AfD-Anhänger in der Fankurve – darüber ist auch beim VfB Stuttgart eine intensive Diskussion entbrannt.Foto:dpa Foto:  

Seit der Frankfurter Vereinspräsident Peter Fischer AfD-Mitglieder ausschließen will, wird auch im Fußball über den Umgang mit der Rechtspartei diskutiert. Beim VfB Stuttgart verweist man auf seine „politische Neutralität“.

Stuttgart - Peter Fischer ist ein Mann von 61 Jahren, der gerne seine Ruhe hat. Nur kommt er nicht mehr so oft dazu, auf seinem Sofa zu liegen, „die Fernbedienung in der Hand, Zigaretten und Schokoladenpudding in Reichweite – und sonst weit und breit niemand, so dass ich auf gar keinen Fall reden muss“. Erst diese Woche ist ein Reporter der „Zeit“ nach Frankfurt geeilt, um mit ihm über Fußball und Politik zu sprechen. Er war nicht der erste Gast und dürfte nicht der letzte bleiben.

Peter Fischer, seit gut 17 Jahren Präsident von Eintracht Frankfurt, verfolgt die Mission, der Unterhaltungsbranche Fußball auch eine politische Relevanz zu geben. Um Weihnachten gab er der FAZ ein Interview, in dem er nicht nur über seine heutigen Ideale (Sofa, Fernbedienung, Schokopudding) und jene von früher sprach („Ich sah mich als Kämpfer gegen den weltweiten Hunger“). Sondern auch über seine Haltung zur AfD, die bis heute anhaltend hitzig diskutiert wird: „Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt.“

Der Aufruhr hätte größer kaum sein können. Die AfD Hessen stellte Strafanzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung – was den Eintracht-Präsidenten nicht davon abhielt, noch einmal nachzulegen: „Ich schäme mich für 13 Prozent der Bevölkerung, die die AfD gewählt haben. Ich will ihnen keinen Millimeter Fläche geben.“ Es gebe für „die braune Brut“ keinen Platz: „Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei der Eintracht geben.“

Das Thema ist heikel

So deutlich hat in Fragen der politischen Gesinnung noch kein Fußballfunktionär Position bezogen. Entsprechend groß ist die Resonanz, entsprechend lebhaft die Diskussion, die noch immer anhält. Zu ihr gehört einerseits ein Shitstorm, der seit Wochen über Fischer hinwegzieht. Als „drittklassigen Proleten eines Fußballvereins“ bezeichnete ihn Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag – verglichen mit anderen Verwünschungen in den unzähligen Hass-Mails geradezu ein Kompliment.

Andererseits hat Fischer aber auch viel Zuspruch erfahren. Auf der Mitgliederversammlung wurde der Eintracht-Präsident Ende Januar erst mit Sprechchören gefeiert und dann mit 99 Prozent der Stimmen wiedergewählt. In seiner mit Spannung erwarteten Rede bekräftigte Fischer („Ich habe nichts zurückzunehmen oder zu relativieren“) seine Ablehnung gegenüber der AfD. Widerworte gab es keine – die Kritiker aus dem AfD-Lager zogen ihre Wortmeldungen kurzfristig zurück. Sie fürchteten, von der Bühne gepfiffen zu werden.

Es ist, auch jenseits aller Emotionen, nicht leicht zu beantworten, ob Fischer mit seinem Ansinnen den richtigen oder falschen Weg gewählt hat. Die einen loben ihn für seine Courage, den Rechtspopulisten derart die Stirn zu bieten. Die anderen geben zu bedenken, dass gerade eine solche Ausgrenzung die Gräben vertiefe. Dass Vereinsausschlüsse ohnehin schwer umsetzbar wären, hat Fischer selbst erkannt. Man werde das Wahlverhalten nicht überprüfen, sagte er – „wir erwarten aber, dass sich jeder einer kritischen Selbstprüfung unterzieht“. So oder so: Mit seinem AfD-Bashing hat Fischer „ein starkes Zeichen gegen rechtsradikale Strömungen unter Fans“ gesetzt, findet „Der Spiegel“, vor allem aber hat er eine alte Frage neu belebt: Wie politisch darf, wie politisch soll oder wie politisch muss der Profifußball sein?

Nicht jeder ist ein Neonazi

In einem anderen Fall sind sich die Verantwortlichen zuletzt weitgehend einig gewesen. Viel Solidarität erfuhr der Viertligist SV Babelsberg, der nach Zuschauerausschreitungen im Spiel gegen Energie Cottbus die Kampagne „Nazis raus aus den Stadien“ startete, an der sich auch einige Bundesligisten beteiligen, auch der VfB Stuttgart. Ein ursprüngliches Urteil hat das DFB-Bundesgericht in dieser Woche revidiert und neben dem SV Babelsberg, dessen Anhänger sich mit „Nazischweine“-Sprüchen gegen die Attacken der Energie-Fans gewehrt hatten, auch Energie Cottbus mit einer Geldstrafe von 7000 Euro belegt. „Der DFB fährt eine klare Linie gegen rassistische und rechtsradikale Umtriebe“, sagte der Richter Achim Späth: „Für solche Verhaltensweisen ist in unserem Fußball kein Platz.“

Im Falle der AfD aber liegen die Dinge anders. Zwar mag sich Parteichef Alexander Gauland schon vor zwei Jahren ins Abseits manövriert haben, als er verkündete, dass die Deutschen den Nationalspieler Jérôme Boateng nicht als Nachbarn haben wollten. Doch steht er einer Partei vor, die demokratisch gewählt wurde. Nicht jeder der knapp sechs Millionen AfD-Wähler ist ein Neonazi, nicht jeder Sympathisant ein Feind in der eigenen Fankurve.

Auch dies ist ein Grund, warum Peter Fischer vergeblich auf die große Unterstützungswelle wartet. „Wo sind die anderen? Wo sind die breiten Schultern? Wo bekennt sich einer?“, fragte er nach seiner Wiederwahl: „Ich hoffe wirklich, dass dieses Thema keine Soloveranstaltung von mir und Eintracht Frankfurt bleibt.“ Beim Hamburger SV hatte sich Peter Gottschalk, Vorsitzender des Seniorenrats, zunächst zwar ebenfalls dafür eingesetzt, AfD-Mitglieder auszuschließen – bei der Hauptversammlung aber zog er seinen Antrag zurück. Der Großteil der anderen Clubs bleibt zurückhaltend und hält seine Statements allgemein – so auch der VfB Stuttgart.

„Der VfB steht für Vielfalt und Toleranz“

Vereinspräsident Wolfgang Dietrich will das Vorpreschen seines Frankfurter Amtskollegen nicht bewerten – „wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Vorgängen bei anderen Vereinen“. Als „politisch neutraler Verein“ versteht sich der VfB und verzichtet daher auch „grundsätzlich auf politische Statements“. Klar ist für Dietrich aber: „Der VfB steht für Vielfalt und Toleranz und lehnt Rassismus sowie Diskriminierung kategorisch ab.“

Zu welcher Partei sich ein Fan hingezogen fühlt, will der VfB-Präsidenten zwar niemandem vorschreiben: „Wir können unseren Vereinsmitgliedern satzungsgemäß nicht untersagen, Mitglied einer Partei zu sein.“ Doch gelte ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit: „Wenn einzelne Personen gegen rechtsstaatliche Regeln und Grundsätze verstoßen, wird der VfB im Sinne des Vereinsrechts konsequent gegen diese Verfehlungen vorgehen.“ Damit es so weit gar nicht erst kommt, sagt Dietrich, befinden sich die Fan- und Sicherheitsbeauftragten des VfB im Austausch mit der Fanszene und arbeiten auch präventiv.