Der Wirtschaftsminister wirft den Richtern eine fehlerhafte Arbeit vor. Foto: dpa

Im Streit um die Ministererlaubnis für die Supermarkt-Fusion unterbricht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kurz seinen Urlaub: Er wirft dem Düsseldorfer Oberlandesgericht gleich in mehreren Punkten Versäumnisse vor.

Berlin - Für den Auftritt in Berlin hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kurz seinen Urlaub an der Nordsee unterbrochen: Nachdem das Düsseldorfer Oberlandesgericht die geplante Fusion der Lebensmittelhändler Kaiser’s Tengelmann und Edeka gestoppt hat, holt Gabriel zum Gegenschlag aus. In einer 20-minütigen Philippika wirft er auf einer Pressekonferenz dem Gericht mehrfache Fehler und ein fehlendes Verständnis der sozialen Marktwirtschaft vor. Er respektiere zwar die Entscheidung des Düsseldorfer Kartellsenats, die aus Gabriels Sicht dazu führen könne, dass das Unternehmen Kaiser’s Tengelmann nun die Zerschlagung drohe. Doch in der Sache spricht er von Fehlern und Irrtümern der Richter. Unzählige Male kommen in Gabriels Statement Formulierungen wie diese vor: „Das entspricht nicht den Tatsachen.“ Oder: „Ich halte die Ausführungen des Oberlandesgerichts für schwer nachvollziehbar.“ An einer Stelle sagt der Minister: „Der Vorwurf des Gerichts ist schlicht und einfach falsch.“ Selten zuvor hat ein Bundesminister eine derart heftige Gerichtsschelte betrieben. Gabriel stellt sogar den Vorwurf in den Raum, die Richter hätten schlampig gearbeitet. Es wäre jedenfalls besser gewesen, die Richter hätten zuvor im Ministerium nachgefragt, meint Gabriel. Denn Daten und Fakten, auf die das Gericht im Eilverfahren Begzug nahmen, seien falsch. Der Minister verfährt nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung .

Gabriel hat sich in die Sache reingehängt

Ob er damit durchkommt, ist offen. Denn die Vorwürfe des erfahrenen Kartellsenats in Düsseldorf wiegen schwer. Sie werfen Gabriel Befangenheit und ein intransparentes Verfahren vor. Dem hält Gabriel entgegen, dass er mit allen Beteiligten gesprochen und sich in der Sache stark engagiert habe. So nahm der Minister im Herbst 2015 Jahres an einer mehrstündigen Anhörung über weite Strecken teil, um sich ein Bild zu machen. Dass er eine Gefälligkeitsentscheidung zu Gunsten von Edeka getroffen habe, die Kaiser’s Tengelmann übernehmen wollen, ist aus Gabriels Sicht absurd. Ablesbar sei dies schon daran, dass das Ministerium die Fusion nur unter harten Auflagen genehmigt habe. Wie hoch die in der Ministererlaubnis vorgegebenen Hürden sind, zeige sich schon daran, dass sich das Edeka-Management bisher mit den Arbeitnehmervertretern nicht auf die Umsetzung der Vorgaben einigen konnte.

Einen Beleg dafür, dass das Gericht nicht gründlich gearbeitet habe, sieht Gabriel in den unkorrekten Angaben. Das Oberlandesgericht moniert ein geheimes Sechs-Augen-Gespräch mit den Vorstandschefs von Kaiser’s Tengelmann und Edeka, die am 1. und 16. Dezember 2015 stattgefunden hätten. Diese Gespräche hätten aber am 1. und 18. Dezember stattgefunden, und zwar in größerer Runde, sagt Gabriel. Daran teilgenommen habe auch der verfahrensführende Beamte des Ministeriums. Von Geheimabsprachen könne keine Rede sein. Das Gericht bemängelt, vom Gesprächsinhalt stehe nichts in den Akten. Dem widerspricht Gabriel. Alle Inhalte seien in den Akten wiedergegeben. Was sich zunächst nach einer Formalie anhört, ist von größerer Bedeutung: Bei einer Ministererlaubnis ist das Ministerium die unabhängige Prüfbehörde. Alle Vorgänge müssen genau dokumentiert und rechtssicher sein. Wenn das Gericht Zweifel anmeldet, wirft das kein gutes Licht auf Gabriels Haus. Der unterlegene Konkurrent Rewe, der gegen die Ministererlaubnis geklagt hat, spricht ebenfalls von einem undurchschaubaren Verfahren.

Der Minister sieht viele Jobs in Gefahr

Das wichtigste Kriterium für die Ministererlaubnis sind aus Gabriels Sicht die Belange der Beschäftigten. Dass das Düsseldorfer Oberlandesgericht den Schutz der Mitarbeiter nicht als Gemeinwohl anerkannt habe, bewertet der Minister als „Schwächung der sozialen Marktwirtschaft“. Gabriel sieht sich in dem Verfahren als Retter der Arbeitsplätze. „Ich wollte, dass die Fusion nicht zu schlechteren Bedingungen für Arbeitnehmer führt“, sagt der Minister. Für ihn ist unverständlich, dass das Gericht die Sicherheit von Arbeitsplätzen nicht zum Gemeinwohl zählt. Die Richter stellten in ihrer Entscheidung fest, dass der Erhalt der Tarifverträge bei Kaiser’s Tengelmann kein Beitrag zum Gemeinwohl sei. Das Gericht sieht die Sicherung von Tarifstrukturen nicht als Grund, um eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu rechtfertigen. Gabriel widerspricht dem vehement. Er will sich für die Verkäufer, Kassierer und Gabelstaplerfahrer einsetzen. Der Minister befürchtet, dass wegen der Hängepartie 5000 bis 8000 Stellen verloren gehen könnten.