Ein Falschparker wird abgeschleppt – doch auch da gibt es Regeln. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Abschleppen von Falschparkern auf Privatgelände ist ein großes Geschäft. Dabei gibt es aber auch Betrug und Erpressung, wie ein Gerichtsprozess zeigt.

Stuttgart - Das Warnsignal für zweifelhafte Abschleppfirmen ist eindeutig: Wer mit vorgetäuschtem Auftrag Falschparker von privaten Stellplätzen an den Haken nimmt und danach abkassiert, dem droht Gefängnis wegen Betrugs und Erpressung. Ein 32-jähriger Geschäftsführer einer Abschleppfirma mit Sitz im Gewerbegebiet Fasanenhof ist am Mittwoch vom Amtsgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Die wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil er sich letztlich zu einem Geständnis durchrang und den Opfern den Schaden zurückzahlen will. Es geht um etwa 14 000 Euro.

Was Amtsrichterin Sandra Löhner am Mittwoch zu verhandeln hatte, ist offenbar die Spitze eines Eisbergs. Noch immer ist die Polizei mit dem Aufarbeiten der Fälle beschäftigt. Mehr als 640 Geschädigte soll es gegeben haben. Deren Autos wurden zwischen 2017 und 2018 unter anderem vom früheren Opel-Staiger-Gelände im Nordbahnhofviertel und der S-21-Baustelle im Bereich Wolfram- und Londoner Straße abgeschleppt und zum Fasanenhof gebracht. Die Betroffenen mussten ihre Autos dann jeweils mit 250 bis 285 Euro auslösen.

Die angeblichen Auftraggeber wissen von nichts

Am Mittwoch ging es um 59 Fälle. Der 32-jährige Geschäftsführer soll seine Fahrer losgeschickt haben – „obwohl ihm bewusst war, dass er gar keinen Auftrag dazu hatte“, so der Staatsanwalt. Angeblich hatten eine Nürtinger Baufirma und die Bahn AG die Abschlepp-Sheriffs ermächtigt, die Fremdparker von ihrem Gelände zu entfernen. Doch unsere Zeitung deckte im Januar 2018 auf: Die angeblichen Auftraggeber hatten keine Ahnung. Da wolle sich ein Abschlepper wohl unter falscher Flagge eine goldene Nase verdienen, hieß es auf Anfrage.

Der 32-Jährige versucht vor Gericht die Vorwürfe zu entkräften. „Wir hatten von diesen Firmen unterschriebene Abtretungserklärungen“, sagt er. Das Dumme ist nur: In den Geschäftsunterlagen sind sie bei einer Razzia im Februar 2018 nicht zu finden, es gibt nur zwei eingescannte Dokumente auf seinem Rechner. Die Richterin macht klar, dass diese sehr zweifelhaft seien: Kein Firmenstempel, die Unterschrift ist unleserlich, und der 32-Jährige kann keinen Namen oder Ansprechpartner nennen.

„Den BMW als Lockvogel lassen“

Auch die Bahn AG bestreitet einen Auftrag – und der ist, wie vor Gericht verlesen wird, überdies fehlerhaft: Die aufgeführte Abteilung gibt es gar nicht, sie gehört vielmehr zu den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB). Ob hier womöglich Urkundenfälschung vorliegt, wird vor Gericht nicht thematisiert. Der 32-Jährige erklärt stattdessen, dass das „damals viel zu lasch gehandhabt“ worden und „das Thema nicht sauber strukturiert“ gewesen sei.

Die Chats seiner Fahrer klingen weniger lasch: „Den BMW als Lockvogel lassen, da fahren noch welche rein“, texten sie sich über Smartphone zu. Oder: „Der Chef sagt, wir sollen es nicht übertreiben.“

Bonus hinter den Kulissen

Dem 32-Jährigen droht der Gang ins Gefängnis – seine Anwälte verhindern aber mit einem Verständigungsgespräch mit Richterin, Schöffen und Staatsanwalt hinter den Kulissen das Schlimmste. Für Geständnis und Schadensregulierung gibt es ein Jahr und zehn Monate Haft – das lässt sich noch zur Bewährung aussetzen.

Der 32-Jährige hat letzte Woche seinen Geschäftsführerposten geräumt. Um weiteren Schaden abzuwenden, sagt er. Man sei von der Liste der zentralen Auftragsvergabe für Polizeiaufträge gestrichen worden. Bei sechs Millionen Jahresumsatz machten Falschparker mit 789 000 Euro nur einen kleinen Teil aus. Sein Anwalt sieht ihn als Opfer einer „Hetzjagd“.