An den Grundschulen im Land wird ein neues System eingeführt. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Eltern können mit einer verbindlicheren Grundschulempfehlung ihr Kind nicht mehr ohne Weiteres am Gymnasium anmelden. Das wird sich auf die Familien und auf die Schulen auswirken.

Das neunjährige Gymnasium wird ab dem kommenden Schuljahr 2025/25 zur Regelform, aufwachsend mit den Klassen fünf und sechs. Bisher gab es G 9 nur an 44 Modellschulen, das Gymnasium in Plochingen ist eine davon. Schon jetzt hat die Abkehr von G 8 Auswirkungen auf die derzeitigen Viertklässler. Denn die Grundschulempfehlung – ausgegeben wird sie in der Regel mit der Halbjahresinformation – wird teilweise verbindlicher. Eltern, die ihr Kind auf dem Gymnasium sehen, können eine anderslautende Empfehlung nicht mehr ohne Weiteres übergehen. Das Gymnasium ist schon jetzt die beliebteste Schulart. Weil befürchtet wird, dass mit G 9 noch mehr Kinder dorthin wollen, wird die Hürde höher.

 

„Einigen Kindern wird eine Frustrationsschleife erspart“

Die Grundschulen im Landkreis Esslingen bewerten die verbindlichere Grundschulempfehlung unterschiedlich. „In der Tendenz befürchten einige, dass der Druck auf die Lehrkräfte steigt, eine entsprechende Empfehlung auszusprechen“, so Corina Schimitzek, Leiterin des Staatlichen Schulamts in Nürtingen und damit zuständig für die Grundschulen im Landkreis. „Allerdings begrüßen die Kolleginnen und Kollegen auch, dass jene Kinder, die ohne Chance im Gymnasium sein werden, zukünftig diese Frustrationsschleife nicht mehr durchlaufen müssen“, resümiert die Amtsleiterin die Entwicklung.

Demnächst steht für alle Viertklässler eine Kompetenzmessung an. Sie ist einer von insgesamt drei Bausteinen für die spätere Grundschulempfehlung. Gestellt werden die Aufgaben zentral vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW), für die Korrektur und Auswertung ist laut Kultusministerium die jeweilige Fachlehrkraft zuständig, die dafür einheitliche Vorlagen bekommt. Erfasst werden der Leistungsstand in Deutsch und Mathematik sowie überfachliche Kompetenzen. Die Termine für die 45-minütigen Tests sind landesweit einheitlich. Am 19. November ist Deutsch vorgesehen, einen Tag später folgt Mathematik. „Es handelt sich nicht um eine Prüfung und bewertet wird am Ende auch nicht mit einer Note“, betont ein Ministeriumssprecher. Die Einschätzung der Kompetenzmessung werde den Eltern in den regulären Informations- und Beratungsgesprächen zur weiterführenden Schule mitgeteilt. Corina Schimitzek, sieht die Grundschulen im Kreis gut vorbereitet. „Viele Schulen haben im letzten Schuljahr schon auf freiwilliger Basis den Test durchgeführt und kennen die Vorgehensweise“, sagt die Schulamtsdirektorin.

Notendurchschnitt 2,5 in Mathe und Deutsch

Für die gymnasiale Grundschulempfehlung gilt künftig die Regel „zwei aus drei“. Erste Voraussetzung ist der Elternwille. Als zweite Bedingung muss entweder der standardisierte Leistungstest in Deutsch und Mathematik zum Ergebnis kommen, dass das Kind für das Gymnasium die nötigen Kompetenzen mitbringt. Oder die Grundschule spricht eine Gymnasialempfehlung aus. Die basiert auf einer pädagogischen Gesamtwürdigung durch die Klassenkonferenz auf Grundlage der in Klasse 4 erreichten Noten sowie der Bewertung der überfachlichen Kompetenzen. Für eine Gymnasialempfehlung muss der Notendurchschnitt der Fächer Deutsch und Mathematik in der Regel mindestens 2,5 sein.

Potenzialtest als letzte Chance, um aufs Gymnasium zu kommen

Was passiert, wenn es am Ende nur „eins aus drei“ heißt? Das heißt, die Eltern halten weiterhin am Gymnasium fest, die Ergebnisse von Kompetenzmessung und Schulempfehlung lassen das aber nicht zu? Dann bleibt als letzte Möglichkeit noch ein sogenannter Potenzialtest, der vom Institut für Bildungsanalysen erstellt wird. Dessen Ergebnis entscheidet dann abschließend über die Aufnahme am Gymnasium. „Sicher werden manche Eltern versuchen, ihr Kind auf alle Fälle ans Gymnasium zu bringen, und durch Nachhilfe und Ähnliches die Kinder unter Druck setzen“, befürchtet Schimitzek, „ich hoffe aber, dass das Ausnahmen sind.“

Wie Viertklässler bisher wechselten

Werkrealschule
Seit dem Schuljahr 2012/13 war die Grundschulempfehlung nur eine unverbindliche Empfehlung. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen, dass vor allem Eltern von Schülerinnen und Schülern mit Werkreal- oder Hauptschulempfehlung davon abweichen. Den Zahlen aus dem Jahr 2023 zufolge wechselten über ein Drittel auf eine Realschule (35,4 Prozent), 2,3 Prozent meldeten sich sogar am Gymnasium an. Drei von fünf Schülerinnen und Schülern wechselten allerdings entsprechend der Empfehlung auf eine Werkreal-/Hauptschule (22,9 Prozent) oder auf eine Gemeinschaftsschule (37,4 Prozent). Welche dieser beiden Schularten gewählt wird, hängt häufig von der Verfügbarkeit in der Wohnumgebung ab.

Realschule und Gymnasium
Viertklässler mit einer Empfehlung für die Realschule entschieden sich zu zwei Dritteln (67,7 Prozent) auch für diese Schulform. 15,1 Prozent wechselten zum Schuljahr 2023/24 entgegen der Empfehlung auf ein Gymnasium, 14,5 Prozent auf eine Gemeinschaftsschule. Dagegen wechselten 79,4 Prozent der Schülerinnen und Schülern mit einer Empfehlung für das Gymnasium auch dorthin. Nur rund jeder fünfte Viertklässler entschied sich für eine Realschule (16,6 Prozent) oder Gemeinschaftsschule (3,4 Prozent), stellt das Statistische Landesamt auf Basis der amtlichen Schulstatistik 2023 fest.