Raus aus der Tempo-30-Zone auf der Seestraße, heißt nicht, dass Tempo 50 gilt. Denn am Löwen-Kreisel kündigt ein Schild Tempo 30 auf der Schönaicher Straße an. Foto: Klein

Das Landratsamt hat Bußgelder verhängt, weil Fahrer auf der Schönaicher Straße in Steinenbronn zu schnell waren. Dass dort Tempo 30 gilt, konnten viele aber gar nicht wissen. Was passiert, wenn man fälschlicherweise ein Knöllchen bezahlt?

Steinenbronn - Immer wieder hat die Kamera an der Schönaicher Straße in Steinenbronn Autofahrer zu Unrecht geblitzt. Insgesamt 226 Temposünder fuhren dort während zweier mobiler Messungen schneller als die erlaubten Tempo 30. Doch dass dort wirklich diese Geschwindigkeit gilt, ist nicht so klar erkennbar. Es kommt auf die Perspektive an.

Wer von der Steinenbronner Seestraße nach Osten auf die Schönaicher Straße abbiegt, befindet sich auf einer Tempo-30- und einer Tempo-50-Strecke. Denn einerseits steht an der Straßenecke ein Schild, dass dort die Tempo-30-Zone endet. Das stimmt zwar. Doch daran schließt sich eine Strecke an, auf der ebenfalls nur Tempo 30 erlaubt ist. Doch dort steht kein neues Schild, das das anzeigt. Anders sieht es für Autofahrer aus, die vom Löwen-Kreisel aus auf die Schönaicher Straße abbiegen. Dort steht nämlich ein Schild, das eine maximale Geschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde vorschreibt. Wer die Straße noch weiter in Richtung des Tunnels unter der Umgehungsstraße fährt, sieht dann erst ein Schild, das Tempo 50 ankündigt.

Ein Leser hat sich bei unserer Zeitung gemeldet und auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Er wählt dazu deutliche Worte und spricht von „Rechtsbeugung und rechtswidrigem Blitzen“.

Nicht alle bekommen ihr Geld zurück

Fakt ist: 226 Autofahrer, die auf dem Straßenstück nach dem vermeintlichen Ende der 30er-Zone wieder beschleunigt haben, wurden geblitzt. Das teilt Dennis Ritter, Sprecher des Kreises Böblingen, auf Anfrage mit. „Aufgrund Ihrer Anfrage hat sich unsere Straßenverkehrsbehörde die örtlichen Gegebenheiten umgehend näher angeschaut und festgestellt, dass an dieser Stelle ein Tempo-30-Schild fehlt.“ Ritter entschuldigt sich für dieses Versehen des Kreises.

Das hilft den geblitzten Autofahrern aber nur zum Teil. Denn nicht alle bekommen wegen der fehlenden Beschilderung ihr bereits gezahltes Geld zurück. „Alle noch nicht rechtskräftig ergangenen Bußgeldbescheide, die diese Stelle betreffen, werden wir selbstverständlich aufheben“, teilt Ritter mit. Für alle geblitzten Fahrzeuge sei das aber nicht mehr möglich. „Wir bedauern sehr, dass ein Teil der Bußgeldbescheide bereits rechtskräftig geworden ist und den Betroffenen keine Rechtsmittel mehr zur Verfügung stehen.“ Die Entscheidung, welche Geschwindigkeit an dem betreffenden Stück gilt, ist bereits gefallen. „Wir haben daher angeordnet, dieses Schild an dem vor Ort bereits festgelegten Punkt aufzustellen“, teilt Ritter mit. Wenn dieses steht, gilt dann von allen Seiten offiziell Tempo 30.

Wiederaufnahme des Verfahrens ist quasi unmöglich

Johannes Boos, Unternehmenssprecher vom ADAC aus München, gibt Auskunft zur Rechtslage: „Wenn man gezahlt hat, ist das Verfahren abgeschlossen. Damit hat es Rechtskraft erlangt.“ Darum können sich die betroffenen Autofahrer das Geld nicht mehr erstatten lassen. „Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist sehr schwer bis unmöglich. Dazu müssten nämlich neue Tatsachen ans Licht kommen – und die Verkehrssituation ist ja seit Monaten unverändert“, sagt Boos. „Grundsätzlich raten wir, bei offenkundig falschen Bußgeldbescheiden Einspruch einzulegen, damit der Bescheid nicht automatisch Rechtskraft erlangt, und juristischen Beistand zu suchen.“ Ein Anwalt könne zum Beispiel Akteneinsicht nehmen und den Beschilderungsplan der Kommune anschauen. „So hätte man merken können, dass ein Schild fehlt.“

Dass dies so ist, ist allerdings laut Boos kein Freibrief. „Ortskundige, die regelmäßig die Strecke fahren und die Situation kennen, hätten wissen müssen, dass dort Tempo 30 gilt.“ Anders sieht es bei auswärtigen Fahrern aus. „Denen kann ein Tempoverstoß in der Regel nicht vorgeworfen werden, wenn – wie im Fall von Steinenbronn – ein Schild fehlt“, sagt der ADAC-Pressesprecher.

Helmut Gebhardt aus Steinenbronn ärgert sich noch immer sehr über das fehlende Tempo-30-Schild. Es bescherte ihm einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg. Zudem musste er nach eigenen Angaben eine Strafe von 100 Euro zahlen. Gebhardt wurde mit Tempo 57 geblitzt. „Ich habe Widerspruch eingelegt, weil ich mich im Recht wähnte. Da steht ja kein Tempo 30-Schild.“ Der Richter des Amtsgerichts, das seinen Fall verhandelte, habe das anders gesehen. „Er sagte mir, dass ich aus Steinenbronn komme und wissen müsse, dass dort Tempo 30 gelte.“ Letztlich zog Gebhart den Widerspruch zurück und zahlte. Der Richter habe ihm gesagt, wenn er das nicht tue, könnte er wegen Vorsatz belangt werden und das koste dann 100 Euro mehr. Gebhardt hat das sehr geärgert, wie er sagt. „Ich fahre doch nicht mit Vorsatz zu schnell in einer 30er-Zone.“