Michael Wehner bezweifelt, dass die AfD einen großen Wahlerfolg haben wird. Foto: dpa/Patrick Seeger

Den Politologen Michael Wehner wundern die Probleme der AfD bei der Kandidatensuche überhaupt nicht.

Freiburg - In vielen Städten fehlen der AfD für die Kommunalwahl geeignete Kandidaten. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum die Partei am 26. Mai keinen großen Erfolg einfahren wird, wie Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg glaubt.

Herr Professor Wehner, die AfD hat in vielen größeren Städten Probleme, ihre Listen für die Gemeinderatswahl zu füllen. Überrascht Sie das?

Nein. Zum einen sind Großstädte und nicht zuletzt die Unistädte nicht das erste Wählermilieu der Partei. Zum anderen ist die AfD in der öffentlichen Wahrnehmung stigmatisiert. Es braucht ein bisschen Mut, sich zu ihr zu bekennen, gerade innerhalb einer Stadtgesellschaft.

Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund Erfolgschancen der Partei bei der Kommunalwahl?

Die AfD wird ihr Ergebnis verbessern. Sie bekam bei den letzten Kommunalwahlen in Baden-Württemberg ja gerade einmal 1,5 Prozent der Stimmen. Ich kann aber nicht sehen, dass die AfD bei den Gemeinderats- und Kreistagswahlen einen außergewöhnlichen Wahlerfolg einfahren kann.

Wie lange dauert es, bis eine neue Partei organisatorisch so weit ist, auch bei solchen Wahlen zu bestehen?

Die AfD hat nach der Landtagswahl durch die Wahlkampfkostenerstattung viel Geld bekommen. Damit betreibt man jetzt den Ausbau der lokalen Parteistrukturen. Aber das dauert Jahre, und der Erfolg hängt davon ab, wie lange ein Thema Konjunktur hat. Bei der AfD waren das zunächst die Eurokrise, dann die Geflüchtetenkrise.

Beides spielt in der Kommunalpolitik nur bedingt eine Rolle.

So ist es, aber damit verbinden die Wähler die AfD auch auf kommunaler Ebene. Deshalb ist es im Interesse der AfD, die Themen Integration und Migration zu spielen. Und als kommunalpolitischer Problemlöser mit einem überzeugenden Wahlprogramm ist die Partei bislang nun wahrlich nicht bekannt.

Das neue Auszählverfahren begünstigt kleinere und Kleinstparteien . . .

Richtig, in vielen Städten braucht man für einen Sitz nicht einmal mehr ein Prozent der Stimmen. Und je mehr Gruppierungen bei der Wahl antreten, desto stärker wird dieser Effekt.

In etlichen Städten stehen 13, in Freiburg sogar 18 und in Stuttgart 20 Listen zur Wahl. Ist das gut oder schlecht?

Die Demokratie lebt, könnte man sagen. Aber sie zerfasert auch in Einzelinteressen. In Freiburg gibt es jetzt zum Beispiel eine Liste „Inklusion und Teilhabe“. Das ist ein sehr wichtiges politisches Anliegen. Aber bei solchen Einpunktparteien ist es schwer einzuschätzen, wo sie stehen, wenn es um die Meinungsbildung außerhalb dieses einen Punktes geht. Und können Sie mir sagen, für welche kommunalpolitischen Anliegen die Liste mit dem eigenartigen Titel Necessary Intellectually Charging Tendency (NICHT) steht?

Herr des Wahl-O-Mats

Wissenschaft
Michael Wehner (56) ist promovierter Politologe und leitet seit 1991 die Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg. An der Universität Freiburg ist er als Honorarprofessor tätig.

Projekt
Wehner verantwortet bei der Landeszentrale das Projekt „Wahl-o-mat“. Es soll den Bürgern die Möglichkeit geben, Wahlprogramme zu vergleichen. Zuletzt erprobte er das Tool auch bei Oberbürgermeisterwahlen. Ausgerechnet in Freiburg scheiterte er aber, weil der Amtsinhaber Dieter Salomon (Grüne) nicht mitmachen wollte. Salomon half diese Verweigerungshaltung jedoch nicht. Er wurde abgewählt.