Christian Gentner war stets ein tadelloser Profi, aber zuletzt ging ihm auch seine fußballerische Autorität verloren. In der abgelaufenen Saison entglitt ihm die Mannschaft – das Team fand nicht zueinander und brach auseinander. Aber es ist wohl kein Abschied für immer.
Stuttgart - In seiner Funktion als Spieler des VfB Stuttgart hat sich Christian Gentner letztmals am Dienstag vor einer Woche die Ehre gegeben. Es wurde allerdings ein Abschied in Moll. Denn die Stimmung war auf dem absoluten Tiefpunkt an der Mercedesstraße, als sich sämtliche Spieler am Tag nach dem Abstieg durch das 0:0 im Relegations-Rückspiel bei Union Berlin auf der Terrasse des Clubrestaurants versammelten. Immerhin ging die Bewirtung auf die Rechnung von Benjamin Pavard, der sich vor seinem Wechsel zum FC Bayern von den Kollegen verabschiedete.
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Christian Gentner wird es zu diesem Zeitpunkt seinerseits schon mehr als gedämmert haben, dass auch seine Zeit beim VfB bald abgelaufen ist. Was in dieser Woche sukzessive durchsickerte, ist nach einer womöglich vermeidbaren Hängepartie nun Gewissheit: Nach zwölf Profi-Spielzeiten im Trikot mit dem Brustring wurde das Ende der Ära des Spielführers, der bereits in der Jugend für die Stuttgarter kickte, an diesem Freitag vom Verein auch offiziell bestätigt: Der zum 30. Juni auslaufende Vertrag Gentners wird nicht verlängert.
Gentner wäre gerne geblieben
Der Stuttgarter Kapitän, der gerne noch ein, zwei Jahre am Wasen drangehängt hätte, muss also von Bord gehen. Dies hat ihm der Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, mit dem Gentner 2007 gemeinsam als Spieler die deutsche Meisterschaft errang, in einem Gespräch mitgeteilt. Wie es in der Karriere des 33-Jährigen nun weitergeht, ist unklar: Gentner möchte gerne weiter in der Bundesliga spielen. Ein Wechsel ins Ausland, heißt es aus seinem Umfeld, stehe auf der Prioritätenliste dagegen nicht ganz oben. Über seinen Abgang beim VfB will der Ur-Schwabe jetzt aber nicht sprechen. Vermutlich, weil er sich ein anderes Ende gewünscht hätte.
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Während Gentner wortlos mit der Familie in den Urlaub flog, erklärte Thomas Hitzlsperger: „Gente ist nicht nur ein hervorragender Spieler, er hat sich darüber hinaus immer total mit dem VfB identifiziert und den Verein vorbildlich repräsentiert.“ Zudem könne sich der Club sehr gut vorstellen, Gentner nach seiner aktiven Karriere beim VfB einzubinden. „Wir haben ihm verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt.“
Ein Diplomat in Kickstiefeln
Mit Gentner verliert der VfB seinen langjährigen Kapitän, einen etablierten und allseits geachteten Leitwolf, der angesichts der vielen Krisen in den letzten Jahren im Zeichen des Brustrings immer mehr zum Diplomaten in Kickstiefeln avancieren musste. Während andere Routiniers – etwa Mario Gomez oder Holger Badstuber – in der abgelaufenen Saison mehr mit sich selbst beschäftigt waren, behielt Gentner, ganz Kapitän, stets auch das große Ganze im Blick. Also war er nach den Spielen stets der erste Ansprechpartner der Journalisten in der Mixed-Zone in dem Bemühen, eine Saison des Niedergangs zu moderieren, in der vieles gar nicht mehr erklärbar war.
Intern haute der 33-Jährige auch mal auf den Tisch. So ist von Gentner überliefert, dass er große Probleme bei der teaminternen Kommunikation sah. Viele der mit ausländischen Wurzeln dazu gekauften jungen Spielern, das erklärte der gebürtige Nürtinger hinter verschlossenen Türen, würden ihn gar nicht verstehen, weil sie des Deutschen nicht ausreichend mächtig sind. Zudem fehle es einigen an der richtigen Einstellung.
„Einige Dinge gehen mir hier auf den Sack“
Dabei begann in dieser Saison aber auch die fußballerische Autorität Gentners spürbar zu sinken. So rückte der Familienvater, der in dieser Runde den Tod seines Vaters Herbert im Vip-Bereich des Stadions nach der Partie gegen Hertha BSC betrauern musste, während der Rückrunde temporär in die zweite Reihe. Der letztlich entlassene Trainer Markus Weinzierl verbannte Gentner erstmals Mitte Februar im Heimspiel gegen RB Leipzig aus der Startelf. Das gesunde Club-Urgestein auf der Bank, das zwischen 2007 und 2010 für den VfL Wolfsburg spielte und mit den Wölfen 2009 deutscher Meister wurde, das hatte es beim VfB zuvor seit acht Jahren nicht mehr gegeben.
Nicht nur deshalb hatte Gentner zuletzt auch mal einen dicken Hals – und rückte im Finale der Abstiegssaison im Gespräch mit den Reportern kurz von der Grundhaltung ab, wonach eigentlich stets das Wohl des Vereins im Vordergrund zu stehen habe. „Einige Dinge gehen mir hier auf den Sack“, klagte der Spielführer – und meinte damit neben seinem sich da bereits abzeichnenden persönlichen Schicksal auch die Zustände im Verein.
Er ist eine VfB-Legende
An den Misstönen hat es allerdings nicht gelegen, dass man dem Mittelfeldspieler, der über die Erfahrung von 502 Profispielen, darunter 373 im VfB-Trikot (50 Tore) verfügt, letztlich keinen neuen Vertrag mehr gegeben hat. Gentner selbst sieht sich trotz 15 Jahren als Bundesligaprofi noch immer fit genug, um auch künftig in der ersten Liga sportlich mithalten zu können. Gerne wäre er mit dem VfB aber auch wie bereits 2016 in die Zweitklassigkeit hinabgestiegen. Zum einen, weil er mit seiner Frau Verena und den beiden Kindern so tief im Schwäbischen verwurzelt ist.
Doch Hitzlsperger und Kaderplaner Sven Mislintat haben dies im Verbund mit dem Präsidenten Wolfgang Dietrich anders bewertet – wofür es gute Gründe gibt. Schließlich war es längst fraglich, ob von Gentner auf dem Spielfeld noch die richtigen Impulse kommen. Zweimal ist er mit dem VfB abgestiegen. Nun ist die Ära von „legente20“, so Gentners Name in den sozialen Netzwerken, als Spieler am Wasen vorbei. Weil er sich aber durch seine Verdienste zu den Legenden des Clubs zählen darf, wird man von Christian Gentner beim VfB bestimmt noch hören.