Es ist ein Niedergang auf Raten. Einst hatte Leitz gut 3000 Mitarbeiter, nun sind es noch 500. Jetzt wurde die Produktionsstätte für die berühmten Ordner in Stuttgart geschlossen.

Stuttgart - Von außen wirkt das Firmengebäude des Büroartikelherstellers Leitz in der Feuerbacher Siemensstraße fast wie eine Ruine. Gitter unten, „Dieser Wareneingang ist ab sofort geschlossen“, steht da. Kaum ein Auto ist auf dem Mitarbeiterparkplatz auszumachen. Endlich zwei Seelen. Leitz-Mitarbeiter sind es aber keine, die die Siemensstraße kreuzen. „Wir arbeiten für einen Technologiekonzern“, sagt einer. Auf dem Leitz-Gelände tue sich kaum was.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die Firma die Produktion ihrer Ordner von Weltruf in Stuttgart bereits seit Juli eingestellt. 55 Stellen wurden gestrichen. Viele hat das den Job gekostet, einige kamen in anderen Bereichen des Unternehmens unter. Genaue zahlen will das Unternehmen nicht nennen. Nur die Verwaltung ist am Standort geblieben. Produziert wird jetzt in Niedersachsen, Polen und Tschechien. In Stuttgart verbleiben 150 Mitarbeiter.

Die Verkleinerung des Standorts hat sich 2014 angedeutet

Wenigstens eine kleine Frauengruppe, die bei Leitz arbeitet, ist dann doch an einem Imbiss unweit des Unternehmenssitzes anzutreffen. Namentlich genannt werden will keine. Über das Betriebsklima wird nur auf mehrfaches Nachfragen gesprochen: „Naja, das war schon ein paar Monate vorher bekannt. Trotzdem kam es überraschend“, sagt eine der jungen Damen. „Hoffentlich geht es uns nicht irgendwann genauso“, ergänzt eine andere. Ganz im Reinen scheint man also mit dem Arbeitgeber nicht zu sein.

Und dieser ist schon seit 1998 nicht mehr das Familienunternehmen Leitz, sondern die Esselte-Gruppe – ein schwedischer Büroartikelhersteller. Vor der Übernahme hatte die Firma Leitz noch 2500 Mitarbeiter – heute sind es 532. Im Jahr 2002 wurde Esselte von der US-amerikanischen Investmentgesellschaft J. W. Childs übernommen.

Also ist die Verlegung der Produktion nur ein konsequenter Schritt der neuen Firmenpolitik? „Aufgrund des internationalen Wettbewerbs und des Kostendrucks werden bereits viele Büroartikel, die von Esselte vermarktet werden, in anderen europäischen Ländern sowie in Fernost produziert, wo die Produktionskosten erheblich niedriger sind“, heißt es in einer Presseerklärung von Leitz.

Dass Leitz den Standort zumindest verkleinern will, hat sich schon im Mai des Jahres 2014 angedeutet. Das Areal in der Siemensstraße war an die 1A Immobilien AG mit Sitz in Leonberg verkauft worden, 27 000 der 43 000 Quadratmeter hatte Leitz anschließend zurückgemietet. Welche Flächen das Unternehmen nach der Aufgabe der Produktionsstätte überhaupt noch braucht, was mit den Hallen geschieht, ist derzeit nicht klar.

Konzentration auf ein Werk

Der Leitz-Ordner sei unbestritten ein Spitzenprodukt, finden viele Anwohner aus Feuerbach, die stolz waren, dass der Leitz-Ordner in ihrem Stadtteil hergestellt wurde, schwäbische Qualitätsarbeit hochhielt. Auch der Esselte-Geschäftsführer Ard-Jen Spijkervet stellt die Qualität des Produkts nicht in Frage, entscheidend für den Schritt seien die hohen Produktionskosten gewesen.„Für viele Konsumprodukte sind die Produktionskosten in Deutschland im internationalen Wettbewerb extrem hoch“, sagt er. Damit meint er vor allem Konkurrenten aus Fernost.

Schon in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen die Produktion folgerichtig stärker ins Ausland verlagert. Trotzdem will Geschäftsführer Spijkervet die Produktion der Marke Leitz-Ordner in Deutschland nicht ganz aufgeben: „Durch die Konzentration auf ein Produktionswerk können wir die Herstellung hochwertiger Leitz-Produkte weiter sicherstellen.“ Doch fiel die Wahl nicht auf den Stammsitz in Feuerbach. Sondern auf Uelzen in Niedersachsen.