Mit einem selbst geschriebenen Banner tauchten Schülerinnen und Schüler vergangene Woche vor dem Lehrerzimmer auf. Foto: privat

Mit Spontankonzerten und selbst geschriebenen Bannern äußern Schülerinnen und Schüler in Fellbach ihren Protest, dass das Friedrich-Schiller-Gymnasium künftig wohl ohne sein Aushängeschild auskommen muss.

Die Musik war bisher ein zentrales Unterrichtsfach am Fellbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) – und ein echtes Argument für viele Eltern, ihre Sprösslinge auf eben diese Schule zu schicken und nicht in einer eher sprachlich oder technisch orientierten Bildungseinrichtung anzumelden. Doch das imageträchtige Musikprofil steht inzwischen offenbar auf der Kippe.

 

Nicht zuletzt weil durch eine monatelange Vakanzzeit in der Schulführung die Schülerzahlen in den Keller gerasselt sind, ist aktuell unklar, ob der musikalische Schwerpunkt ab Klasse 8 noch eine Zukunft hat – eine Entwicklung, die von Chor, Bigband und Orchester begeisterte Schülerinnen und Schüler in einen schockähnlichen Zustand versetzt.

Musikprofil am FSG: Enttäuschung bei Schülern und Eltern

„Meine Tochter war wie vor den Kopf gestoßen“, sagt Irina Brehmer über die Enttäuschung, die seither die Gespräche am Familientisch prägt. Seit durchgesickert ist, dass statt Bach und Beethoven bald womöglich vor allem Naturwissenschaft und Technik auf dem Stundenplan stehen, ist die Lust auf die Schule bei der zwölfjährigen Nachwuchsgeigerin deutlich gebremst.

„Sie können sich vorstellen, was meine Tochter für Augen macht. Sie hat jetzt überhaupt keine Wahl mehr – und wir überlegen ernsthaft, diese Schule zu verlassen und aufs Remstal-Gymnasium in Weinstadt zu wechseln“, bekennt Irina Brehmer. Ausdrücklich betont wird von der Fellbacher Mutter, dass die Familie sich eigentlich keine bessere Schule wünschen könnte für ihre Tochter. „Die musikalische Ausrichtung war für viele Eltern der entscheidende Grund, unsere Kinder aufs Friedrich-Schiller-Gymnasium zu schicken“, sagt sie.

Auch bei einer Spontan-Kundgebung in der großen Pause wird der Erhalt des Musikprofils gefordert. Foto: privat

Deshalb ist das drohende Aus für musikalisch interessierte Kinder und Jugendliche so schlimm, als würde an einem Sportgymnasium das Kräftemessen bei Handball, Fußball oder Leichtathletik gestrichen oder es stünde in einer technisch orientierten Schule der Informatikunterricht auf der Streichliste. Bisher ist das Musikprofil das absolute Aushängeschild der Fellbacher Bildungseinrichtung – und so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal.

Schon in den Klassenstufen 5, 6 und 7 gibt es neben einer Gesangsklasse mit Stimmbildung im Unterricht und drei Musikstunden pro Woche auch einen instrumentalen Schwerpunkt. In der Mittelstufe dann, in den Klassenstufen acht bis zehn, kann die Musik als Hauptfach mit vier Wochenstunden gewählt werden, in der Oberstufe ist auch ein Leistungskurs mit fünf Wochenstunden und der schriftlichen wie praktischen Abiturprüfung möglich.

Musikprofil des FSG: Ein Herzstück des Schullebens ist in Gefahr

Das spezielle Profil spiegelt sich in einem auf Musik ausgerichteten Schulleben: Als der Lions-Club Fellbach jüngst wieder sein Benefiz-Konzert in der Schmidener Festhalle veranstaltet hat, durfte sich das Publikum nicht nur auf die Bigband aus dem Friedrich-Schiller-Gymnasium, verschiedenste Instrumentalsolisten und das Vokalensemble der Mittelstufe freuen, auch das mit ehemaligen Schülern verstärkte Schulorchester spielte für den guten Zweck auf.

Allerdings zeigt sich an der von einer monatelangen Ausfallzeit an der Schulspitze betroffenen Bildungseinrichtung auch, dass sich der Stellenwert der einst hoch geschätzten Musik im Sinkflug befindet. Weil die Schülerzahlen zurückgehen, erhält das FSG auch weniger AG-Stunden, bereits in diesem Jahr wurden deshalb der Eltern-Lehrer-Chor und das Oberstufenensemble gestrichen.

Auch bei der wackeligen Zukunft des Musikprofils liegt es keineswegs am fehlenden Willen der Schulleitung, sondern vielmehr an den Vorgaben. Mindestens 16 musikbegeisterte Schülerinnen und Schüler werden laut einer Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums für die Einrichtung gefordert, nur neun Teenies aus der jetzigen Klassenstufe 7 wollen im September klangvoll ins neue Schuljahr starten.

Die Entscheidung, ob es eine neue achte Klasse mit musikalischem Schwerpunkt geben kann, obliegt deshalb nicht etwa dem Friedrich-Schiller-Gymnasium selbst, auch die Stadt Fellbach als Schulträger hat laut dem für Bildung und Betreuung zuständigen Fachbereichsleiter Stephan Gugeller-Schmieg kein Mitspracherecht. Über Wohl und Wehe der Musik unterm Kappelberg bestimmt allein das Stuttgarter Regierungspräsidium – also exakt die Behörde, in der das Fellbacher Gymnasium schon wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit von Schulleiter Alexander Ackermann von der Vorzeigeeinrichtung zum Sorgenkind durchgerutscht ist.

Noch laufen die Gespräche, eine Entscheidung über den Musikzug ist noch nicht gefallen. Noch haben auch die Eltern die Hoffnung nicht aufgegeben, denn der ebenfalls nicht eben stark besetzte Schwerpunkt mit Informatik, Mathe und Physik findet laut Irena Brehmer schließlich auch mit nur sieben Schülern statt.

Die Kinder und Jugendlichen jedenfalls machen ihrem Unmut über das drohende Aus inzwischen selbst Luft: Am Mittwoch, 9. April, tauchten Schülerinnen und Schüler mit einem Banner vor dem Lehrerzimmer auf. „FSG ohne Musikprofil = Schule ohne Identität“ war da in roten Lettern auf weißem Leintuch zu lesen. Zwei Tage später wurde in der großen Pause mit Saxofon und Cajon auf dem Schulhof spontan für den Musikzug getrommelt – eine von gut fünf Dutzend Schülerinnen und Schülern unterstützte Willensbekundung, die möglicherweise bis zum Sitz des Regierungspräsidiums in Stuttgart-Vaihingen zu hören war.