rentenbeitrag um drei Punkte steigen, pro Kind bis zum dritten Kind dann jeweils wieder um einen Punkt sinken. Arbeitnehmer mit drei Kindern würde also nicht zusätzlich belastet. Jedwede staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge lehnen die Thüringer darüber hinaus ab. Begründung: Davon würde nur die Finanzindustrie profitieren.

DGB spricht von sozialer Demagogie

Das Konzept von Höcke und Pohl ist auf scharfe Kritik gestoßen. Der DGB sprach von einer „sozialdemagogischen Luftnummer“. Die Deutsche Rentenversicherung stellte klar, eine Unterscheidung zwischen deutschen und ausländischen Rentenbeitragszahlern sei rechtswidrig.

Widerspruch kam auch aus der AfD. Anders als sein Co-Parteichef Alexander Gauland, der den Vorstoß aus Erfurt begrüßte, ohne ihn inhaltlich zu bewerten, lehnte Jörg Meuthen ihn ab.

Zwar spreche einiges dafür, „wenn man Menschen mit Migrationshintergrund, die sich in unsere Gesellschaft integrieren und assimilieren, damit einen Anreiz gibt, Deutsche zu werden“, sagte Meuthen unserer Zeitung. „Ich bin aber nicht einverstanden, bei Menschen, die Beiträge gezahlt haben, zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen zu differenzieren.“ Eine Diskriminierung aufgrund der Nationalität wäre „ungerecht und nicht mit unserem Rechtssystem vereinbar“, sagte Meuthen.

Meuthen lehnt Umlagesystem ab

Der AfD-Chef hält die innerparteiliche Rentendebatte für „notwendig und richtig“. Es sei gut, wenn es konkurrierende Entwürfe gebe, „und zwar ganz ungeachtet der Frage, wie ich selber dazu stehe“. Wichtig sei, dass die AfD zu einer gemeinsamen Position komme. Der Parteichef macht keinen Hehl daraus, dass er als Wirtschaftsliberaler im Unterschied zu Höcke und Pohl eine Ausweitung der umlagefinanzierten Altersvorsorge ablehnt, bei der die aktiven Beitragszahler für die aktuelle Rentnergeneration einstehen. Ihm schwebt ein ganz anderes System vor: „Die Menschen sollten in Eigenverantwortung handeln, soweit das möglich ist.“ Millionen befänden sich „im Zwangssystem der gesetzlichen Rente, die auf klügere Art und Weise ihre eigene Altersvorsorge gestalten können“. Das staatliche System solle sich auf diejenigen beschränken, die das nicht aus eigener Kraft schaffen.

Auch Weidel setzt auf private Vorsorge

„Wenig effizient“ nennt Meuthen das Umlagesystem. „Wenn sie das Versorgungsniveau von Menschen anschauen, die jahrzehntelang ins System eingezahlt haben, dann ist der Abstand zur Sozialhilfe, die die Menschen sowieso beanspruchen können, häufig marginal“, so der frühere Kehler Wirtschaftsprofessor. Die Menschen würden viel mehr einzahlen, als sie jemals herausbekommen können.

In Alice Weidel, die mit Gauland die AfD-Fraktion im Bundestag anführt, sieht Meuthen eine Verbündete. Weidel hat ein eigenes Rentenpapier vorgelegt, das unserer Zeitung in Auszügen vorliegt. Wie Meuthen bezweifelt auch sie angesichts der Überalterung die Zukunftsfähigkeit des Rentensystems. Zwei weitere Säulen der Altersvorsorge müssten entschieden gefördert werden: kapitalgedeckte Betriebsrenten sowie steuerliche geförderte Anlagen in Wertpapiere und private Rentenversicherungen.