Viele wollen sich möglichst rasch impfen lassen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Ansturm auf die Impf-Hotline ist riesig. Das führt zu langen Wartezeiten und teils massiven Verärgerungen. Leserinnen und Leser berichten von ihren Erfahrungen.

Stuttgart - Der ältere Herr am Telefon ist, auf Schwäbisch gesagt, „narret“. Vergeblich hat der 86-Jährige aus Leinfelden am Montagvormittag versucht, unter der Nummer 116 117 durchzudringen, nachdem er zuvor in der Zeitung gelesen hatte, dass die Impftermin-Servicehotline des Landes laut Sozialministerium „ab sofort“ zu erreichen sei und dort Termine für die Zentralen Impfzentren im Robert-Bosch-Krankenhaus oder im Klinikum Stuttgart vereinbart werden könnten.

Nichts war es oder vielmehr: „eine einzige Katastrophe“, wie er sagt. Nicht die lange Warteschleife mit der „Automatenstimme“ haben ihn und seine Frau erzürnt, auch nicht die vorgeschalteten „x-erlei Informationen“, sondern die Art und Weise, wie er mit seinem Anliegen abgebürstet worden sei, nachdem sich in der Hotline irgendwann jemand persönlich gemeldet habe. Von Impfterminen war keine Rede. Dafür „von einem Schaden bei der Telekom“. Als er erklärte, er wolle nicht über einen Schaden bei der Telekom reden, sondern über einen Impftermin, legte der Hotline-Mann auf. „Rotzig und frech“, sei er behandelt worden, sagt der mobile 86-Jährige. „Narret“, verärgert ist er auch über die Landesregierung, die es nicht fertig bringe, die älteren Bürgerinnen und Bürger mit einer Postsendung darüber zu informieren, wohin sie sich „zuverlässig“ wenden könnten. Für ihn ist das ein Armutszeugnis.

14 000 Anrufe allein am Sonntag

Mit dieser Klage steht der 86-Jährige nicht alleine. Aus Esslingen meldet sich am Montag „ein hochbetagter Hochrisikopatient“. Vergeblich versuche er einen Termin zu bekommen, teilt er mit. „Jedes Mal die gleiche Aussage am Telefon: Wir können noch keine Termine nennen und auch nicht sagen, wo geimpft werden kann.“ Es gibt allerdings auch positive Rückmeldungen. Ein 85-Jähriger berichtet, dass es – nach einer halben Stunde Wartezeit in der Hotline – mit der Terminvereinbarung reibungslos funktioniert habe.

Das klingt nach einem Lotteriespiel. Ist es das? Pascal Murmann, Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums, versucht die Situation zu erklären. „Wir haben dieses Projekt innerhalb von wenigen Wochen aus dem Boden gestampft mit IT-Software und einem Callcenter. Da ist es unvermeidbar, dass es anfangs ruckelt und Probleme auftreten.“ Daran gebe es auch nichts zu beschönigen. 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Callcenters würden versuchen, die Flut von Anrufen zu bewältigen, betont der Ministeriumssprecher. Allein am Sonntag seien rund 14 000 Anrufe eingegangen. Ursprünglich habe man pro Anruf zehn Minuten veranschlagt. „Viele Leute haben aber einen großen Redebedarf.“ Die Folge: die durchschnittliche Wartezeit am Sonntag betrug laut Sozialministerium knapp 37 Minuten.

„Wo es notwendig ist, werden wir nachsteuern“

Von technischen Problemen bei der Telekom ist Murmann nichts bekannt. Dass Anrufende unfreundlich behandelt werden, sei ihm bisher ebenfalls nicht zu Ohren gekommen. Das Callcenter-Personal sei entsprechend geschult. Dem eingangs geschilderten Fall werde nachgegangen. „Wo es notwendig ist, werden wir nachsteuern“, sagt Murmann und verweist darauf, dass Termine auch über die Homepage vereinbart werden könnten (www.impfterminservice.de). Die Situation werde sich Stück für Stück entspannen.

Die Kritik an der fehlenden Benachrichtigung älterer Menschen weist der Ministeriumssprecher zurück. „Wir hätten alle anschreiben können, das hätte an der Situation aber nichts verändert“, sagt er. Gemeint sind die Engpässe, die sich daraus ergeben, dass noch zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. „Wir sind in einer absoluten Mangelsituation“, erklärt Murmann. Nicht jeder über 80-Jährige könne davon ausgehen, sofort zum Zuge zu kommen. Ein Großteil des Impfstoffs sei zunächst für die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen vorgesehen.

Das Land plant mit wöchentlich 87 750 Impfdosen

Die ersten 9750 Impf-Dosen, die in Baden-Württemberg eingetroffen waren, sind laut Sozialministerium inzwischen verimpft. Ist der Impfstoff also bereits ausgegangen? Eine Leserin aus Stuttgart-Vaihingen zeigt sich empört, als ihr das am Montag nach zweistündiger Wartezeit in der Hotline mitgeteilt wurde. Der Ministeriumssprecher beruhigt jedoch: Noch am selben Tag sollten 78 000 Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs in Baden-Württemberg eintreffen. Künftig rechnet das Sozialministerium mit wöchentlich 87 750 Dosen. Wenn weitere Impfstoffe zugelassen werden, soll die Zahl weiter steigen. Gleichzeitig bestätigt das Ministerium am Montag auf Nachfrage, dass von den am Wochenende angebotenen Impfterminen bis auf wenige Resttermine, die durch kurzfristige Absagen zustande kommen, keine mehr verfügbar sind. „Die Vergabe der Termine hängt von der Verfügbarkeit des Impfstoffs ab“, erklärt der Sprecher. „Die Zentralen Impfzentren haben zunächst Termine für die nächsten sechs Wochen im Anmeldesystem eingepflegt.“ Neue Termine gebe es, sobald auch die Kreisimpfzentren ihre Termine einpflegen würden.