Die Abtreibungsklinik in der Türlenstraße gehört der Stadt, ist aber im kommenden Jahr für Abteilungen der Psychiatrie reserviert. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mit Hetzschriften und Demos versuchen Gegner, den Umzug der Stuttgarter Abtreibungsklinik zu verhindern. Stadtverwaltung und der Arzt Friedrich Stapf haben Stillschweigen über den Fortgang der Immobiliensuche vereinbart. Abbringen lassen sie sich nicht.

Stuttgart - Mehr als 11 000 Schwangerschaftsabbrüche gab es laut Landesstatistik im vergangenen Jahr, etwa 2200 davon sind in der Klinik Stapf vorgenommen worden. Aus diesem Grund steht der Arzt Friedrich Stapf schon lange unter dem Beschuss von Abtreibungsgegnern. Seit er aber neue Räume für die Klinik sucht, haben deren Aktivitäten groteske Züge angenommen.

An die Spitze der Bewegung hat sich Klaus Günter Annen mit einer Internetseite gesetzt. Dort bezeichnet er Stapf als „Tötungsspezialist“ und bringt Schwangerschaftsabbrüche mit Holocaust und Euthanasie in Verbindung. Schließlich ruft er dazu auf, bei Stadträten, Bürgermeistern und der Immobilienfirma, die an Stapf vermieten will, zu protestieren. Dazu hat er E-Mail-Adressen, Postanschriften und Telefonnummern aufgelistet.

„Die sind an die Mieter und Hausmeister der Immobilie rangegangen und haben gedroht, sie stünden ,bei Fuß‘, wenn dort die Abtreibungsklinik einziehe“, sagt Werner Wölfle. Deshalb hat der Krankenhausbürgermeister mit dem Klinikarzt nun Stillschweigen vereinbart. „Es gibt keinen neuen Sachstand“, sagt auch Friedrich Stapf. Weder, ob trotz aller Proteste ein Mietvertrag abgeschlossen werden konnte, noch darüber, ob eine andere Immobilie gesucht werden muss. „Bis ich wieder was sage, müssen Sie schon warten, bis ich irgendwo eingezogen bin oder Stuttgart verlassen habe“, so Stapf.

Die Hetztiraden von Annen überraschen ihn nicht, auch seine Münchner Klinik stand schon unter Beschuss. „Ich habe den ja schon mal mit Erfolg verklagt, aber nicht mal die Kosten für meinen Anwalt konnte ich bei Annen zurückholen“, sagt Stapf, „es ist am besten, man schweigt die tot.“

Weil Stapf vergessen hatte, seinen Mietvertrag für die Türlenstraße zu verlängern, muss er zum Jahresende das Gebäude räumen. Die Stadt kann ihm keine Immobilie zur Verfügung stellen, da es sich um einen privatwirtschaftlichen Betrieb handelt. Werner Wölfle aber sagt zu, dass Stapf notfalls „bis Februar“ bleiben kann. Außerdem habe er dem Vermieter der potenziellen neuen Räumlichkeiten versichert, dass es in Stuttgart keine breite Bewegung gegen Stapf gebe.

Der Großteil des Gemeinderats ist trotz der Hetz-Mails bei seinem Standpunkt geblieben. „Zu einer modernen Gesellschaft gehört auch das Recht auf Abtreibung“, sagt Hannes Rockenbauch (SÖS), und Martin Körner (SPD) bekräftigt, dass „das Angebot für Frauen in schwierigen Situationen wichtig ist“. Auch die FDP-Fraktion „bekennt sich nach wie vor dafür, dass diese Klinik in Stuttgart bleibt“, sagt Bernd Klingler, und auch Thomas Adler (Linke) bleibt dabei: „Wir rücken nicht von unserer Position ab.“

Daran, so Adler, werde auch die Demonstration nichts ändern, die für diesen Freitag vorm Rathaus geplant ist. Veranstalter der Kundgebung sind der Pforzheimer Kreis, dem christlich-fundamentale AfD-Mitglieder angehören, und der Landesverband der Christdemokraten für das Leben (CDL). Als Redner werden „Stadträte von Stuttgart“ genannt, „die sich gegen die Klinik aussprechen“. Der Plural scheint überzogen, einzig der AfD-Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner wird sich dort nämlich zu Wort melden. „Ich bin ja Gründungsmitglied des Pforzheimer Kreises und werde mich wie bisher äußern.“ Ob er dort Leute gegen Stapf aufwiegeln wolle? „Das muss ich ganz entschieden von mir weisen“, sagt er.

Die Veranstalter haben aber auch den Verteiler von Günter Annen für ihren Aufruf genutzt. Dessen Internetseiten strotzen vor Hetze, Diffamierungen und Bildern, die Schwangerschaftsabbrüche als Tötungsdelikte darstellen sollen. Doch damit könnte bald Schluss sein. Die Seite ist bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gemeldet worden. „Am 4. Dezember findet das nächste Indizierungsverfahren statt“, sagt die Leiterin der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding. Dann also entscheidet sich, ob die Seite verboten wird. Dasselbe könnte für eine weitere, neue Seite gelten: „Sie wurde an die Kommission für Jugendmedienschutz in Berlin geleitet, die darf auch ohne Anzeige von außen aktiv werden.“