Die Schule ist aus, das Leben wartet: Realschüler feiern im Bierzelt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hurra, Hurra, die Schule ist aus. Auf dem Wasen feierten am Mittwoch die Realschüler ihren Abschluss. Es ging größtenteils gesittet zu. Kein Wunder. Hatten etliche der Partygäste doch Mama und Papa ins Zelt mitgebracht.

Stuttgart - Seit gut zehn Jahren ist das Hofbräu-Zelt von Wirt Hans-Peter Grandl Treffpunkt für tausende Realschüler aus dem ganzen Land. Statt auf Grillplätzen wird der Abschluss im Bierzelt gefeiert. „Hier kommen alle hin“, sagt der 17-jährige Tim aus Horb, „das ist die Party des Jahres.“ Eine Pflichtveranstaltung also. Das gilt auch für Polizei , Sanitäter und Jugendamt. Vier Mitarbeiter des Jugendamts schauen nach dem Rechten und kümmern sich darum, dass die Jugendlichen alle wieder nach Hause kommen.

23 Jugendliche landeten beim DRK und Jugendamt

„Das ging relativ gediegen ab“, sagt Oliver Zimmermann vom Jugendamt, man habe weniger Fälle als in den Vorjahren.23 Jugendliche waren heftig betrunken, zwei davon mussten ins Olgäle. Alle Schulen hatte man angeschrieben, auch klar gemacht, dass wer vorgeglüht hat, nicht auf den Festplatz und ins Zelt kommt. Zimmermann: „Es hat seine Vorteile, dass hier zentral gefeiert wird, wo wir, die Polizei und die Sanitäter in der Nähe sind.“ Würde anderswo und irgendwo gefeiert, seien die Exzesse nicht weniger, aber die Aufsicht und die Hilfe ferner.

Dieses Argument trägt Festwirt Grandl seit Jahren vor, wenn ihm vorgehalten wird, er würde die Jugendlichen abfüllen. „Er kontrolliert rigide, es gibt keinen Schnaps“, sagt Zimmermann, „das funktioniert alles gut.“ Grandl selbst steht vor dem Zelt und achtet höchstpersönlich darauf, dass kein Betrunkener und keiner ohne Ausweis reinkommt.

Hofnarr Luigi gibt heute mal nicht den Einpeitscher, sondern den Aufpasser. „Ihr dürft nur mit Personalausweis, Führerschein oder Reisepass ins Zelt“ ruft er wieder und wieder ins Mikro. Als Rechenhilfe hängt ein Schild am Eingang: „16 Jahre sind alle, die am 3. Mai 2001 und früher geboren sind!“ Wer später geboren wurde, muss die Eltern mitbringen. „Bei 15-Jährigen müssen die Eltern mitkommen“, sagt Grandl, „und sie dürfen das Zelt nicht verlassen.“

15-Jährige müssen die Eltern mitbringen

Und so tobt im Mittelschiff die Party, stehen die Jugendlichen auf den Bänken. In den Logen an der Seite sitzen Mama und Papa, trinken Apfelsaft, essen ein Göckele und schauen zu. Wenn man so durchläuft, findet man, dass Grandls Urteil durchaus zutrifft. „Die jungen Leute sind gesitteter als wir Erwachsenen glauben“, hat er gesagt.

Ganz egal, woher ihre Großeltern und Eltern einst kamen, die jungen Leute tragen Dirndl und Karohemd und sind bei modernem deutschem Liedgut textsicher. „Wo war ich in der Nacht von Freitag auf Montag? War ich drei Tage wach, oder einfach im Koma? Und ich denk mir so eine Scheiße, ich bin splitternackt und pleite.“ Sie kennen ihren Peter Wackel auswendig. Das ist Teil ihrer Leitkultur. Zu der gehört auch Helene Fischer. Als DJ Thommy aus der Anlage „Atemlos“ dröhnen lässt, fliegt schier das Zeltdach weg. Die deutsche Kulturnation hat mehr Facetten als man gemeinhin denkt.

Anders als früher drängen nicht alle ins Zelt. „Saufen ist doof“ finden Mia und ihre Freundinnen. Sie fahren lieber Karussell. Nur halbstark oder doch ganz stark? Das wollten Schüler aus Gaildorf wissen. Sie testeten ihre Schlagkraft am Boxautomat und dreschen auf die Birne ein. Die Jungs plusterten sich auf, die Mädels stehen drumherum und kichern. Manches ändert sich eben nie.

Um 16.30 Uhr war Schluss

Um 16.30 Uhr ist Schluss im Zelt. Alle müssen raus. Schichtwechsel. Die Abiturienten kommen. Und Firmen wie Bosch, Daimler und das Wissenschaftsministerium haben reserviert. Ob es da gesitteter zugeht? Alter schützt vor Torheit nicht. Das zeigte ein Mann, der auf dem Wasen in einen Crêpes-Stand sprang und dabei den Spritzschutz aus Plexiglas zerstörte. Sein Motiv? Viele Klicks. Ein Freund filmte den Sprung und lud das Video im Internet hoch. So was nennt man wohl , einen an der Waffel haben.