In der Zeit bis Weihnachten öffnen wir an jedem Tag ein Türchen zu einem interessanten Ort in der Region Stuttgart, der sonst meist verschlossen ist. Am 23. Dezember sind wir in der Ausnüchterungszelle der Polizei Waiblingen

Waiblingen - Nüchtern. Besser lässt sich der wenige Quadratmeter große Raum nicht beschreiben: Eine Pritsche mit einer Matratze aus abwaschbarem Gummi. Der olivgrüne Boden sieht ebenfalls pflegeleicht aus – und eine metallverkleidete Öffnung, die sich im Boden in der Ecke auftut, dient zur Erfüllung dringender menschlicher Bedürfnisse. Wer hierher kommt, tut dies kaum freiwillig: Wir befinden uns in der Gewahrsamseinrichtung des Polizeireviers Waiblingen. In der Ausnüchterungszelle, um genau zu sein.

Diejenigen, die in den kargen Trakt gebracht werden, weil sie einer Straftat verdächtigt werden, bekommen immerhin den Luxus einer Zelle mit einem Holztischchen an der Wand. Betrunkene bekommen dagegen die Sparvariante – wegen der Verletzungsgefahr. Um hier zu landen, reichen ein paar Glühwein zu viel auf dem Weihnachtsmarkt jedoch nicht aus: „Wenn wir jemanden hierher bringen, müssen schon alle anderen Mittel ausgeschöpft sein“, erklärt Ronald Krötz, einer der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen.

„Es ist schockierend, was der Alkohol aus Menschen macht“

Und die Gäste müssten eine Gefahr für sich oder für andere Menschen darstellen. Wie lange sie hier bleiben, hängt davon ab, wie hoch ihr Alkoholpegel ist – und wie lange sie brauchen, um diesen abzubauen. „In der Regel sind das einige Stunden“, sagt Krötz.

Auch wenn die Zellen beim Besuch unserer Zeitung leer sind: Gäste sind hier recht häufig. In diesem Jahr sind bisher knapp 190 Menschen in dem Trakt in Waiblingen eingesessen. Rund zwei Drittel davon waren Verdächtige, die von der Waiblinger Kriminalpolizei festgenommen worden waren. Der Rest, also knapp 70, war nach dem Polizeigesetz in Gewahrsam genommen worden – zur Ausnüchterung.

Ronald Krötz hat schon einige solcher Fälle erlebt: „Es ist schon schockierend, was der Alkohol aus Menschen macht. Manche werden richtig aggressiv, andere wieder anhänglich und albern.“ Und dann gebe es noch die Dauerklingler, die seine Kollegen an der Sprechanlage auf Trab halten.

Feuerzeuge, Gürtel – alles muss abgegeben werden

Über zwei Knöpfe an der Wand können sich die Insassen nämlich beim Diensthabenden melden – zum Beispiel, um von diesem die Toilettenspülung betätigen zu lassen. Das dürfen die Gäste nämlich nicht selbst: „Es ist schon vorgekommen, dass Leute die Toilette absichtlich verstopft und dann versucht haben, durch Dauerspülen den Raum zu fluten.“

Feuerzeuge, Gürtel, Taschenmesser und Schnürsenkel – alles, womit sich die Insassen verletzen oder die Einrichtung beschädigen könnten, müssen sie abgeben. Das Fenster zum Hof ist aus Panzerglas, einen Griff gibt es im Inneren freilich nicht. „Natürlich haben schon einige versucht zu fliehen, wenn wir sie aus dem Auto herbringen“, erzählt Krötz. Geschafft habe es seines Wissens nach jedoch keiner. Zumal der Hof des Reviers mit einem dicken Gatter gesichert ist.

Eine Nacht in der Ausnüchterungszelle kostet im Schnitt 150 Euro

Die Zelle wird permanent per Video überwacht – bis auf das Klo, wegen der Privatsphäre. Regelmäßig schaut auch ein Beamter bei den Insassen vorbei. „Wenn jemand gesundheitliche Probleme hat, ist er aber ohnehin ein Fall fürs Krankenhaus“, versichert Krötz.

Ein Katerfrühstück gibt es für die Ausgenüchterten nur, wenn sie dieses selbst bezahlen. „Wasser gibt es aber, so viel sie wollen“, sagt Krötz. „Das wird besonders von Betrunkenen gerne angenommen.“ Die Übernachtung im vielleicht unluxuriösesten Hotel der Welt ist also sicher kein Vergnügen – und billig schon gleich gar nicht. „Pro Nacht kostet das im Durchschnitt 150 Euro. Wenn dann noch Reinigungskosten oder eine ärztliche Untersuchung dazu kommen, ist man schnell bei über 200 Euro“, rechnet Krötz vor. „Man stelle sich vor, was für eine luxuriöse Übernachtung für das Geld drin gewesen wäre.“