Die Kassenärztliche Vereinigung schließt die Notfallpraxis in Herrenberg. Politiker aus dem Kreis Böblingen sind erbost und sprechen von „Heuchelei auf dem Rücken der Patienten“.
Zum 30. November dieses Jahres schließt die von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) betriebene Praxis des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes („Notfallpraxis“) am Klinikum Herrenberg. Schon die Ankündigung vor genau einem Jahr, die ambulanten Notfallstrukturen in der Gäustadt aufzugeben, war kreisweit kritisiert worden.
Wegen einer Pressemitteilung vom 13. Oktober erfährt die KVBW von Vertretern aus dem Kreis Böblingen erneut große Ablehnung. Der Pressetext „So kann es gehen, Frau Warken“ thematisierte die jüngst verkündeten Sparpläne der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Diese sehen vor, dass deutsche Kliniken insgesamt weitere 1,8 Milliarden Euro einsparen sollen, um eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zu verhindern. Die KVBW lobte Warkens für ihren Vorstoß, die „deutschen Krankenhäuser“ in den Blick zu nehmen, „die viel zu viel kosten und zu schlechte Qualität abliefern.“
Außerdem sprach die KVBW von „neuen und effizienten ambulanter Strukturen“ – etwas, das Landrat Roland Bernhard zu deutlichen Worten verleitet: „Die jüngste Pressemitteilung, in der sie sich für Sparpläne bei den Kliniken feiert, ist an Ironie nicht zu überbieten.“ Die KVBW verspreche Versorgungsangebote aufzubauen, während sie in Wirklichkeit die „seit Jahren etablierte und für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbare Notfallpraxis“ schließe. „Das ist nicht nur ein eklatanter Widerspruch, sondern schlichtweg Heuchelei auf dem Rücken der Patienten“, legt der Landrat nach.
Auch Herrenbergs Oberbürgermeister Nico Reith (CDU) kritisiert die Ärzteorganisation: „Wir haben in Herrenberg eine funktionierende ambulante Notfallversorgung und diese ist für unsere Bevölkerung von großer Bedeutung. Statt diese wichtige Struktur Ende des Jahres zu schließen, fordere ich die KVBW erneut auf, die Entscheidung zur Schließung der Notfallpraxis zu überdenken.“ Bei Schließung müsse die Notaufnahme der Herrenberger Klinik die Löcher in der Patientenversorgung stopfen. Dies verschärfe das bestehende Defizit des Klinikverbunds weiter.
„Die KVBW entzieht sich ihrer Verantwortung, wälzt ihren Sicherstellungsauftrag und die Kosten eiskalt auf unsere Kliniken ab. Das gefährdet nicht nur die Wirtschaftlichkeit unserer Krankenhäuser, sondern vor allem die Notfallversorgung für alle“, stellt Bernhard klar. Der Böblinger Landrat nennt das Vorgehen der KVBW, die Sparmaßnahmen in den wirtschaftlich ohnehin stark unter Druck stehenden Kliniken zu loben und gleichzeitig eigene Strukturen zurückzubauen „verantwortungslos“.