Jörg Meuthen ist der einzige AfD-Mann, der eine zweite Legislatur in Brüssel einlegt. Foto: dpa

Die AfD bleibt bei der Europawahl unter dem Ergebnis der Bundestagswahl und zieht in ein Parlament ein, das sie abschaffen will.

Berlin - Schaut man auf den Berliner Stadtplan, dann liegt Staaken draußen am Rand der Metropole. Das ist ein bisschen weit weg vom Regierungsviertel und damit kein idealer Standort für eine Wahlparty. Trotzdem spricht der AfD-Chef Jörg Meuthen von einem „tieferen inneren Bedürfnis“, den Betreibern der örtlichen Tanzschule für die Bereitstellung ihres Saales zu danken. Dann ist die Rede von „Mutbürgern“, von „Widerständen“ und „Schwierigkeiten“.

Betreiberin erhält Drohungen

Das hat Gründe. Zum einen war der AfD kurz vor dem Wahlsonntag der Mietvertrag für die ursprüngliche Location gekündigt worden, nachdem die Wirtin Drohungen aus dem linksextremistischen Spektrum erhalten hatte, der Staatsschutz ermittelt in der Sache. Die Tanzschulenbetreiber sprangen ein, nun wird improvisiert gefeiert.

Zum anderen liegt das Ergebnis der Partei für den Bundesschnitt unter den Erwartungen und unter dem der Bundestagswahl – wobei die vor einiger Zeit gehegten Träume von 20 Prozent plus X im Osten durchaus aufgehen. In Brandenburg und Sachsen sieht es am Abend so aus, als werde die Partei stärkste Kraft. Und auch in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern fährt die AfD stattliche Ergebnisse ein.

Baden-Württembergs Landessprecher Dirk Spaniel gießt als einer der ersten Wasser in den Wein: Natürlich könne man mit einem Ergebnis unterhalb dem der Bundestagswahl nicht zufrieden sein und müsse die Gründe analysieren, sagte er unserer Zeitung. Die Anhänger der Partei, vielleicht 200, sind erst einmal zufrieden, sie jubeln – aber mehr noch über den Absturz der Koalitionsparteien als über das eigene Abschneiden. Aber Meuthen weiß um die Stimmung an der Basis und sagt: „Ich bin sowas von stolz auf meine Partei. Gegen diese Widerstände!“

AfD will Europaparlament abschaffen

Widerstände hat die AfD selbst erzeugt – dazu gehört der Beschluss, das Europaparlament abschaffen zu wollen bei gleichzeitigem Bewerberandrang auf die aussichtsreichen Listenplätze. Parteichef Alexander Gauland sagt in einer ersten Reaktion, dies habe man im Wahlkampf immer wieder erklären müssen. Auch Jörg Meuthen setzt zu einer Erklärung an: „Wir gehen nach Brüssel um Europa zu reparieren.“ Es klingt so, als habe er im Wahlkampf einige Zweifler besänftigen müssen: „Wir wissen, dass wir sie nicht enttäuschen dürfen.“Noch problematischer dürfte die nach Monaten immer noch ungeklärte Spendenaffäre sein, bei der nach wie vor nicht bekannt ist, wer eigentlich der oder die anonymen Spender sind. In einem weiteren Fall geht es um den Vorwurf verdeckter Wahlkampfunterstützung einer Schweizer Werbeagentur mit Sachleistungen. Der Bundestag hat dafür inzwischen eine Strafzahlung von 400 000 Euro verfügt, wogegen die AfD klagt. In einer aktuellen Umfrage unter den Parteimitgliedern sagen angeblich 45 Prozent der Befragten, dies sei für sie ein Problem.

Zwei neue für Straßburg

Zwei, die von diesen Sachleistungen profitiert haben sollen, ziehen nun ins Parlament ein: Guido Reil, der ehemalige Sozialdemokrat, der 2016 aus der SPD aus- und in die AfD eintrat, war bisher mit Bewerbungen um ein Mandat in anderen Parlamenten gescheitert. Aus Baden-Württemberg kommt Lars Berg, der bisher für die AfD im Landtag sitzt und schon 2013 Parteimitglied wurde.

Gestärkt nach Europa

Die AfD wird in Brüssel deutlich sichtbarer, bislang saß Meuthen allein dort. Zwar hatte die Partei 2014 etwa sieben Prozent erreicht und sieben Mandate errungen. Aber Machtkämpfe und Abspaltungen führten dazu, dass nur ein Sitz verblieb. Den hatte Beatrix von Storch inne. Als sie dann Ende 2017 in den Bundestag wechselte, strich Meuthen an der Spitze der Fraktion im Stuttgarter Landtag die Segel. Seine ehrgeizigen Ziele damals: Er wolle nach der Wahl 2019 eine von der AfD geführte Fraktion schmieden. Geschmiedet wird nun tatsächlich, allerdings nicht unter Führung der AfD, die mit ihrer Popularität nicht an die künftigen Verbündeten aus Italien oder Frankreich heranreicht. Lega-Chef Matteo Salvini will möglichst viele der bisher auf vier Fraktionen verteilten Rechtspopulisten und EU-Kritiker in einer „Allianz der Völker und Nationen“ vereinen.