Reicht das Bürgergeld aus? Foto: dpa/Monika Skolimowska

Am 1. Januar 2023 hat das Bürgergeld die bisherigen Hartz-IV-Leistungen abgelöst. Der Regelsatz beträgt seitdem 502 Euro im Monat. Sozialverbände kritisierten: Bereits jetzt zeige sich, dass das Geld nicht ausreiche.

Zum 1. Januar 2023 hat das Bürgergeld Hartz IV abgelöst – Sozialverbände ziehen bereits jetzt eine ernüchternde Bilanz. „Zwei Monate nach der Einführung des Bürgergeldes hat sich die Lage der Leistungsberechtigten kaum verbessert“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, dieser Zeitung. „502 Euro im Monat reichen schlicht nicht aus, um die steigenden Lebensmittel- und Energiekosten zu decken.“ Er forderte eine Erhöhung des Bürgergeldes: „Wir halten mindestens 700 Euro im Monat für notwendig, wenn Armut bekämpft werden soll.“

Hohe Stromkosten

In Zeiten von Inflation und Energie-Krise könne der Regelsatz die gestiegenen Kosten nicht abfangen, sagte auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, dieser Zeitung. „In den Berechnungen ist beispielsweise viel zu wenig Geld für Strom vorgesehen“, kritisierte sie. Sie drang auf eine sofortige Übernahme der Stromkosten durch Jobcenter und Sozialämter: „Die extremen Preissteigerungen beim Strom können Bürgergeld- und Grundsicherungsempfänger nicht mehr mit ihrem Regelsatz abfangen.“ Der Verband plädiert für eine Neuberechnung und Erhöhung des Regelsatzes: „Weil vieles, was zum Leben und zur Teilhabe notwendig ist, kleingerechnet wurde“, sagte Bentele. So sei eine gesunde Ernährung mit dem Regelsatz „schier unmöglich“.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Inflationsrate in Deutschland im Monat Februar 2023 bei 8,7 Prozent. Gemessen wird die Inflationsrate an der Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) im Vergleich zum Vorjahresmonat. Laut des Statistischen Bundesamtes misst der VPI „monatlich die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen“. Die Inflationsrate mache sich im Februar an den gestiegenen Preisen für Nahrungsmittel bemerkbar, diese hätten sich noch stärker erhöht als die Energiepreise, erklärte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand.

Die hohe Inflationsrate bewirke, dass „die soziale Schere bei der Belastung durch die Teuerung erneut weit geöffnet ist“, analysiert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Mittels des IMK-Inflationsmonitors werden die Teuerungsraten für unterschiedliche Haushaltstypen berechnet. Das Institut kommt zu dem Ergebnis, dass Familien und Alleinstehende mit niedrigem Einkommen mit jeweils zehn Prozent Teuerung am meisten von der Inflation betroffen sind. Hingegen tragen Alleinlebende mit sehr hohem Einkommen „mit 7,4 Prozent die mit Abstand niedrigste Inflationsbelastung“, heißt es weiter.

Funktioniert die bessere Förderung?

Wie wird sich die Zahl der Bürgergeld-Bezieher in den kommenden Monaten entwickeln? „Inwiefern durch lange Bearbeitungszeiten beim Wohngeld oder hohe Energiepreise mehr Menschen in die Jobcenter kommen, können wir aktuell nicht seriös abschätzen“, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage. „Im Moment sehen wir noch keinen großen Zulauf.“ Die Einführung des Bürgergelds habe reibungslos funktioniert. Die Arbeitslast sei aber in den Jobcentern aktuell sehr hoch. Das liege daran, dass die Behörde seit Sommer „über 600000 ukrainische Geflüchtete in die Grundsicherung aufgenommen“ hat.

Mit der Einführung des Bürgergelds habe sich für Betroffene nicht viel im Alltag verändert, so die Sozialverbände. „Ein grundlegender Bruch mit Hartz IV ist nicht vollzogen worden“, sagt Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband. Schließlich blieben Sanktionen für die Leistungsberechtigten weiter möglich. „Und: Neue Instrumente zur besseren Förderung der Betroffenen treten erst ab Juli in Kraft.“ Es bleibe abzuwarten, in welchem Umfang diese dann auch eingesetzt würden.