Zukunft Foto: AFP/Daniel Roland

Bei seiner letzten Pressekonferenz als Chef der Europäischen Zentralbank wirkt der Italiener geradezu entspannt. Für seine Kritiker hat er eine Botschaft auf Deutsch.

Frankfurt - Die Pickelhaube will EZB-Chef Mario Draghi behalten. „Geschenkt ist geschenkt“, antwortete der Italiener am Donnerstag in deutscher Sprache auf die Forderung der „Bild“-Zeitung, den 2012 von der Redaktion an Draghi überreichten Helm zurückzugeben. Nach einer Botschaft an seine vielen Kritiker in Deutschland gefragt, sagte der 72-Jährige: „Letztlich sagt die Realität mehr als jede Stimme.“ Und die Realität sieht für ihn so aus: „Der Euro war noch nie so beliebt wie heute.“ Draghi verwies außerdem auf die wirtschaftliche Erholung der Eurozone nach den Krisenjahren 2011 und 2012 sowie auf den Anstieg der Beschäftigung.

Dass der EZB-Rat unter seiner Führung das eigene Inflationsziel verfehlt hat, erklärt Draghi mit äußeren Umständen. Vor zwei Jahren sei man zuversichtlich gewesen, das Ziel zu erreichen und 2018 aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen zu können. „Aber dann haben sich die Umstände geändert“, sagte der Notenbankchef mit Blick auf den Handelsstreit und die folgende Konjunkturabkühlung. Entscheidend sei, dass der EZB-Rat das Ziel einer Inflationsrate unter, aber nahe zwei Prozent stets mit allen Mitteln verfolgt habe. „Unser Vermächtnis lautet: Niemals aufgeben!“

Zuletzt lag die Inflationsrate im Euroraum nur noch bei 0,8 Prozent. Für Verbraucher ist das erfreulich, das Inflationsziel der EZB daher schwer vermittelbar. Die Vorgabe, die Teuerungsrate im mittelfristigen Schnitt bei knapp zwei Prozent zu halten, wurde allerdings schon 2003 getroffen – noch unter dem deutschen EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing.

Kritik an Anleihekäufen lässt Draghi kalt

Dass Bundesbankchef Jens Weidmann sich gegen die jüngsten EZB-Beschlüsse gewandt hat, liegt nicht am Inflationsziel, sondern an den umstrittenen Instrumenten der EZB. Sie will ab November wieder Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von 20 Milliarden Euro monatlich kaufen. Weidmann kritisierte im September bei einem Auftritt in Stuttgart, dass durch den mit den Käufen bewirkten Zinsrückgang „Anreize zum soliden Haushalten schwinden“.

Draghi zeigte sich von der Kritik unbeeindruckt, obwohl neben Weidmann auch die Notenbankchefs Österreichs, Frankreichs und der Niederlande öffentlich protestiert haben. Er bemühte sich, den Eindruck einer tiefen Spaltung des EZB-Rats zu zerstreuen: Bei dessen Sitzung am Donnerstag, der letzten unter seiner Führung, hätten gleich zwei Kritiker zur Einigkeit aufgerufen, sagte der Italiener.

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnte am Donnerstag erneut vor den Nebenwirkungen der niedrigen Zinsen: „Sie bringen Risiken mit sich, dass sich Spekulationsblasen bilden. Die EZB versucht, mit der Brechstange die Inflationsrate anzuheben.“ Draghi sagte zu diesem Thema: „Wo wir Blasen sehen, sind sie auf lokale Märkte begrenzt.“ Die Finanzaufsichtsbehörden der einzelnen EU-Staaten müssten darauf mit nationalen Instrumenten reagieren.

Die Welt des Geldes steht Kopf

Der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, Andreas Bley, erklärte: „Der scheidende EZB-Präsident wird als ‚Minuszins-Draghi’ in die Geschichtsbücher eingehen, der die Welt des Geldes auf den Kopf gestellt hat.“ Gleichzeitig würdigte Bley aber Draghis Beitrag zur Entschärfung der Euro-Schuldenkrise im Jahr 2012. Mit nur zwei Sätzen gelang es Draghi damals, den Spekulationen über einen Zerfall der Währungsunion ein Ende zu setzen: „Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir: es wird reichen.“

Der Verband öffentlicher Banken (VÖB) rief Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde zu einem Kurswechsel auf: „Steigende Immobilien- und Mietpreise, drohende Einbußen bei der Altersversorgung, Hindernisse beim Vermögensaufbau und die prekäre Ertragslage der Banken und Sparkassen zeigen die Sprengkraft, die Minuszinsen und massive Liquiditätsschwemmen auf Dauer in sich bergen“, kritisierte VÖB-Hauptgeschäftsführerin Iris Bethge-Krauß. Sie hoffe, dass Lagarde „den Mut besitzt, die notwendige Zinswende einzuleiten“.

Bis die Zinsen wieder steigen, dürften angesichts der gegenwärtigen Konjunkturschwäche aber noch Jahre vergehen. Die EZB bekräftigte am Donnerstag, sie werde ihre Leitzinsen auf dem aktuellen Niveau halten oder weiter senken, bis sie sich ihrem Inflationsziel annähere. Bis 2021 erwartet die Notenbank nur einen Anstieg auf 1,5 Prozent. Damit sei die lockere Geldpolitik vorerst „zementiert“, sagte Draghi. Zu seiner eigenen Zukunft hielt er sich bedeckt: „Fragen Sie meine Frau. Sie wird wissen, was zu tun ist.“