Die AfD-Vorsitzende verlässt vorzeitig den Saal der Bundespressekonferenz, um Meinungsverschiedenheiten in der Führung deutlich zu machen. Foto: dpa

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry lässt eine kleine Bombe platzen: Sie geht zwar in den Bundestag, wird aber der AfD-Fraktion nicht angehören. Die Partei reagiert gereizt.

Berlin - Dafür, dass die Alternative für Deutschland (AfD) gerade dabei ist, ihre Vorsitzende zu verlieren, reagiert die Partei erstaunlich gelassen. Als die AfD-Parteichefin Frauke Petry am Montagmorgen in der Bundespressekonferenz vor den Augen der verdutzten Parteiführung eine kurze Erklärung abgibt und dann fluchtartig den Saal verlässt, bleiben ihre Kollegen bemerkenswert ruhig.

Da sei eine Bombe geplatzt, sagt der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen. Petry hat zuvor angekündigt, sich nicht der AfD-Bundestagsfraktion anzuschließen. Sie will fraktionslose Abgeordnete sein. Grund dafür ist wieder einmal Streit über die Ausrichtung der Partei. Die Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel reagieren auf Petrys Abgang gefasst. „Jetzt sind Sie dran“, antwortet Gauland an Meuthen gewendet.

Ihm entfährt dann ein kurzes Lachen. Was in anderen Parteien große Aufregung verursachen würde, nehmen die Funktionäre der AfD mit einem Achselzucken hin. „Bei uns muss man viel Humor mitbringen“, meint der Berliner Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski, der im Publikum sitzt. Die Botschaft ist zumindest in dieser Runde klar: Petry ist weg, na und?

Petry vermasselt den Start im Bund

Klar ist, dass die Parteivorsitzende den Start im Bundestag vermasselt hat. Denn die Parteiführung wollte den Auftritt vor der Bundespressekonferenz nutzen, um über den zweistelligen Wahlerfolg und die Ziele im Bundestag zu berichten. Erstes Ziel der AfD ist es, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, um die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel auf den Prüfstand zu stellen. Doch diese Botschaft geht an diesem Tag unter. Petry hat ihr eigenes Drehbuch geschrieben. Dass sie an der AfD-Spitze isoliert ist, weiß die Partei seit Monaten. Als die vier Führungsleute den Saal betreten, ist es der erste gemeinsame Auftritt nach langer Zeit. Weidel, Gauland und Meuthen reden miteinander, doch mit Petry wechselt keiner ein Wort. Als die 42-jährige AfD-Politikerin, die in ihrem sächsischen Wahlkreis das Direktmandat gewonnen hat, an der Reihe ist, spricht sie Klartext: Dass es inhaltliche Meinungsverschiedenheiten in der AfD gibt, solle nicht totgeschwiegen werden, sagt Petry. Ihr gehe es darum, dass wieder Themen im Vordergrund stünden. Den Spitzenkandidaten wirft sie vor, dass sie mit abseitigen Äußerungen Fehler gemacht hätten. Mit radikalen Parolen werde die AfD es nicht schaffen, sich auf die Übernahme der Regierungim Jahr 2021 vorzubereiten, lautet Petrys Fazit. Dann steht sie auf, ohne eine einzige Frage zu beantworten.

Der Vorstand der Bundespressekonferenz missbilligt es, dass Petry die Bühne des Vereins genutzt hat, ohne Fragen von Journalisten zuzulassen. Auch der AfD-Vorsitzende Meuthen entschuldigt sich, das sei nicht abgesprochen gewesen. Zwischen Petry und dem AfD-Vorstand herrscht Funkstille. Später sagt die umstrittene Parteivorsitzende in Interviews, dass sie sich den Schritt lange überlegt habe. Mit dem inszenierten Abgang vor Medienvertretern aus dem In- und Ausland erzielt Petry maximale Aufmerksamkeit. Mit der Absage an die Bundestagsfraktion will sie zum Ausdruck bringen, dass sie nicht verantwortlich für deren Politik sein will. Eine klarere Distanzierung kann es nicht geben. Doch wie geht es zusammen, dass die Parteivorsitzende die Zugehörigkeit zur Bundestagsfraktion verweigert? Spitzenkandidatin Weidel fordert wenige Stunden nach dem Eklat, dass Petry die AfD verlassen soll.

Inszenierter Abgang mit maximaler Wirkung

Gewählt ist die Parteichefin bis zum Parteitag im Dezember. Ob sie nach der jüngsten Aktion so lange im Amt bleibt, ist fraglich. Immer wieder tauchen Spekulationen auf, Petry arbeite auf die Spaltung der Partei hin. Diesen Weg ist schon Parteigründer Bernd Lucke gegangen – doch die Nachfolgepartei versank in der Bedeutungslosigkeit. Der Berliner Fraktionschef Pazderski sagt, Petry werde das gleiche Schicksal erleiden, falls sie Luckes Beispiel folgen sollte.

Petrys Paukenschlag dürfte in der AfD zumindest Unruhe auslösen. Die Nervosität steigt auch, weil es in den Landtagen nicht so läuft wie erhofft. In 13 Landtagen ist die AfD inzwischen vertreten. Anlaufschwierigkeiten gab es zuhauf – etwa in Baden-Württemberg. An diesem Montag spaltet sich die Landtagsfraktion der AfD in Mecklenburg-Vorpommern. Vier der 18 Abgeordneten haben eine neue Fraktion mit dem Namen „Bürger für Mecklenburg-Vorpommern” gegründet.

Aus Petrys Sicht werden die gemäßigten Mitglieder in der AfD an den Rand gedrängt. Sie will nun „auf andere Weise aktiv dafür sorgen“, dass eine gesellschaftliche Wende bis 2021 eingeleitet wird. Wie das geschehen soll, darüber schweigt sie.