Ursprünglich sollte der Ticketverkäufer Eventim Partner werden bei Four Artists, der Konzertagentur der Fantastischen Vier. Das scheiterte am Kartellamt. Nun hat sich der Branchenriese womöglich auf anderem, kalten Wege bei den Fantas bedient. Ein Wirtschaftskrimi.
Es ist eine alte Künstlerweisheit: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Für Four Artists, die Konzert- und Künstleragentur der Fantastischen Vier, soll das Jahr 2019 das bis dahin beste Geschäftsjahr gewesen sein. Dann kam das Aus, allerdings nicht aus Vernunftgründen oder wegen Erschöpfung, wie bei Bands, die nach der fünften Zugabe einfach nicht mehr können. Tatsächlich war von Freiwilligkeit keine Spur. „Uns wurde die Firma auf gut Schwäbisch unter dem Hintern weggezogen“, sagt Andreas „Bär“ Läsker, der Manager der Fantas, gegenüber unserer Zeitung.
Was Läsker meint, hat jetzt eine Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) nachgezeichnet: Es ist die Geschichte einer feindlichen Übernahme der besonderen Art oder – wie es die BR-Journalisten nennen – eine „Expansion am Kartellamt vorbei“. Bis Ende November 2019 scheint alles noch in Ordnung. Dann verlässt der langjährige Geschäftsführer überraschend das Unternehmen Four Artists. Schon das war ein harter Schlag. „Wir hatten bis dahin ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm gehabt“, sagt Läsker.
Die Fantas stehen vor rauchenden Trümmern.
Doch wenige Wochen später geht der Aderlass offenbar geplant weiter. Zusammen mit dem stellvertretenden Geschäftsführer verlassen innerhalb weniger Tage 27 der 45 Mitarbeiter die Four Artists Booking Agentur, zitiert der BR aus Ermittlungsakten der Berliner Staatsanwaltschaft. Die Fantas versuchen zu retten, was nicht mehr zu retten ist, führen Einzelgespräche – ohne Erfolg. „Wir standen plötzlich nur noch vor den rauchenden Trümmern“, sagt Läsker.
Die abtrünnige Mannschaft zerstreut sich nicht in alle Winde, sondern heuert bei einer anderen Firma an, deren Namen man fast als Verhöhnung verstehen könnte. „All Artists“ heißt die Agentur, die neu im Handelsregister steht. Die Künstler, deren Tourneen organisiert werden, haben die Mitarbeiter, wenn man so will, mitgebracht. Seeed, Scooter oder Max Herre werden unter anderem in dem neuen Unternehmen betreut. Vorher waren sie allesamt bei Four Artists.
Das Kartellamt verhindert die Übernahme
Mehrheitseigner der neuen Agentur ist CTS Eventim. Der Ticket- und Veranstaltungskonzern mit Firmensitz in München ist Marktführer in Deutschland. Pikant daran ist: Eventim hatte 2017 versucht, 51 Prozent von Four Artists zu übernehmen – damals im Einvernehmen. Auf dem boomenden Konzertmarkt suchten die Fanta 4 einen strategischen Partner. „Wir hatten Angst, unter die Räder zu kommen“, sagt Läsker. Doch das Bundeskartellamt untersagte den Zusammenschluss wegen der marktbeherrschenden Stellung von Eventim. Das Unternehmen erhalte sonst Kontrolle über weitere relevante Ticketkontingente, hieß es.
Beim Kartellamt ist man laut BR nicht glücklich über die jetzige Entwicklung. Es sei „bedauerlich, dass die Wirkung der Untersagungsverfügung“ offenbar „unterlaufen werden konnte“. Man habe jedoch keine Handhabe. Neugründungen unterlägen nicht dem Kartellrecht, wird der Kartellamts-Präsident Andreas Mundt zitiert. Eventim erklärte gegenüber unserer Zeitung, es seien zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter abgeworben worden. Der Wechsel der betroffenen Personen sei vielmehr „aufgrund der sich abzeichnenden Verhältnisse bei ihrem alten Arbeitgeber“ nach dem Abschied des Geschäftsführers und „insbesondere nach einer kommunikativ und inhaltlich verunglückten Veranstaltung mit den Inhabern“ erfolgt, sagte eine Sprecherin.
Die Ermittler erkennen keine Straftat
Auch strafrechtlich hat der Fall keine Folgen. Nach einer Strafanzeige nahm die Berliner Staatsanwaltschaft zwar Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Untreue und der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen auf. Sie wurden mittlerweile aber wieder eingestellt. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht, wenngleich die Behörde durchaus „eine Verlagerung von Teilen“ der Four Artists auf die All Artists erkannt habe.
Für Läsker ist der Verlauf der Ermittlungen ein Ärgernis. Die Staatsanwaltschaft habe die meisten Beteiligten nur schriftlich einvernommen. Für die Fanta 4 belaufe sich der Schaden auf 20 Millionen Euro. Allein die Anwaltskosten addierten sich auf 800 000 Euro. Zivilrechtliche Schritte seien möglich, aber das müsse man sich gut überlegen.
Und wo gibt es die Karten für die nächste Tournee?
Die Tickets für die vergangene Tour verkauften die Fantas über den Discounter Aldi. Allerdings kam dann Corona dazwischen. Gegenwärtig verfolgt Aldi das Geschäftsfeld nicht weiter. Bei ihrer nächsten Tournee sind Smudo und Co. deshalb auch wieder auf Eventim angewiesen. „Wer mehr als 20 000 bis 30 000 Tickets verkaufen will, kommt an denen nicht vorbei“, sagt Läsker.