Gegen die Fraktionschefin Alice Weidel laufen in einer Sache strafrechtliche Ermittlungen. Das ist eines der Probleme der AfD. Foto: AP

Die AfD will 2019 zum Schicksalswahljahr machen und meldet im Osten Führungsanspruch an. Dabei steht sie vor einem Berg an Problemen.

Berlin - Knapp sechs Jahre nach ihrer Gründung ist die AfD in allen Parlamenten angekommen – und hat sich währenddessen radikalisiert. Nun soll 2019 zum entscheidenden Jahr werden. In Europa will die Partei eine Fraktion mit Rechtspopulisten und -radikalen bilden. Ein Leitantrag mit einer „Dexit“-Forderung steht am Wochenende beim Parteitag im sächsischen Riesa zur Debatte. Bei den Landtagswahlen im Herbst ist das Ziel, im Osten stärkste Kraft zu werden. Vielleicht kommt aber alles ganz anders: Die AfD hat gerade viele Probleme. Zudem sind die Zeiten vorbei, da die Partei auf ihren Neulingsstatus auf dem politischen Parkett verweisen konnte. Ein Überblick:

 

Spenden- und Spesenaffäre

Die AfD startet ins Wahljahr mit einer unaufgeklärten Spendenaffäre und einer Spesenaffäre in der Fraktion. Dabei gibt es gleich mehrere politisch brisante Unbekannte: So ist unklar, um wen es sich bei den Großspendern aus dem Ausland handelt – die politischen Folgen bei einer Namensnennung sind derzeit schwer zu kalkulieren. Auch die Frage, ob die zurückgezahlte Spende einer belgischen Stiftung rechtens war, ist noch nicht abschließend geklärt, genauso wenig wie der Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung. Gegen die Fraktionschefin Alice Weidel laufen in einer Sache strafrechtliche Ermittlungen. Was, wenn die Staatsanwaltschaft mitten im Wahlkampf zu der Überzeugung gelangt, dass eine Straftat vorliegt? Der AfD als neue Partei, die alles anders machen wollte als die bisherigen Spieler auf dem Feld, hat mit der Spendenaffäre ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zudem drohen satte Strafzahlungen. Dabei hat die AfD schon jetzt Bettelbriefe an die Mitglieder verschickt – unter anderem, weil die Listenaufstellung für die Europawahl bei so vielen mandatswilligen Kandidaten zeitaufwendiger ist als gedacht und so vielleicht ein dritter Parteitag nötig wird. In der Fraktion muss ein womöglich fahrlässiger Umgang mit Spesen aufgeklärt werden – nicht der erste.

Drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz

Es gibt Hinweise darauf, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bald entscheiden wird, die AfD zumindest in Teilen zu beobachten, weil Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen. Käme dies so, könnte die Partei für jene, die sich als Teil des bürgerlich-konservativen demokratischen Spektrums betrachten, unwählbar werden. Derzeit wertet eine Arbeitsgruppe beim Bundesamt die Einschätzungen aus, die aus allen Landesämtern an die Behörde geschickt wurden. Im Fokus steht unter anderem die Jugendorganisation der Partei wegen ihrer Nähe zur Identitären Bewegung – auf Landesebene wird die Junge Alternative (JA) bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine Nähe zu rechtsextremistischen Argumentationsmustern wird der JA attestiert. Zu potenziellen Beobachtungszielen gehört auch die völkische Patriotische Plattform – die allerdings bereits ihre Selbstauflösung angekündigt hat. Nicht aus Gründen der Läuterung, sondern, weil alle inhaltlichen Aussagen, die früher nur in der Plattform debattierbar waren, inzwischen in der Partei sagbar seien.

Innerparteiliche Zerreißprobe

Die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz offenbart tiefe Risse mitten durch die Partei – die Folgen und die künftige Richtung sind derzeit nicht detailliert kalkulierbar. Die Spitze sieht sich nach außen und innen unter erheblichem Handlungsdruck. Sie hat einerseits angekündigt, sich politisch und juristisch mit allen Mitteln gegen eine Beobachtung zu wehren und kein Jota vom Programm abzurücken. Selbst eine Klage vor dem EU-Menschenrechtsgerichtshof soll dazu gehören. Gleichzeitig sieht die AfD offenkundig doch Handlungsbedarf in den eigenen Reihen und hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, die wiederum auf heftigen Widerspruch stoßen. Eine Satzungsänderung, die noch beschlossen werden muss, soll die Trennung von Verbänden der JA ermöglichen, nachdem man „menschenverachtende und rassistische Hetze“ in Chats entdeckt habe. Eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe soll die Partei gegen die Beobachtung rüsten. In einem juristischen Gutachten werden Beispiele von Aussagen aufgelistet, die gefährlich werden könnten. In einer Handreichung sollen Parteimitgliedern Verhaltensregeln gegeben werden. Einzelnen wurde der Austritt nahegelegt.

In immer rascherer Folge werden Parteiausschlussverfahren angestrengt – jüngst gegen die einstige schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein und die baden-württembergischen Abgeordneten Stefan Räpple und – zum zweiten Mal – Wolfgang Gedeon. Die Linie des Vorstands stieß am ultrarechten Rand auf Widerstand, der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke sprach von „politischer Bettnässerei“, in einem „Stuttgarter Aufruf“ wandten sich Mitglieder gegen „Denk- und Sprechverbote“. Innerparteilich ist von einer „Stasi“ die Rede. Der sachsen-anhaltinische Rechtsausleger André Poggenburg kündigte die Gründung einer neuen rechten Gruppe in der Partei an. In dieser Lage steht ein Wahlkampf vor der Tür, in dem nicht nur Höcke in Thüringen, sondern zum Beispiel in Brandenburg mit Andreas Kalbitz ein Spitzenkandidat aufgestellt wurde, der früher eng im rechtsextremen Lager vernetzt war und einen harten und schmutzigen Wahlkampf angekündigt hat.

Entgleisungen und Austritte

Mit großer Regelmäßigkeit fallen Abgeordnete der Partei mit politischen Provokationen oder Entgleisungen auf. Diese sind so zahlreich, dass sich die Erklärung, es handele sich um Einzel- oder Grenzfälle, nicht beliebig lange wird aufrecht erhalten lässt. Zuletzt war es der Abgeordnete Petr Bystron, der sich zum Jagdausflug mit einem Mitglied der völkisch-rassistischen „Suidlanders“ in Südafrika traf. Zuvor hatte der Abgeordnete Stefan Keuter zugegeben, über Whatsapp Hitlerbilder verschickt zu haben – angeblich zur Auswertung an einen Mitarbeiter.

Zugleich treten immer wieder prominente Vertreter aus der Partei aus. Zuletzt war dies der ehemalige Partei- und Fraktionschef von Sachsen-Anhalt, Andre Poggenburg, der dem Rechtsaußenflügel der Partei angehört hatte. Die Nachricht seines Parteiaustritts wurde unmittelbar vor dem Parteitag öffentlich. Poggenburg will eine Partei mit dem Namen „Aufbruch der Patrioten“ gründen, die zum Auffangbecken enttäuschter AfD-Anhänger werden soll. Es wäre bereits die vierte Partei, die von ausgetretenen AfD-Spitzen gegründet würde. Auch die ehemaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry hatten solche Versuche gestartet. Erfolgreich war bisher keine.