Die Biotonne ist Pflicht, auch wenn sich manche dagegen sträuben Foto: dpa

Der Kreis Ludwigsburg will all jene Haushalte ausfindig machen, die keine Biotonne benutzen, obwohl dies sei eineinhalb Jahren Pflicht ist. Etliche Bürger reagieren deshalb verschnupft auf ein Schreiben, das das Landratsamt jüngst verschickt hat, und lehnen die Biotonne, nicht das Trennen des Biomülls, weiterhin ab.

Ludwigsburg - Das Ehepaar Rometsch aus Gerlingen hat dieser Tage Post vom Landratsamt in Ludwigsburg bekommen. „Heute nehmen wir persönlich mit Ihnen Kontakt auf“, schreibt ihm ein Mitarbeiter des Fachbereichs Abfallgebühren. Es geht um die Tonne für Biomüll, die die Rometschs „seit längerem nicht nutzen“, wie es in dem Schreiben heißt.

Persönliche Ansprache, fett gedruckte oder unterstrichene Passagen – dem Kreis ist sein Anliegen wichtig. Der Tonfall des Briefs schwankt zwischen einer freundlich formulierten Bitte und einer belehrenden Anordnung. Tenor: die Familie möge in Zukunft ihre organischen Abfälle in die dafür vorgesehene Biotonne werfen, so wie es die Abfallwirtschaftssatzung des Kreises vorsieht. „Jeder Haushalt ist gesetzlich verpflichtet, eine eigene Biotonne zu haben und zu nutzen“, schreibt der Bedienstete des Landratsamts.

Laut Bundesgesetz müssen Bio- und Hausmüll seit 2012 getrennt werden

Das Kreislaufwirtschaftsgesetzt des Bundes schreibt seit dem 1. Juni 2012 vor, Biomüll vom Hausmüll zu trennen. Der Kreis Ludwigsburg trennt satzungsgemäß schon seit 1996. Anfangs legten sich dessen Bürger dabei ins Zeug, mit den Jahren jedoch ließ der Ehrgeiz nach. Damit sich das wieder ändert, versucht die Kreisverwaltung seit einiger Zeit, die Leute zu disziplinieren – mit einer Werbekampagne, mit niedrigen Leerungsgebühren und nun mit einem persönlich abgefassten Schreiben an 83 000 Biomülltonnenverweigerer. 9450 weitere Haushalte wie etwa jener des Ehepaars Rometsch erhielten einen Brief, weil sie zwar eine Biomülltonne besitzen, diese aber nicht befüllen respektive leeren lassen. Im Biomüll stecke wertvolle Energie, „und wir wollen keine wertvolle Energie für teures Geld als Restmüll verbrennen“, sagt Beatrix Spether vom Fachbereich Abfallgebühren des Landratsamts zur Begründung. Und man wolle die Leute wieder fürs Trennen gewinnen.

Insgesamt stieg 2015 die jährliche Menge an Biomüll im Kreis zwar auf 23 681 Tonnen (Vorjahr: 22 519 Tonnen). Doch laut dem Statistischen Landesamt sammelten die Bürger im Jahr 1996 noch 40 000 Tonnen. Spether sieht den Kreis auch dank der Anschreiben auf einem guten Weg zu dieser Marke. 70 Prozent Rücklauf habe sie bei der Briefaktion gezählt, „eine wahnsinnig gute Quote“. Gewonnen ist jedoch noch nicht viel. Denn um die Energiewende voranzutreiben, hat die Bundesregierung zur Pflicht zur Trennung von Biomüll auch Mengenvorgaben festgelegt. So muss etwa das Land Baden-Württemberg im Jahr 2020 eine Biomüllmenge von durchschnittlich 60 Kilogramm pro Einwohner und Jahr erreichen. Laut der aktuellsten Zahlen des Statistischen Landesamtes lag dieser Wert 2014 bei gerade mal 46 Kilogramm, im Kreis Ludwigsburg sogar nur bei 44 Kilogramm.

Der Landkreis setzt auf die Einsicht der Menschen

Fragt sich also, wie der Kreis die 30 Prozent der Angeschriebenen, die die Biotonne beharrlich weigern, umstimmen will. Offenbar hofft man auf die Einsicht der Menschen. Denn obwohl dies möglich sei, „werden wir kein Bußgeld verhängen“, sagt Beatrix Spether, „und wir schließen das auch für die Zukunft aus.“ Man ahnt: Biotonnenverweigerer ausfindig zu machen, hat einen hohen Verwaltungsaufwand zur Folge, zumal es die Möglichkeit gibt, unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Biotonnenpflicht zu erwirken, etwa mit dem Nachweis, Bioabfall zu kompostieren. Das Landratsamt allerdings sieht das private Kompostieren als alleinige Alternative zur Biotonne kritisch. Zum einen lasse sich nicht jeder Bioabfall kompostieren, Kochreste, Wurst und dergleichen gehörten nicht auf den Kompost. Überdies könne nicht kreisweit überprüft werden, wer alles einen Nutzgarten besitzt.

Albrecht Rometsch denkt nicht daran, seinen Biomüll von Müllmännern abholen zu lassen. Auch die niedrigen Gebühren – 70 Cent etwa fallen für eine Leerung eines 120-Liter-Behälters an – überzeugen ihn nicht. Die vergleichbare Gebühr für Restmüll beträgt zurzeit 4,43 Euro. Akribisch zählt er in seinem Antwortschreiben an die Kreisverwaltung auf, wie das Ehepaar mit seinem Biomüll verfährt. Küchenabfälle gibt es keine, weil die Rometschs alles aufessen, Obst- Gemüse- und Salatabfälle wandern auf den Kompost und werden Dünger, genauso Haare vom Haarescheiden und abgeschnittene Fingernägel. „Horn und Haar düngt sieben Jahr“, schreibt Rometsch. Er will seinen Biomüll nicht hergeben: „zu wertvoll“.

Der Kreis freilich setzt auf den Trenneifer und die Lieferbereitschaft seiner Bürger. Schließlich plant er, auch wenn die Standortfrage noch strittig ist, eine Vergärungsanlage zur Produktion von Strom und Wärme aus Biomüll. Dafür braucht der Kreis den Abfall.

So trennt die Region Biomüll

Stuttgart
Seit 1999 ist es in der Landeshauptstadt möglich, Bioabfälle getrennt zu entsorgen. Am 1. Januar 2015 wurde die braune Tonne Pflicht. Hie und da artikulierte sich Unmut: In dicht besiedelten Stadtteilen gebe es schlicht keinen Platz für noch eine Abfalltonne. Befreien lassen kann sich aber nur, wer ein unlösbares Stellplatzproblem oder 50 Quadratmeter Gartenfläche pro Bewohner nachweist. 42 bis 156,60 Euro kostet die Abholung je nach Tonnengröße im Jahr. Von 2018 an will Stuttgart den Biomüll in eine neue, rund 13 Millionen Euro teure Vergärungsanlage nach Zuffenhausen bringen.

Kreis Böblingen
Der Kreis Böblingen ist in der Region Vorreiter und Spitzenreiter im Sammeln von Biomüll. 89, 94 und 87 Kilogramm pro Person und Jahr lautet die Bilanz seit 2013. Über die wenigen Anträge auf Befreiung wird im Einzelfall entschieden, heißt es beim Landratsamt. Die Kosten betragen 54 Euro zusätzlich zur Jahresgrundgebühr. Der Landkreis verarbeitet seinen und den Biomüll aus dem Enzkreis (insgesamt 36 000 Tonnen) in der kreiseigenen Vergärungsanlage in Leonberg, die damit ausgelastet ist. Die Anlage produzierte 2015 den Jahresstrombedarf von rund 6000 Personen und den Wärmebedarf von fast 1400 Personen.

Kreis Esslingen
Wer selbst kompostiert, kann sich vom Biomülleimer befreien lassen. Voraussetzung: für jede Person, die auf dem Grundstück dauerhaft lebt, wird eine Fläche von 25 Quadratmetern für die Ausbringung des Komposts nachgewiesen. Das Abholen kostet zwischen 39 und 156 Euro pro Jahr. Verarbeitet wird der Biomüll im Kompostwerk in Kirchheim/Teck, das zu 80 Prozent dem Kreis Esslingen und zu 20 Prozent dem Kreis Böblingen gehört. Zuletzt wurden jährlich neben den 35 000 Tonnen Biomüll aus Esslingen zusätzlich 14 000 Tonnen aus Böblingen und 10 000 Tonnen aus Stuttgart verarbeitet. Es gibt im Kreis Esslingen Überlegungen, das Kompostwerk um eine Vergärungsanlage zu erweitern.

Rems-Murr-Kreis
Im Rems-Murr-Kreis wird der Biomüll seit 2004 flächendeckend getrennt. 2013 und 2014 kamen jeweils rund 34 000 Tonnen zusammen. Den Rückgang im Vorjahr auf 32 900 begründet ein Sprecher des Landratsamtes mit dem „brutal trockenen Sommer“. Wie im Kreis Esslingen gilt: pro Person 25 Quadratmeter Gartenfläche zur Ausbringung des Komposts befreien von der Tonnenpflicht. 2015 hat der Kreis bei 180 000 Haushalten rund 83 000 Marken für die Biotonnen verkauft. Die Zahl erklärt sich durch viele Eimergemeinschaften, die auch in den anderen Kreisen der Region möglich sind. Zur Jahresgrundgebühr der Abfallentsorgung addieren sich für den Biomüll zwischen von 21 und Euro 63 je nach Behältergröße.

Kreis Göppingen
In der Region hat als letzter der Kreis Göppingen mit dem Sammeln von Biomüll begonnen. Seit dem 1. Juli 2015 stellen die Bürger ihren Bioabfall in blauen Beuteln an den Straßenrand. Die 20 Jahre währenden guten Erfahrungen im benachbarten Ostalbkreis haben die Kreisräte von dieser Variante überzeugt. Zehn 7,5-Liter-Beutel kosten 2,50 Euro, zehn 15-Liter-Beutel das Doppelte. Die Angst vor Ratten, die von den Säcken angelockt werden könnten, sei unbegründet gewesen.