Kein Bäcker, kein Metzger, nur ein kleiner Einkaufsladen: Das Breitensteiner Lädle kämpft seit 15 Jahren um die Existenz. Anwohner über dem Geschäft fühlen sich gestört.
Ein kleiner Ort braucht einen Laden. In Breitenstein, einem Teilort von Weil im Schönbuch, leben etwa 1400 Menschen. Der letzte Bäcker und der Einzelhändler schlossen vor langer Zeit. Aber seit nun 26 Jahren gibt es an der Schillerstraße 27 das Breitensteiner Lädle, einen kleinen Einkaufsladen, den alle Breitensteiner lieben – außer jenen, die über ihm wohnen.
Das Lädle entstand im Jahr 1999 auf Initiative des damaligen Ortsvorstehers Helmut Stäbler. Erst sollte zur Führung des Ladens eine Genossenschaft gegründet werden, dann wurde daraus eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts. 72 Gesellschafter fanden sich, die insgesamt 378 Anteile zu je 1000 Mark erwarben. Im Jahr 2000 wurde die Breitensteiner Ladengesellschaft GbR im Rahmen eines Wettbewerbs als kommunale Bürgeraktion vom Regierungspräsidium Stuttgart ausgezeichnet.
Im Lädle finden die Breitensteiner alles, was sie brauchen. Es gibt eine Backtheke, es gibt Wurstwaren, Haushaltswaren, Obst und Gemüse, Drogeriewaren, einen Kaffeevollautomaten, Tiefkühlprodukte, Geschenkkörbe und vieles mehr. Seit einem Jahr nun ist das Lädle ein Selbstbedienungsladen. Kunden scannen ihre Einkäufe selbst, bezahlen an der SB-Kasse.
Grund für diese Entwicklung waren Personalkosten. Giulia Höger, unterstützt von ihrem Ehemann, fungiert seither als Geschäftsführerin und Servicekraft in einer Person. Von 10 bis 14 Uhr ist sie vor Ort. Die Nachfrage ist sehr gut. Es gibt einen Briefkasten, über den Kunden Anregungen und Wünsche für das Sortiment geben können. Trotz allem ist der Fortbestand des Ladens gefährdet. Ehe Giulia Höger kam, hatte es mehrere Wechsel in der Leitung des Ladens gegeben – eine fortwährend latente Konfliktsituation beschleunigte den Wechsel.
Größere Schwierigkeiten begannen bereits vor etwa zehn Jahren. Das Lädle befindet sich in einem Wohnhaus, zwei Wohnungen liegen darüber. Als diese den Besitzer wechselten, häuften sich die Klagen. Reiner Müller, Geschäftsführer der Gesellschaft, die das Lädle führt, erzählt, dass eingangs auch die Werbung des Ladens in den Fensterflächen bemängelt wurde. Die Werbung durfte nach Gerichtsbeschluss bleiben, die Stühle und der Sonnenschirm, der auf einem der vier Stellplätze standen, mussten weichen. „Da hatten sich überwiegend Senioren gesetzt, um auszuruhen und ein Schwätzle, zu halten“, sagt Müller. Den Miteigentümern jedoch war das zu laut. Die Ladenglocke, der Rollladen, der Ventilator und das Türschloss des Ladens auch.
Die Ladengemeinschaft hat nur 47 Prozent Eigentum
Das Problem: Mit einer Eigentümerschaft von 47 Prozent des Gesamtgebäudes ist die Breitensteiner Ladengemeinschaft den Miteigentümern unterlegen.
Die meisten Störpunkte wurden beseitigt. Nun stehen die Stühle und der Sonnenschirm im Garten wohlgesonnener Nachbarn, gerade gegenüber. Im Sommer 2025 schien die lange Geschichte nun endlich zu einem guten Ende zu kommen. Eine Begehung des Ladens mit Gebäudetechnikern und Miteigentümern führte, sehr überraschend, zum Ergebnis einer Einigung. „Wir konnten endlich vernünftig miteinander reden“, sagt Reiner Müller.
Doch es kam anders. Mittlerweile liegt Müller eine Verfügung des Landratsamtes Böblingen vor, die besagt, das Lädle dürfe nur noch von 6 bis 22 Uhr öffnen, statt, wie zuvor, von 5 bis 23 Uhr. Eine Strafe von 1000 Euro droht. Ein Zettel hängt an der Ladentür, der die verkürzten Öffnungszeiten verkündet. Nachbar und Kunden fragen kopfschüttelnd nach dem Grund, wie Müller berichtet. Man mutmaßt, die Verfügung sei zustande gekommen, da einer der Miteigentümer des Hauses als Mitarbeiter der Stadt Böblingen über gute Kontakte zum Landratsamt verfüge.
Das Landratsamt äußert sich zurückhaltend, teilt aber auf Anfrage mit: Das Baurechtsamt habe von Anfang an eine Genehmigung für den Zeitraum 6 bis 22 Uhr erteilt. Der Geschäftsführer habe die Ladenöffnungszeit eigenmächtig ausgeweitet auf 5 bis 23 Uhr. „Zum Schutz der Nachbarn vor Lärm und mangels entsprechender Gutachten seitens des Betreibers wurde die Nutzung für außerhalb der nicht genehmigten Zeiten versagt“, teilte ein Sprecher des Landratsamt mit.
Gesellschaft erwägt Klage vor dem Verwaltungsgericht
Mehrere Kaufläden im Kreis Böblingen, sagt Müller, seien ihm bekannt, die unter gleichen Bedingungen arbeiten und keine Verkürzung ihrer Öffnungszeiten in Kauf nehmen müssen. Gesetzliche Ladensperrzeiten an Wochentagen existieren in Baden-Württemberg seit 2006 nicht mehr. „Wir sind der einzige Laden, der so behandelt wird, und das liegt nicht daran, dass wir aus dem Rahmen fallen.“
Für Giulia Höger bedeutet die Verkürzung der Öffnungszeiten einen Umsatzverlust. Schwerer aber wiegt der Dämpfer, den die Motivation der Betreiber erhält, die Frustration, die sich aufgestaut hat: „Es ist schlimm, wenn man immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt. Normalerweise denkt man als Bürger ja auch, dass die Verwaltung in solchen Fällen hilft. Hier ist genau da Gegenteil der Fall.“
Reiner Müller will nun am Verwaltungsgericht Klage einreichen. Der 16. November ist der Stichtag. „Ich will erreichen, dass hier keine Willkür, sondern Gleichbehandlung herrscht“, sagt Müller. „Wir haben überhaupt kein Interesse, jemanden zu ärgern. Es kann aber auch nicht sein, dass die Breitensteiner Dorfgemeinschaft und die 72 Gesellschafter sich andauernd wegen zweier Parteien gängeln lässt.“ Reiner Müller ist sich sicher: „Unser Ladenbetrieb ist objektiv nicht störend.“
Was aber, wenn die Klage abgewiesen wird? „Dann können wir den Laden zumachen oder, wir kämpfen weiter. Nach mehr als 25 Jahren bin ich allerdings mürbe.“