Nach der Insolvenz beim IBM-Neubau in Ehningen gerieten die Umzugspläne des Labors auf dem Rauhen Kapf ins Stocken. Jetzt werden trotzdem Kartons gepackt, allerdings geht es erst mal in ein Interimsquartier.
Nun ist es amtlich: Die Tage des IBM-Labors in Böblingen sind endgültig gezählt. Der US-Konzern wird den Forschungsstandort auf dem Rauhen Kapf mit rund 1200 Mitarbeitern bis zum Ende des ersten Quartals 2024 räumen. Dieser soll bekanntlich nach Ehningen umsiedeln in den neuen Technology Campus, auf dem die IBM die Forschungsabteilung mit der Hauptverwaltung zusammenzieht. Doch im September dieses Jahres meldete der Bauträger des Campus Insolvenz an, die Baustelle ruht seitdem und die Umzugspläne gerieten ins Stocken. Nun kommen sie wieder in Bewegung, allerdings anders als geplant.
Die Böblinger Forscher erhalten Obdach in Ehningen, nämlich den IBM-Bestandsgebäuden Nummer zwei und drei. Die beiden sternförmigen Bürokomplexe an der Hildrizhauser Straße stehen seit einiger Zeit leer. Offenbar bieten sie dem Labor aber genug Platz, um dort unterzukommen, bis sich die Lage bei dem insolventen Bauträger sortiert und der Neubau fertiggestellt werden kann. Sie befinden sich im Eigentum der Ozean Group, von der der US-Konzern sie bis auf Weiteres gemietet hat.
Die Ozean Group plant, alle bis auf ein Bestandsgebäude abzureißen und auf dem Areal die Quantum Gardens zu errichten, einen innovativen Wohn-Tech-Campus, den der Investor gemeinsam mit der Gemeinde und dem Fraunhofer-Institut konzipiert hat. Diese Pläne schmecken manchen in der Gemeinde nicht, es besteht die Angst vor einer Trabantenstadt. Deshalb sammelte eine Gruppe um CDU-Gemeinderat Rainer Klein 1281 Unterschriften für ein Bürgerbegehren, über das der Gemeinderat am Mittwoch berät. Am Dienstagabend aber stand dort ein Besuch von zwei IBM-Vertretern auf der Tagesordnung, die erstmals über die Umzugspläne informierten.
Kapuzenpulli statt Krawatte
Die Auftritte von Abgesandten der IBM im Gremium seien ja äußerst rar, sagte Bürgermeister Lukas Rosengrün (SPD) und freute sich über den Besuch. Zu Gast waren der Leiter des Labors auf dem Rauhen Kapf in Böblingen, David Faller, sowie Daniel Unkelhäußer, Standortleiter der IBM-Deutschland-Zentrale in Ehningen. Zwei High-Tech-Schwergewichte, die sich sehr nahbar gaben. „Mit Anzug und Krawatte haben wir es nicht so“, sagte Daniel Unkelhäußer, der wie sein Kollege im Kapuzenpulli auftrat.
Für Labor-Chef David Faller und sein Böblinger Team sei die Insolvenz des Bauträgers in Ehningen eine „emotional schwierige Situation“ gewesen, sagt er. Der Umzug mit 1200 Mitarbeitern war schon fix geplant, mit allen vorgelagerten Prozessen. Faller: „Wir reden da über nicht gerade wenig.“ Böblingen sei mit Abstand der größte Forschungsstandort der IBM im deutschsprachigen Europa. Die dortigen Gebäude gehen zurück auf das Jahr 1958, „das ist mit viel Historie und Tradition verbunden“, sagt Faller, der selbst als Software-Entwickler dort anfing.
Logistische Herausforderung
Die Labor-Gebäude auf dem Rauhen Kapf gehören längst nicht mehr der IBM selbst. Bereits im Jahr 2016 veräußerte der vorige Eigentümer das gesamte Areal an die Greenpark Böblingen GmbH, an der der ehemalige Böblinger Norbert Ketterer maßgeblich beteiligt ist. Bisher lebt die IBM dort zur Miete, verlängerte den Mietvertrag nach der Bauträger-Insolvenz in Ehningen aber nicht, sondern räumt jetzt das Feld. Was freilich eine logistische Herausforderung darstellt.
Die beiden Interimsgebäude in Ehningen wurden wohl auch zu Energiespar-Zwecken nicht mehr genutzt, waren aber zugänglich, sagt Daniel Unkelhäußer. Jetzt zieht wieder Leben ein, was ganz praktische Probleme mit sich bringt. So muss zum Beispiel die Catering-Firma im Betriebsrestaurant bald mit rund 1000 Mittagessen mehr planen. Denn die IBM-Entwickler neigten eher nicht zur Arbeit im Home Office, sagt David Faller. Die Bausubstanz des Interimsquartiers sei indes gut, jetzt gehe es darum, Handwerker zu finden, um die Büros herzurichten. Außerdem solle das Firmenschild dringend repariert werden, das im August durch einen Autounfall zerstört wurde.
IBM plant für mindestens ein Jahr
Im Gemeinderat kam die Frage auf, für wie lange die Interimslösung Bestand haben könnte? David Faller sagte, dies hänge von der Entwicklung auf dem Tech Campus ab, auf die man keinen Einfluss habe. Man wolle alles dazu beitragen, dass es dort schnell weitergehe. „Wir rechnen aber durchaus damit, länger als ein Jahr im Interim zu sein“, sagte er. Gemeinderätin Uta Stachon (Freie Wähler) wollte außerdem wissen, wie die beiden IBMer zur Diskussion um die Quantum Gardens stehen.
Standortleiter Daniel Unkelhäußer, selbst seit 13 Jahren Ehninger, sieht in der Konversion des Areals „eine Riesen Chance“ für ein attraktives Wohn- und Arbeitsumfeld für talentierte Fachkräfte. „Es ist sehr deutsch, erst mal daran zu denken, was alles schief gehen kann. In der amerikanischen Denke ist hingegen immer alles super. Ich denke, irgendwo dazwischen ist die richtige Lösung“, sagt er. Der Gemeinderat sollte bereits einen Tag später wieder zusammenkommen, um über das Bürgerbegehren zu Quantum Gardens zu beraten.