ADAC-Chef Roßkopf lobt den Grünen-Verkehrsminister und fordert mehr Busse und Bahnen. Foto: dpa

Im Januar 2014 flog der Betrug beim Autopreis Gelber Engel auf. Der ADAC Württemberg konnte im vergangenen Jahr trotzdem mehr als 13 000 Mitglieder dazugewinnen.

Stuttgart - Herr Roßkopf, hat der ADAC Württemberg die Krise schon hinter sich gelassen?
Wenn so eine Katastrophe passiert, ist man erst mal geschockt. Danach war klar, dass was geändert werden muss. Es war eine Art Weckruf und auch eine Chance, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und in einen Reformprozess zu gehen.
Was sind die zentralen Reformpunkte für Sie?
Dass wir unsere einzelnen Aktivitäten schärfer getrennt haben mit dem Drei-Säulen-Modell. Erstens: Es gibt den ADAC weiterhin als eingetragenen Verein, der ganz bewusst werteorientiert ausgerichtet ist. Kernleistungen wie die Pannenhilfe sind hier gebündelt. Zweitens gibt es jetzt eine nicht börsenorientierte ADAC AG für unsere Wirtschaftsaktivitäten wie den Verkauf von Versicherungen. Und drittens haben wir eine gemeinnützige Stiftung gegründet, zu deren Aufgaben etwa die Unfallhilfe und Unfallverhütung zählt.
Ein heißes Eisen ist beim Thema Verkehrssicherheit die Null-Promille-Grenze. Wie stehen Sie dazu?
Ich persönlich befürworte im Gegensatz zum ADAC die Null-Promille-Grenze. Und zwar aus folgendem Grund: Ein klares Ja oder Nein ist für jeden Verkehrsteilnehmer eine viel einfachere Entscheidung, als dass er ein bissle was trinken darf. Das klare Nein würde uns unendlich viele Irrtümer über die noch vorhandene oder eben nicht mehr vorhandene Fahrtauglichkeit ersparen.
Wie hat sich die Mitgliederzahl nach dem Skandal um den Gelben Engel entwickelt?
Wir sind im vergangenen Jahr trotzdem gewachsen. Zum 31. Dezember 2014 hatten wir im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 13 376 Mitgliedern. Insgesamt gehören dem ADAC Württemberg inzwischen mehr als 1,5 Millionen Mitglieder an – mehr als jemals zuvor. Für uns war es sehr positiv, dass unsere Mitglieder auch in der Krise ihrem Verein die Treue hielten. Das haben wir zuallererst denjenigen Mitarbeitern zu verdanken, die draußen auf der Straße und in den Geschäftsstellen Tag für Tag ihre Leistung bringen. Unsere Leute, die an der Front stehen, haben sich unheimlich eingesetzt.
Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter in den Krisenmonaten motiviert?
Das ist wie in der Familie auch. Wenn etwas Furchtbares passiert, muss man sich austauschen. Wir hatten eine intensive interne Kommunikation. Das war enorm wichtig, schließlich hatte so mancher hauptamtliche Mitarbeiter in dieser schweren Zeit auch Angst um seinen Arbeitsplatz.
Am 28. März steht in Tuttlingen die Mitgliederversammlung an. Glauben Sie, dass dort die Krise noch ein Thema sein wird?
Das wird uns noch viele Jahre begleiten – und es darf nie mehr passieren. Es gab aber auch tolle Reaktionen. Mitglieder kamen in die Geschäftsstellen und haben uns Mut zugesprochen. „Wir bleiben Mitglied, haltet durch!“ – das haben wir nicht nur einmal gesagt bekommen.
Das Verhältnis zu den Mitgliedern ist also intakt. Wie aber steht es um Ihr Verhältnis zum Grünen-Landesverkehrsminister Winfried Hermann?
Es ist durchaus erfreulich zu sehen, wie er agiert. Er hat Meilensteine gesetzt, indem er zum Beispiel die Ankündigungskultur der Vorgängerregierung beendet hat. Es bringt ja nichts, viele Spatenstiche zu machen, bei denen immer nur ein kleines Teilstückchen Straße gebaut wird und dann kein Geld mehr da ist. Hermann hat zudem die alte Forderung von uns – Erhalt von Straßen kommt vor Neubau – umgesetzt. Nur die Förderung des Radverkehrs betont er für unseren Geschmack etwas zu stark.
Die Straßen gehen dem ADAC eben doch über alles . . .
. . . nein, das stimmt so längst nicht mehr. Der ADAC ist nicht mehr nur der reine Automobilclub. Er hat sich der Mobilität verschrieben. Es ist zum Beispiel genauso wichtig, im öffentlichen Nahverkehr mehr Kapazitäten zu schaffen wie das Angebot an P+R-Plätzen auszubauen. Nur neue Betonpisten zu schaffen, kann nicht die Zukunft sein. Für Stuttgart etwa ist der Ausbau des Nahverkehrs wichtiger als noch ein paar weitere Straßen. Und für die Elektroautos müssen wir die Ladeinfrastruktur ausbauen.
Das Verkehrsaufkommen, das scheint jedenfalls sicher, wird weiter wachsen. Glauben Sie trotzdem, dass die jährliche Zahl der Unfallopfer noch nennenswert zu verringern ist?
Ja. Die von der EU ausgerufene Vision zero ist unendlich wichtig. Auch wenn ich weiß, dass es bei rationalem Nachdenken keine völlig unfallfreie Art der menschlichen Fortbewegung geben kann. Aber da geht noch was! Wir werden beim autonomen Fahren noch riesige Fortschritte erzielen. Das stellt die Industrie völlig zu Recht in den Fokus. Ich habe die große Hoffnung, dass wir damit die Unfallzahlen weiter vermindern werden. Der Mensch bleibt aber ein entscheidendes Stellglied. Deshalb bieten wir traditionell viel Sicherheitstraining an – vom Kindergarten bis ins Seniorenalter.
Der ADAC hat dieses Jahr zum zweiten Mal den Fahr-Fitness-Check für Senioren im Programm. Wie war die Resonanz im ersten Jahr?
Wir haben das Programm gemeinsam mit dem Fahrlehrerverband im Oktober 2014 offiziell gestartet. Bis zum 31. Dezember 2014 haben in Württemberg 32 Senioren teilgenommen. Weitaus mehr Senioren haben sich beim ADAC über das Programm informiert. Diese Interessenten haben wir dann an Fahrlehrer, die als selbstständige Fahr-Fitness-Check-Moderatoren arbeiten, weitervermittelt. Bundesweit haben im vergangenen Jahr übrigens 1273 Senioren freiwillig mitgemacht.