Rund um Wasen und Frühlingsfest: Chaos in den Wohnstraßen Foto: Max Kovalenko/Lichtgut

Sie haben den Rummel direkt vor der Tür. Doch Freude löst das bei den Anwohnern nicht aus. Sie sind genervt von den Besuchern des Volksfests, die das Veielbrunnenviertel zuparken, nachts grölen und für unerfreuliche Hinterlassenschaften sorgen.

Stuttgart - Es ist morgens um 10 Uhr. Es dauert noch eine Stunde, bis das Volksfest öffnet. Doch schon stehen die ersten Betrunkenen im Wohngebiet und erleichtern sich an Häuserwänden. Auf die eine oder andere Art. Am Wochenende herrscht im Viertel Veielbrunnen der Ausnahmezustand. Einige Hundert Meter liegt es vom Wasen entfernt und wird während Fußballspielen und des Volksfests als Parkplatz und Toilette missbraucht.

Einige Stunden später. Helene Fischers Hit „Atemlos“ ertönt, und Tausende angeheiterte Menschen singen lauthals mit. Das hört man in der Reichenbachstraße. Die Bässe brummen, und „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ mischt sich mit den Rufen der Rekommandeure an den Fahrgeschäften: „Das macht Spaß! Das macht Laune!“

Der Mischmasch ist nicht allzu laut, kann aber nervtötend wirken, wenn es über 17 Tage lang so geht. „Wir hoffen, dass sich die Situation mit der Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs für uns verbessert“, sagt Carola Freimann aus dem Vorstand der Bürgerinitiative Veielbrunnen. Sie lebt direkt in Hörweite des Wasens. Zwischen ihrem Haus und dem Volksfestgelände sollen Wohnungen für 400 Menschen und Gewerbe entstehen. Der Plan sieht vor, in erster Reihe direkt am Wasen Geschäfte und Hotels oder ein Sportbad anzusiedeln, die den Lärm abfangen sollen. Erlaubt sind in Wohngebieten dahinter zwischen 22 und 6 Uhr höchstens 35 Dezibel. Das ist die Lautstärke eines Gesprächs. Deshalb wird auf dem Wasen seit einigen Jahren strikt der Lärmpegel kontrolliert: Er darf 80 Dezibel nicht übersteigen. Im Jahr 2013, bei der letzten Lärmmessung, lag der Mittelwert bei 81 bis 83 Dezibel. Zehn Dezibel mehr bedeuten eine Verdopplung der Lautstärke.

Für die Anwohner sei das aber nicht das größte Problem, sagt Freimann. Schließlich ist um 23 Uhr die Musik in den Zelten ausgeschaltet. Erst danach beginnt der eigentliche Stress im Wohngebiet Veielbrunnen, der sich jedoch schon den Tag über angebahnt hat. Weil das Wohngebiet so nah am Wasen liegt, wird es von Besuchern als kostenloser Parkplatz missbraucht. Zwar ist am Wochenende die Einfahrt in die Reichenbachstraße verboten, trotzdem kennen viele Volksfestbesucher die Schleichwege in den Veielbrunnen. Zwar ist auch hier die Einfahrt nur für Anlieger, „das interessiert nur niemanden“, sagt Regine Herdecker, Sprecherin der Bürgerinitiative. Kommen die Anwohner von der Arbeit nach Hause, gibt es keinen Parkplatz mehr. „Wir müssen dann illegal parken und bekommen die Strafe“, sagt Herdecker. Sie fordern deswegen eine wirksame Anwohnerparkregelung, so wie in München, wo rund um die Theresienwiese rigoros abgeschleppt wird.

Und jene, die illegal geparkt haben, kommen dann in der Nacht zurück. Sie lärmen laut, pinkeln und kotzen zwischen die Autos und in die Einfahrten der Einwohner. Oft nach 23 Uhr, da viele noch in die Kneipen Cannstatts weiterziehen. „Unser Viertel ist wunderschön, aber die fünf Wochen Frühlingsfest und Volksfest sind die Hölle“, sagt Herdecker.

Die Parksituation ist in diesem Jahr besonders schlimm, da neben dem Volksfest auch noch das Landwirtschaftliche Hauptfest stattfindet. Selbst für Mitarbeiter der Festzelte ist kein Parkplatz mehr frei. Sie findet man dann mit ihren Autos im Veielbrunnen wieder. Läuft man durch die Straßen, haben etwa 75 Prozent der Autos ein Doppelkennzeichen aus der Region. „Der Wasen ist so gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Warum muss man mit dem Auto kommen?“, sagt Herdecker. Sie vermutet, dass sich viele der Autofahrer zu fein seien, um mit einer S-Bahn zu fahren.

Jetzt hofft man auf die Stadt. Man wolle endlich mit seinen Anliegen gehört werden. „Das kann so nicht weitergehen“, sagt die Initiative, „man muss eine Lösung finden.“ Und zwar bevor die neuen Nachbarn auf dem Güterbahnhofsgelände einziehen.