Der Parteivorsitzende Bernd Lucke spricht bereits von einer „Volkspartei“ Foto: Photothek

Das beste Ergebnis erzielt die eurokritische Partei in Pforzheim: 15,4 Prozent – doppel so viele Stimmen wie im Bundesschnitt. Ein Grund dürfte die niedrige Wahlbeteiligung sein.

Pforzheim - Wenn Parteichef Bernd Lucke die AfD schon vollmundig eine Volkspartei nennt, trifft das am ehesten noch für das Europawahl-Ergebnis der Eurokritiker in Pforzheim zu: Aus dem Stand schaffte es die Partei hier, 14,5 Prozent der Wählerstimmen auf sich zu vereinen, und erzielte damit das beste Ergebnis in der gesamten Republik. Im Bundesschnitt lag die AfD bei sieben Prozent.

Der Sieg in der achtgrößten Stadt Baden-Württembergs verwundert den Chef des AfD-Kreisverbandes Pforzheim/Enzkreis nicht. „Von einer Volkspartei würde ich zwar noch nicht sprechen, das ist etwas sehr mutig“, sagt Bernd Grimmer unserer Zeitung. „In Pforzheim gibt es aber viele Protestwähler, die wir mobilisieren konnten und die zu dem Ergebnis beigetragen haben.“ Dass die eurokritische Partei noch weit vor den Grünen (9,9 Prozent) auf dem dritten Platz landen konnte, liege auch am Unmut vieler Bürger, so Grimmer.

Schon in den Vergangenheit konnten Außenseiterparteien in Pforzheim immer wieder die Stimmen von Protestwählern im großen Stil gewinnen. Bei der Landtagswahl 1992 erzielten die rechtsradikalen Republikaner im Zuge der Asyldebatte ein Ergebnis von 18,5 Prozent.

FDP will nicht für AfD-Sieg verantwortlich sein

Eine große Abwanderung von FDP-Wählern ins Lager der Alternative für Deutschland will der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Hans-Ulrich Rülke nicht sehen. Auch wenn es die Zahlen vermuten lassen: Denn die Liberalen stürzten von 15,6 Prozent auf 4,6 Prozent ab. „Ich denke nicht, dass unsere Wähler für solche platten Botschaften empfänglich sind“, sagt Rülke auf Anfrage. „Leider hatte ich nicht den Eindruck , dass man mit differenzierten Themen bei dieser Europawahl punkten konnte.“ Alles habe sich nur um die eine Frage gedreht: Bin ich für Europa oder bin ich dagegen. Dass eine neue einflussreiche politische Kraft mit der AfD heranwächst, glaubt Rülke nicht. „Sie sind wie die Republikaner ihrer Zeit eine Protestpartei. Und verglichen mit den Ergebnissen, die die Schwesterparteien in den europäischen Nachbarländern erzielen konnten, ist dieses hier doch eher mittelmäßig.“

Die Front National wurde in Frankreich erstmals mit 25 Prozent stärkste Partei und die österreichische FPÖ beispielsweise bekam 20,5 Prozent Zustimmung. Die AfD sicherte sich dagegen bundesweit gerade mal sieben Sitze im EU-Parlament. Zwei Parlamentarier kommen auch Baden-Württemberg. Der Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty, der sich mit seiner Klage gegen den Euro-Rettungsschirm vor dem Bundesverfassungsgericht einen Namen gemacht hat. Und der ehemalige CDU-Politiker Bernd Kölmel, der im Land als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zog.

AfD spricht von überdurchschnittlichem Engagement

Den Erfolg führt der Kreisverbands-Chef der AfD, Bernd Grimmer, auch auf „das überdurchschnittliche Engagement vieler Mitglieder zurück.“ Zwar habe die Partei 100 Mitglieder im Verband und damit nicht mehr als anderswo. „Einen großen Motivationsschub haben viele aber bekommen, als die Wahlplakate zerstört wurden“, sagt Grimmer. „Viele waren wütend und haben sich umso mehr engagiert.“

Die Wut der Wahlbürger hat die AfD wohl von allen Parteien am besten mobilisiert, meint der Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling. „Auch wenn die AfD für viele ein Feindbild ist, muss festgehalten werden, das es sich immer noch um eine Partei innerhalb der demokratischen Parteienlandschaft handelt“, sagt Wehling. „Ob es um Hilfsgelder für Griechenland ging oder um die EU, die sich angeblich zu viel einmischt – die AfD hat den Unmut der Wähler aufgefangen“, so der Politikexperte. „Der CSU hingegen, die auch europakritische Töne angeschlagen hat, haben die Wähler angemerkt, dass dies nur Taktik war.“

Zu dem guten Abschneiden der euroskeptischen Partei könnte auch die Wahlbeteiligung beigetragen haben: Die lag in Pforzheim nur bei 38,1 Prozent – und damit noch einmal 3,6 Prozent niedriger als bei der Europawahl vor fünf Jahren.