Die Sozialstation schreibt rote Zahlen – die Bürgermeisterin Simone Lehnert will die Einrichtung privatisieren. Foto: Werner Kuhnle

Vorwürfe erhebt der Deutsche Gewerkschaftsbund gegenüber der Bürgermeisterin von Ingersheim (Kreis Ludwigsburg). Sie privatisiere die Sozialstation an den Beschäftigten vorbei.

Die Sozialstation in Ingersheim soll privatisiert werden. „Für viele Beschäftigte ist das Vorgehen skandalös und die Beweggründe sind intransparent“, teilt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) der Region Stuttgart mit. Der DGB erhebt den Vorwurf, die Bürgermeisterin Simone Lehnert habe die rund 20 Beschäftigten nicht genügend informiert. Jetzt seien – entgegen der Versprechungen Lehnerts – erste Verschlechterungen für Mitarbeiter und die rund 100 Kunden eingetreten.

 

Neuer Träger sollte eigentlich am 1. Januar 2026 die Evangelische Heimstiftung GmbH werden. Die Sozialstation sei jedoch schon am 7. Oktober vorigen Jahres unter ein Interimsmanagement der Stiftung gestellt worden, teilt der DGB in einem Pressetext mit. Das habe der Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung am 24. September beschlossen.

Die Bürgermeisterin Simone Lehnert strebt die Privatisierung an. Foto: Archiv (J/ürgen Bach)

Mit dem neuen Management werde ein Betriebsübergang auf die Heimstiftung geprüft. Den Interimsvertrag unterschrieben laut DGB schon am 25. September, einen Tag nach dem geheimen Ratsbeschluss, Simone Lehnert und Elke Eckardt, Geschäftsführerin der Evangelischen Heimstiftung GmbH. Von dem Vorgang erfuhren offenbar nur die anwesenden Beschäftigten während einer Dienstbesprechung am selben Tag. Zwei Tage sei dann noch eine Veröffentlichung im Amtsblatt erschienen.

Mitarbeiter der Sozialstation schalteten laut DGB die Gewerkschaft ein

Der DGB ist mit diesem Vorgehen ganz und gar nicht einverstanden. „Es zeugt von mangelndem Respekt gegenüber der Belegschaft, dass sie im Vorfeld nicht informiert wurde“, zitiert der DGB Steffen Eckstein, den zuständigen Sekretär von Verdi. Einige Beschäftigte hätten die Gewerkschaft direkt eingeschaltet, als sie von den Plänen erfuhren: „Dass einige Beschäftigte sogar erst im Nachgang aus dem Amtsblatt davon erfahren haben, ist schlichtweg inakzeptabel“, sagt Eckstein. Inzwischen hätten mehrere Mitarbeitende vorsorglich Widerspruch eingelegt.

Die Bürgermeisterin beruft sich laut DGB auf die Entscheidung des Gemeinderates pro Betriebsübergang und Interimsmanagement. Mittlerweile liege dem DGB aber eine Stellungnahme einer Gemeinderätin vor, die von einer „Belastung“ durch die vor-geschriebene Geheimhaltung der Entscheidung spreche.

Die Geschäftsführung und die Bürgermeisterin ließen über das Amtsblatt verlauten, dass sich weder für die Mitarbeitenden noch für die Kunden der Sozialstation etwas verändern werde, teilt der DGB-Gewerkschaftssekretär Peter Schadt mit. Dieses Versprechen sei bereits mehrfach gebrochen worden. Statt mit zwei Mitarbeiterinnen würden Routen seit Oktober nur noch von einer Person absolviert. Das führe zu mehr Stress. Die Mitarbeitenden hätten weniger Zeit, sich den Menschen zu widmen.

Die Bürgermeisterin widerspricht den Darstellungen des DGB

In einer Stellungnahme widerspricht Simone Lehnert den Darstellungen des DGB. „Die Mitarbeiterschaft wurde in zwei großen Terminen umfangreich informiert. Niemand musste davon im Amtsblatt erfahren.“ Es gäbe auch keine Beschwerden seitens der Kunden. Auch die Mitarbeiter hätten sich in Gesprächen positiv über das Interimsmanagement und den Betriebsübergang geäußert. Der Beschluss im Gemeinderat sei einstimmig gewesen, sodass sie sich über die angeführte Stimme einer Gemeinderätin wundere. Auch habe sich der DGB nicht an sie persönlich gewandt, sodass sie nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen konnte.

Lehnert hält die Privatisierung für unumgänglich. Die Sozialstation schreibe rote Zahlen und belaste den Etat der Gemeinde: Vom Jahr 2020 bis 2023 habe der Abmangel jeweils zwischen 270 000 und 330 000 Euro gelegen. Es gebe auch keine Geschäftsführung. Die Sozialstation belaste als rein freiwillige Aufgabe auch die Verwaltung. „Die Gemeindeprüfungsanstalt hat die Gemeinde dazu ermahnt, die Strukturen der Abrechnung anzupassen, da diese nicht mehr rechtskonform sind.“

Heikle Situationen, wenn einzelne Mitarbeiter ausfallen

Die Mitarbeiter der Sozialstation seien hoch motiviert und leisteten sehr viel für die Pflegebedürftigen, erklärt Simone Lehnert. Aber wenn einzelne Personen ausfielen, ergäben sich heikle Situationen. Hinzu komme, dass der Pflegedienst vor großen Herausforderungen stehe in den Bereichen Finanzierbarkeit, Personalmangel, steigender Bedarf seitens der Einwohnerschaft.

Als Alternativen zum Betriebsübergang habe die Beratung für Sozialunternehmen (BfS) Stuttgart auch eine Fusion mit den Sozialstationen in Freiberg und Pleidelsheim geprüft sowie den Übergang in einen Eigenbetrieb. Diese Lösungen schieden jedoch laut Lehnert aus, weil im Eigenbetrieb die Arbeit bei der Gemeinde bleibe und die anderen Stationen keinen Handlungsbedarf sähen – bei weiterer Belastung der Gemeinde Ingersheim.

Der Erhalt der Arbeitsplätze ist laut Bürgermeisterin gesichert

Die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Heimstiftung eröffne viele Vorteile, so Simone Lehnert. Vorteil eins sei der Erhalt der Arbeitsplätze. „Das Personal soll gleich gut oder besser gestellt sein, wie vorher bei der Gemeinde Ingersheim.“ Die Patienten würden weiterhin versorgt. Der Betrieb könne aufrecht erhalten bleiben, die Mitarbeiter ausschließlich in Ingersheim arbeiten. Über den Betriebsübergang werde voraussichtlich im April im Gemeinderat endgültig entschieden.