„Indian Matchmaking“ dreht sich um eine Frau, die Partner für arrangierte Ehen sucht. Nun hagelt es laut dem britischen „Guardian“ Kritik aus Indien sowohl am Frauenbild der Serie als auch an deren Fokus auf die Oberschicht. -
Stuttgart - 95 von 100 Punkten gibt Sima Taparia einer jungen Frau wegen ihrer Schönheit, ihres Lächelns, ihrer Bildung, ihrer guten Familie. Eine andere bezeichnet sie als „okay, aber nicht fotogen“. Und Frauen unter 1,60 Meter mit dunklerem Teint und Übergewicht sind aus ihrer Sicht hoffnungslose Fälle. „Indian Matchmaking“ heißt die komödiantische Netflix-Serie über eine Heiratsvermittlerin, die nun Indien spaltet: Kritiker werfen ihr vor, sie sei sexistisch und blende die sozialen Gegensätze aus. Das berichtet aktuell der britische „Guardian“.
Für die einen verharmlost die achtteilige Serie die anachronistische Praxis arrangierter Ehen, die indische Frauen dazu zwingt, sich als perfekte Ehefrau zu präsentieren. In ihren Augen verfestigt sie unkritisch das Idealbild einer hellhäutigen Frau aus guter Familie und würdige Frauen mit dunklerer Haut und niederer Herkunft herab. Sie monieren, dass sich nur die Oberschicht solche Vermittlerinnen überhaupt leisten kann und die Realität der niederen Kasten ausgeblendet wird. Andere feiern „Indian Matchmaking“ gerade dafür, ebendiese Praxis realistisch darzustellen und ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Rosinenpickerei und Demütigungen
„Indian Matchmaking“ sei eine „Kloake“ aus „casteism, colourism, sexism, classism“, zitiert der „Guardian“ einen Twitter-Nutzer. Die Journalistin Ishita Sengupta kritisierte im „Indian Express“ die „Rosinenpickerei“, Itisha Nagar, Assistenzprofessorin in Delhi“ und Autorin eines Essays über Hautfarbe und Diskriminierung bezeichnete „Indian Matchmaking“ als „extrem problematisch“, besonders die Betonung von „heller Haut“. Sie habe miterlebt, wie Frauen auf ihre Erscheinung reduziert und gedemütigt würden auf der Suche nach einem Ehemann. Indem die Serie „all diese schädlichen Vorstellungen“ ausstelle, geben sie ihnen „den Anschein von Legitimität“.
Der „Guardian“ zitiert auch den Wissenschaftler und Autor Suraj Yengde, der der niedrigsten Kaste der Dalit entstammt, die in Indien auch als „Unberührbare“ bezeichnet werden. Seiner Ansicht nach zeigt „Indian Matchmaking“ das „Profiling nach Rasse und Kaste, das bei arrangierten Ehen in Indien nach wie vor vorherrscht“. Zugleich werde das Kastensystem gar nicht weiter thematisiert, es werde durch die gezeigte Praxis sogar zementiert: „Es ist gut, dass die Serie das in die Öffentlichkeit bringt, aber ich halte es für ein Versäumnis, dass sie nicht diskutiert, wie arrangierte Ehen in Indien das Kastenwesen und die Reinheit familiärer Stammbäume aufrechterhalten.“