Heute herrscht Distanz, im Dezember 2013 demonstrierten sie aber Harmonie: Nicola Schelling und Thomas Bopp, hier nach der Wahl der Juristin zur Verbandsdirektorin Foto: Max Kovalenko

Beim Verband Region Stuttgart ist die Führungsspitze nur drei Jahre nach den letzten Streitereien wieder tief gespalten. Die hauptamtliche Direktorin Nicola Schelling will mit dem ehrenamtlichen Verbandschef Thomas Bopp nicht wie bisher weitermachen.

Stuttgart - Geht das schon wieder los beim Verband Region Stuttgart (VRS)? Noch sind die Verwerfungen um die frühere Direktorin Jeannette Wopperer in unguter Erinnerung, da gibt es die nächste Zerreißprobe: Auch zwischen Wopperers Nachfolgerin Nicola Schelling und dem Verbandsvorsitzenden Thomas Bopp (CDU) tobt seit rund drei Wochen ein Kampf um Macht und Führung.

Nach Informationen unserer Zeitung hat Schelling (48) in E-Mails an den Ältestenrat beim Verband Alarm geschlagen. „Es ist ernst“, meint sie, „es geht um das Funktionieren des Verbands.“ Tenor der Mails: In der Form wie in den vergangenen zwei Jahren arbeite sie mit Bopp nicht weiter zusammen. Schelling fordert, dass sich Bopp klar an die Aufgabenverteilung hält, die sich aus dem Verbandsgesetz ergebe. Dass nur sie den Verband nach außen und innen vertritt. Dass Bopp nicht ohne sie über die Geschäftsstelle verfügt. Dass er sie nicht als Empfängerin von Anweisungen behandelt. Bopps Aufgabe sei die Vermittlung zwischen Regionalversammlung und Regionaldirektorin sowie die Sitzungsleitung, aber nicht die Erstellung von Beschlussvorlagen.

Der Ältestenrat muss ran

Doch draußen in der Öffentlichkeit werden die beiden bisher gerade andersherum gesehen: Bopp als Kopf des Verbandes, der die wesentlichen Signale setzt, während Schelling abtaucht. Mit ihren E-Mails hat sie nun aber die Fraktionsvorsitzenden gezwungen, Stellung zu beziehen. Kommende Woche gibt es im Ältestenrat eine Aussprache.

Das Gremium aus Fraktionsvorsitzenden hat allen Grund, die Sache ernst zu nehmen: Am VRS-Sitz in der Kronenstraße in Stuttgart habe es in letzter Zeit sehr unschöne Szenen gegeben, wird kolportiert. Bopp und Schelling würden bei der 50-köpfigen Belegschaft abwechselnd Loyalität einfordern. Sogar ein Besprechungszimmer habe Schelling, weil sie sich übergangen fühlte, Bopp verweigert, Mitarbeiter hinausbeordert.

Zunächst von Bopp hochgelobt

Schellings Hausmacht scheint allerdings nur klein zu sein. In diversen Fraktionen gibt es schon einige Zeit Kritik an der parteilosen Juristin, die aus einem Feld von insgesamt 56 Bewerbern ausgewählt und aus der Landesvertretung in Brüssel geholt worden war. Sie sei zwar fleißig und stets bemüht, sagte vor einem Jahr ein Regionalrat im Hintergrund. Sie verstehe es aber nicht recht, politische Mehrheiten zu organisieren. Impulse für die Region kämen kaum. Ihre Personalführung sei desaströs, sagte ein anderer Regionalrat jetzt. Auf der anderen Seite gibt es mit Bopp einen Vorsitzenden, der in einem einjährigen Interregnum zwischen Wopperers Erkrankung und der Versetzung in den vorläufigen Ruhestand sowie Schellings Amtsantritt eine Fülle weiterer Aufgaben übernahm – und das Vakuum ausfüllte.

Zunächst schien es zwischen ihm und Schelling nicht schlecht zu laufen. Bei ihrer Wahl hatte Bopp auch gesagt: „Wir haben eine super Regionaldirektorin.“ Schelling ging ihre Arbeit vorsichtig an, betonte selbst, sie halte sich zunächst mit politisch-inhaltlichen Aussagen zurück. In Sitzungen konzentrierte sie sich aufs Zuhören. Richtig gekracht hat es zwischen ihr und Bopp dann aber, als sie im Herbst 2014 einen US-Dienstwagen haben wollte statt eines Produkts aus Automobilwerken der Region – und als Bopp das missbilligte.

FDP und Linke verstehen die Direktorin

Jetzt ist guter Rat teuer. Die Konstruktion der Führungsspitze sei von Haus aus schwierig, sagt Joachim Pfeiffer (CDU). Insofern sei man auf ein Arrangement zwischen Bopp und Schelling angewiesen. Kai Buschmann, dessen FDP in der Regionalversammlung als einzige Unterstützerin Schellings neben der Linken gilt, sieht die Ursachen in Ansprüchen „zweier Alphatiere“. Von Schelling würden zwar Initiativen verlangt, wenn sie kämen, aber torpediert. Bei aller Kritik hätte man Schelling in der Affäre um ihren Elektro-Dienstwagen auch zugutehalten können, dass sie die Region als Region der Elektromobilität habe profilieren wollen. Er wolle sich kommende Woche um den „Aufbau einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zwischen den beiden bemühen. Andere formulieren es hinter vorgehaltener Hand drastischer. Bopp müsse sich überlegen, ob nach Wopperer eine zweite Direktorin über die Klinge springen müsse.

Schelling redet, Bopp schweigt

Im Moment würden aber nur wenige wetten, dass der Ältestenrat Schelling hilft. Bopp wolle seine Interessen wahren, sagt ein Kenner der Verhältnisse, „und er hat die große Mehrheit der Regionalversammlung hinter sich“. Den ratlosen Mitarbeitern könne man die Situation auch nicht mehr länger zumuten. Deshalb riecht es im Gebäude an der Kronenstraße schon wieder ein bisschen nach einem Abschied. Nicola Schelling aber möchte die Stellung halten, wenngleich eine Freundschaft mit Bopp nicht mehr zustande kommen dürfte. „Auf der Grundlage der gegenseitigen Akzeptanz der Aufgaben des anderen kann man hervorragend zusammenarbeiten“, sagt sie. Bopp schweigt. „Ich bin ihr Dienstvorgesetzter und rede nicht öffentlich über Mitarbeiter“, sagt er nur.

Der Verband hat viele Aufgaben

Der VRS erfüllt nach eigenem Verständnis wichtige Zukunftsaufgaben in den Bereichen (Nah-)Verkehr, Regionalplanung und Wirtschaftsförderung. Das Aufgabenspektrum ist im „Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart“ festgelegt. Aus der täglichen Arbeit haben sich Querschnittsthemen ergeben, wie das Europa-Engagement oder allgemeine Aufgaben der Regionalentwicklung. Pflichtaufgaben sind: Regionalplanung, Landschaftsrahmenplanung, Konzeption und Planung des Landschaftsparks Region Stuttgart, Regionalverkehrsplanung, regional bedeutsamer öffentlicher Personennahverkehr (Trägerschaft der S-Bahn, Expressbusse), regionales Verkehrsmanagement, regionale Wirtschaftsförderung, Teile der Abfallentsorgung und regionales Tourismusmarketing. Der Gesetzgeber hat ihm eine teilweise hauptamtliche, teilweise ehrenamtliche Führungsspitze vorgegeben, die es in Baden-Württemberg sonst nicht gibt. Auf der VRS-Internetseite steht: „Sie“, nämlich die Direktorin Nicola Schelling, „vertritt den Verband Region Stuttgart und ist Chefin der Verwaltung“.