Scarlett Johansson in "Iron Man 2" Foto: Verleih

Die US-Soziologin Katy Gilpatric hat gewalttätige Frauen in Actionfilme untersucht.

Stuttgart - Seit sich Sigourney Weaver in "Alien" schwer bewaffnet als Astronautin Ripley einem außerirdischen Monster in den Weg gestellt hat, ist Action keine Männersache mehr. Die starken Frauen des Actionkinos sind aber meisten viel braver als man zunächst denkt. Das hat Katy Gilpatric herausgefunden.

Mrs. Gilpatric, zurzeit werden im Kino gleich mehrere Frauen brutal: Scarlett Johansson als Black Widow in "Iron Man 2" zum Beispiel, oder Chloë Grace Moretz, die in "Kick-Ass" das Hit-Girl spielt und noch ein Kind ist.

Ja, mich hat es ziemlich überrascht, eine elfjährige Actionheldin zu sehen. Aber eigentlich war das nur ein cleverer Einfall, um mit Tabus zu spielen und so Aufmerksamkeit auf den Film zu lenken. Das scheint funktioniert zu haben. Obwohl das Hit-Girl so jung ist, bestätigt sie letztlich meine Untersuchungsergebnisse. Und Chloë Grace Moretz war in dieser Rolle außergewöhnlich gut und ich glaube nicht, dass es das letzte Mal war, dass wir Hit-Girl gesehen haben.

Sie haben statistisch gewalttätige Frauen in US-Actionfilmen zwischen 1991 und 2005 untersucht. Können Sie die durchschnittliche gewalttätige Actionheldin beschreiben?

Ja, ein Ziel meiner Arbeit war genau das: das Profil einer typischen gewalttätigen Actionheldin zu erstellen. Sie ist jung, weiß, unverheiratet, sehr gebildet und muss sich meistens in einer von Männern dominierten Welt, oft auf einem sehr hohen Karrierelevel durchsetzen. In dem Zeitraum von 15 Jahren, den ich untersucht habe, sind diese Frauenfiguren immer unrealistischer geworden. Interessanterweise kann man nur sieben Prozent von ihnen wirklich als Actionheldinnen, also als diejenigen, die im Zentrum der Handlung stehen, beschreiben. Die meisten (58%) waren bloß Begleiterinnen des männlichen Helden und oft (42%) waren sie romantisch mit ihm verbunden.

Stimmt es, dass die von Sigourney Weaver dargestellte Ripley im Science-Fiction "Alien" als Vorbild für einen neuen Typ weiblicher Actionheldin gelten kann?

Ja, Lt. Ripley war 1979 eine große Sache und viele Feministinnen lobten den Film dafür, so eine starke weibliche Figur zu porträtieren. Akademiker haben ausgiebig über diese neue Sorte mit einem Maschinengewehr herumfuchtelnden Heldin diskutiert. Trotzdem gibt es im Kino eine lange Geschichte mit Frauen, die man als Actionheldinnen bezeichnen könnte, beginnend mit der der Stummfilmreihe "Hazards of Helen" aus dem Jahr 1914.

Hatte die Figur der Ripley in "Alien" die Darstellung von Weiblichkeit in späteren Actionfilmen geprägt?

Ich glaube schon. Der erste "Alien"-Film hat allein in den USA über 80 Millionen Dollar eingespielt. So ein Erfolg führt immer zu Imitationen.

Diese Nachahmungen fallen aber unterschiedlich aus. Sarah Connor aus "Terminator", Lara Croft aus den "Tomb Raider"-Filmen und die Braut aus "Kill Bill" haben wenig gemeinsam.

Es ist interessant, dass sie diese drei Frauen nennen, weil ich eine Theorie über drei Kategorien von Actionheldinnen entwickelt habe: Erstens, realistisch: Da passt Sarah Connor herein, weil sie eine echte Frau darstellt, die Verantwortung übernimmt und sich mit realistischen Arten von Gewalt auseinandersetzt. zweitens, hyperrealistisch: Lara Croft gehört in diese Kategorie, weil sie auf einer fiktiven Figur aus einem Videospiel beruht und unglaublich körperliche Leistungen und Gewalttätigkeiten vorführt, die ohne der der Zuhilfenahme von Computertechnik unmöglich wären. Und drittens, parodistisch. Das ist die Braut, die sich über traditionelle Geschlechterrollen lustig macht, zum Beispiel, dass sie ein Hochzeitskleid trägt, während es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt..

Haben solche Figuren dazu beigetragen, die Geschlechterrollenklischees in Actionfilmen zu überwinden?

Von den Charakteren, die ich untersucht habe, hat Lara Croft die Grenzen der traditionellen Geschlechterrollen am weitesten verschoben. Aber sie ist gleichzeitig hypersexualisiert und geht deshalb nicht wirklich so weit, wie man vielleicht könnte. Und Sarah Connor versteht sich - genauso wie die Braut - in erster Linie als Mutter, als die Beschützerin ihres Kindes - und das ist ja wohl die traditionellste aller Frauenrollen,

Taugt irgendeine der Figuren, die sie untersucht haben, als Vorbild für die Kinogängerinnen?

Schwierig. Zwar wirken sie tough und selbstbestimmt können das Publikum mit dieser Stärke positiv beeinflussen. Wenn man aber genauer hinschaut, merkt man, dass man es eigentlich mit den gleichen Frauenrollenklischees wie immer zu tun, Sie sind nur neu verpackt worden. Bloß weil sie brutal sind, heißt das nicht dass sie emanzipiert sind. Mir fällt jedenfalls keine ein, die wirklich ein gutes Vorbild wäre.

Hat es trotzdem ein bisschen Spaß gemacht, sich all diese Filme anzuschauen?

Ich habe die 300 erfolgreichsten Actionfilme zwischen 1991 und 2005 untersucht. Nur in 112 Filmen hatten Frauen eine der Hauptrolle - und diese Filme standen im Mittelpunkt meiner Studie. Zunächst hat es mir Spaß gemacht, die Filme anzuschauen. Doch mit der Zeit wurde es schwierig, weil vier Monate kaum etwas anderes gemacht habe. mein Nacken und mein Rücken taten weh und ich fühlte mich ständig aufgewühlt. Die andauernde Konfrontation mit gewalttätigen Szenen hat meine Stimmung gedrückt. Ich war darum sehr froh, als ich mit der Untersuchung fertig war.

Sie haben in ihrer Arbeit statistische Daten erfasst. Welche Beziehung hat üblicherweise die weiblichen und männlichen Hauptfiguren in Actionfilmen?

Meistens, nämlich in 58 Prozent aller Filme, gab es eine männliche Hauptfigur, den eine Frau begleitet oder hilft. Bei 42 Prozent der Filme kam es zwischen den beiden zu romantischen Verflechtungen. Die typische Rolle der Actionheldin ist also die der Helferin und Geliebten. Das scheint mir doch ziemlich traditionell zu sein. Nur dass sie an der Seite des Helden auch kämpfen und um sich hauen, ist neu. Lediglich sieben Prozent der weiblichen Figuren waren wirklich Hauptfiguren und standen im Mittelpunkt der Handlung.

Was hat Sie bei Ihrer Untersuchung am meisten überrascht?

Am überraschendsten und vor allem am beunruhigendsten war, das fast ein Drittel der Frauen in den Filmen ums Leben kamen. Mit dieser Tatsache setze ich mich darum auch bei meiner aktuellen Forschungsarbeit auseinander.

Haben Sie Veränderungen im Umgang mit Frauenrollen in Actionfilmen zwischen 1991 and 2005 feststellen können? Gibt es inzwischen mehr Actionheldinnen und sind diese brutaler geworden?

Ich hatte erwartet, dass ich herausfinden würde, dass die Zahl der Actionheldinnen in diesem Zeitraum zunehmen würde. Doch das war nicht der Fall. Es gab einige Jahr mit besonders vielen weiblichen Actionstars und dazwischen immer wieder Jahre mit wenigen. Ich hatte auch gedacht, die Frauen würden brutaler werden und habe deshalb versucht, deren Gewalttätigkeit etwa dadurch zu erfassen, dass ich messe, wie lange sie jeweils in brutalen Szenen gezeigt werden. Das hat sich auch nicht bestätigt. Ich habe nur heraussgefunden, dass die Technik und die Computereffekte einen Einfluss darauf haben, wie ausführlich Gewalt vorgeführt wird. Anfang der 1990er Jahre waren Actionszenen noch ziemlich ausführlich. Ab dem Jahr 2000 wurden solche Szenen deutlich kürzer, aber auch erheblich schneller inszeniert. Ich glaube, dass letztlich die technischen Möglichkeiten darüber entscheiden, wie explizit gewalttätig die Filme sind. Dank der Computertechnik kann man unglaublich bizarre Gewalt vorführen. Das betrifft dann aber männliche und weibliche Charaktere im gleichen Maß.