Ob Standorte in Stuttgart – hier ein Kommandeurswechsel in den Patch Barracks 2017 – betroffen sind, ist unklar. Foto: AFP/Saul Loe, AP/Bernd Kammerer, Lg/Zweygarth

US-Präsident Trump bestätigt die Pläne für einen Truppenabzug aus Deutschland – wenn die Bundesregierung nicht mehr Geld für Verteidigung ausgibt. In Berlin wird die Drohung mit Befremden aufgenommen.

Berlin - Falls es noch einen Beweis gebraucht hat, wie schlecht die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Washington geworden sind, hat Donald Trump ihn nun endgültig erbracht. Mit Abstand nutze kein anderer Staat die USA so aus wie Deutschland, beschwert sich Trump. Fast vier Minuten lang hackt der US-Präsident wegen der aus seiner Sicht zu niedrigen deutschen Verteidigungsausgaben verbal auf die Bundesregierung ein. Wenn das „säumige“ Deutschland nicht mehr bezahle, werde die Anzahl der dort stationierten US-Soldaten als Strafe drastisch auf 25 000 reduziert, so die Drohung von Donald Trump.

Mützenich: Trump benimmt sich wie ein „Inkassoeintreiber“

Damit bestätigt Trump Überlegungen für einen Truppenabzug, die vor einigen Tagen durch Medienberichte bekannt geworden waren, ohne dass die Bundesregierung vorab von der US-Regierung darüber informiert worden wäre. Insofern sei es doch erst einmal gut, dass Trump Deutschland und die anderen Partnerstaaten nicht länger im Unklaren lasse, kommentiert SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag die Mitteilung aus dem Weißen Haus. Trump benehme sich dabei aber nicht wie der Präsident einer Führungsnation, sondern wie ein „Inkassoeintreiber“, kritisiert der Sozialdemokrat.

Die Äußerungen von Trump sind einem Partnerstaat gegenüber nicht nur ungewöhnlich rüde, sie sind auch ungenau. So spricht er etwa von 52 000 Soldaten, deren Stationierung in Deutschland die USA „enorme Summen“ koste. Dabei dürfte er etwa 17 000 amerikanische Zivilisten im Dienst der US-Armee mitgezählt haben, die Anzahl der Soldaten liegt bei etwa 35 000. Trump wirft der Bundesregierung vor, der Nato Milliarden zu schulden. Das ist nicht der Fall. Vom kommenden Jahr an zahlt Deutschland zudem einen ebenso hohen Anteil an den Gemeinschaftskosten der Allianz wie die USA.

Botschafter Grenell war Trumps Sprachrohr

Es geht Trump um die Vereinbarung der Nato-Staaten, ihre Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent der nationalen Wirtschaftskraft zu steigern. Schon die Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama forderte Deutschland auf, mehr für die Bündnisverteidigung zu tun. Mit Trumps Amtsantritt wurde die umstrittene Vereinbarung aber zum Dauerthema. Sein kürzlich aus Berlin nach Washington zurückgekehrter Botschafter Richard Grenell ließ keine Gelegenheit aus, Deutschland deswegen anzugreifen, obwohl die Bundesregierung ihre Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren stetig in Richtung der Zwei-Prozent-Marke steigerte. Auch die Drohung eines Truppenabzugs sprach Grenell bereits vor Monaten aus.

Ob aber wirklich US-Soldaten aus Deutschland abziehen, ist unsicher. Einerseits macht Trump die Ankündigung mitten im Wahlkampf, zudem stoßen seine Überlegungen im US-Militär und selbst in seiner Republikanischen Partei auf Widerstand. Deutschland ist für die US-Armee schließlich ein wichtiges Drehkreuz für Einsätze in Europa, den USA und im Nahen Osten. Insofern erweise Trump mit einer Schwächung der Präsenz in Deutschland seinem eigenen Militär einen „Bärendienst“, sagt Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Standorte verfolgen Debatte mit Sorge

Die betroffenen Bundesländer wie Baden-Württemberg verfolgen die Entwicklungen jedoch mit Sorge, schließlich hat der US-Präsident schon viele seiner umstrittenen Drohungen wahr gemacht. Für die Standorte der amerikanischen Truppen spielen besonders die wirtschaftlichen Folgen eines Abzugs Tausender Militärangehöriger und ihrer Familien eine Rolle. Das weiß auch Trump: „Das sind gut bezahlte Soldaten. Sie leben in Deutschland. Sie geben viel von ihrem Geld in Deutschland aus“, warnt er die Bundesregierung. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befürchtet bereits einen „dramatischen Einschnitt“ für die Region. Nach Informationen unserer Zeitung liegen der Bundesregierung bislang noch keine detaillierten Angaben dazu vor, welcher Standort in welchem Ausmaß betroffen sein könnte. Mützenich stellt jedoch bereits Hilfe in Aussicht: „Da wird der Bund möglicherweise reagieren müssen“, sagt der SPD-Politiker.

Für Deutschlands Sicherheit spielt die Präsenz der US-Soldaten direkt keine Rolle. Die Bundesregierung befürchtet jedoch eine Schwächung der Nato auf Kosten vor allem Polens und der baltischen Staaten. Die FDP-Außenpolitikerin Renata Alt wirft Trump vor, zur Freude des russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Keil in das Bündnis zu treiben und den innerwestlichen Zusammenhalt dauerhaft zu beschädigen. „Trump hat einmal mehr gezeigt, dass er an vernünftigen Beziehungen zu Europa nicht interessiert ist“, sagte die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete unserer Zeitung.

CDU-Politiker: Druck ist unter Freunden nicht akzeptabel

Schlecht kommt in Berlin zudem an, dass Trump mit der Drohung eines Truppenabzugs die Politik der Bundesregierung auch in den Bereichen Energie und Handel auf eine ihm genehme Linie zu bringen versucht. Trump macht unmissverständlich klar, dass ihm die Vorstellungen der Europäischen Union für ein gemeinsames Handelsabkommen nicht passen. Deswegen übt er Druck auf Deutschland als größte europäische Wirtschaftsnation aus.

Die USA wollen zudem die Ostseepipeline Nord Stream II verhindern, die Gas von Russland nach Deutschland bringen soll. „Warum zahlt Deutschland Russland Milliarden Dollar für Energie, und dann sollen wir Deutschland vor Russland schützen?“, fragt der US-Präsident. „Wie soll das funktionieren? Es funktioniert nicht.“ Renata Alt findet die Kritik an dem besonders in Osteuropa umstrittenen Pipelineprojekt zwar berechtigt. „Dennoch ist Trumps Art und Weise, Partner durch Abstrafen zu schwächen, alles andere als kluge Bündnispolitik“, sagte die FDP-Abgeordnete. Für den Unionspolitiker Hardt ist klar: „Druck ist als Mittel in der Kommunikation unter Freunden nicht akzeptabel.“