Neue Doppelspitze: Frauke Petry und Jörg Meuthen Foto: dpa

Der neue AfD-Bundesvize Jörg Meuthen soll die Partei auch in den Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg führen. Im Interview sieht er seine Partei trotz aller Querelen noch immer als Alternative zur etablierten Politik und hofft auf einen harmonischen Parteitag am Wochenende in Pforzheim.

Stuttgart - Herr Meuthen, wie man lesen konnte, sind Sie eigentlich ein enttäuschter FDP-Wähler.
Das ist nicht ganz falsch. Ich bin ein liberaler Mensch mit konservativen Einsprengseln. Und die FDP predigt zwar immer Liberalismus, hat ihn aber nie umgesetzt. Das ist eine reine Umfaller-Partei, die traditionell Klientel-Politik betreibt.
Wie sind Sie zur AfD gekommen?
Initialzündung war sicher die grundfalsche Euro-Rettungspolitik. Ich lehre ja Volkswirtschaft und war von Beginn Gegner des Euro-Projekts. Das ist eine erzwungene Integration von oben, die zwangsläufig scheitern muss, was wir gerade ja auch erleben.
Apropos Scheitern: Nach den Querelen der letzten Monate scheint Ihre Partei auch bereits gescheitert: In Umfragen liegt die AfD nur noch zwischen drei und vier Prozent.
Angesichts dessen, was passiert ist, ist es fast erstaunlich, dass wir nicht noch schlechter dastehen. Aber das ist jetzt vorbei, und wir haben noch acht Monate bis zur Landtagswahl. Wenn wir von jetzt an geschlossen auftreten und mit einem vernünftigen Programm in den Wahlkampf ziehen, werden wir wieder nach oben kommen und den Einzug in den Landtag schaffen, da bin ich mir sicher.
Werden Sie Spitzenkandidat?
Jetzt wählen wir am Wochenende auf dem Parteitag in Pforzheim erst einmal eine neue Führungsspitze und besprechen die Eckpunkte unseres Wahlprogramms. Ende Oktober wollen wir dann auf einem weiteren Parteitag über unser Wahlprogramm und über einen möglichen Spitzenkandidaten abschließend entscheiden.
Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass ein AfD-Landesparteitag plötzlich harmonisch verläuft?
Das Spalterische ist nun draußen, die Spalter sind es auch. Einzelne Misstöne wird es immer geben, aber ich spüre bei unseren Mitgliedern den großen Wunsch nach einer guten, endlich wieder auf die Inhalte fokussierten Zusammenarbeit.
Das Spalterische heißt jetzt Alfa (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) – eine neue Partei, die der frühere AfD-Chef Bernd Lucke ins Leben gerufen hat und bei der sich auch der frühere AfD-Landeschef Bernd Kölmel nun engagiert. Kölmel hat bereits angekündigt, ebenfalls bei der Landtagswahl anzutreten. Nimmt er der AfD dann nicht Stimmen weg?
Die ALFA-Partei wird eher der CDU und der FDP Stimmen wegnehmen, denn was die anbieten, haben diese beiden Parteien bereits im Programm. Die stehen politisch im Grunde im Nichts. Wir hingegen werden dem Wähler eine echte Alternative bieten.
Wie viele Mitglieder haben Sie im Land seit der Spaltung der Partei verloren?
Von 3100 gingen so um die 300. Das heißt: Der weitaus größte Teil ist noch da. Damit lässt sich arbeiten.
Die neuen Alfa-Tiere, also Bernd Kölmel und Joachim Starbatty, sitzen weiterhin in Brüssel, verdanken ihr Mandat als EU-Abgeordneter aber der AfD. Stört Sie das?
Ich finde das in hohem Maße unanständig, aber wir haben keine Handhabe dagegen. Bei Starbatty hoffe ich noch, dass er sein Mandat zurück geben wird, denn er ist ein sehr anständiger Mensch, den ich nach wie vor schätze. Bei Kölmel habe ich diese Hoffnung auf korrektes Verhalten ehrlich gesagt verloren.
Es heißt, durch den Abgang von Lucke und seinen Gefolgsleuten sei die AfD nach rechts gerückt. Wie sehen Sie das?
Ich meine, dass jede Partei eine gewisse Spannbreite an Meinungen aushalten muss. Lucke konnte das nicht. Ich sehe in unserer Partei jede Menge vernünftige Menschen, die Maß und Mitte haben und mit denen man ein gutes Programm aufstellen kann.
Wo liegt bei Ihnen die Schmerzgrenze?
Nehmen wir die Islam-Diskussion: Dass radikale, islamistische Strömungen eine riesige Gefahr darstellen und wir darauf reagieren müssen, das ist völlig unbestreitbar. Aber ich kann nicht akzeptieren, wenn deshalb jemand Menschen muslimischen Glaubens pauschal ablehnt. Das ist einfach Unfug und geht so nicht.
Womit wir bei Heinrich Fiechtner wären, dem äußerst umstrittenen AfD-Stadtrat in Stuttgart. Ihm droht der Rauswurf aus der Partei, weil er unter anderem den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ verglichen hat, vor allem aber Stuttgarts OB Fritz Kuhn auf Facebook heftig beleidigt hat. Wird das Parteiausschlussverfahren von Ihnen weiter betrieben?
Nein, aber das ist von meiner Seite aus auch keine Positionsveränderung. Ich habe das Ausschlussverfahren gegen Herrn Fiechtner von Anfang an nicht mitgetragen. Fiechtner hat zwar eine gewisse Neigung, im politischen Diskurs verbal auch mal über das Ziel hinaus zu schießen. Das weiß er selbst, und ich bin deswegen auch schon hart mit ihm aneinander geraten. Gleichzeitig schätze ich ihn aber für vieles, was er tut, und wer ihn etwas besser kennt, der weiß, dass das eigentlich ein ganz lieber Mensch ist. Vieles von dem, was er von sich gegeben hat, war vor allem gegen den früheren Landeschef Kölmel gerichtet, das Verhältnis der beiden hatte sich zu einer wahren Feindschaft entwickelt. Ich bin zuversichtlich und habe auch deutliche Indikatoren dafür, dass Herr Fiechtner sich künftig zwar weiterhin ganz klar in der Sache, aber deutlich gemäßigter im Ton artikulieren wird.