Christoph Kommerell vor seiner bisherigen Praxis. Im Container nehmen seine Nachfolger Abstriche für Corona-Tests. Foto: Stoppel

35 Jahre hat Christoph Kommerell sich um die Patienten seiner Hausarztpraxis in Waiblingen gekümmert. Nun ist er wie geplant in Rente gegangen – trotz Corona. Er weiß, dass seine zwei Nachfolger gut eingearbeitet sind.

Waiblingen - „Meine Jungs machen das schon“, sagt Christoph Kommerell und klingt zufrieden. Die Jungs, das sind Christian Brodbeck und Christoph Scharpf. Die beiden Allgemeinmediziner kennen sich seit ihrer Schulzeit und haben nun, mitten in der Corona-Zeit, die Praxis übernommen, die Christoph Kommerell vor 35 Jahren in der Waiblinger Ortschaft Hegnach gegründet und seither betreut hat. In den vergangenen anderthalb Jahren, seit Herbst 2018, arbeitet das Trio bereits gemeinsam in der Hausarztpraxis. „Ich habe die beiden bis zum 31. März 2020 angestellt“, erzählt Christoph Kommerell, der seit langem geplant hat, mit 68 Jahren in Rente zu gehen.

Deshalb hatte er vor geraumer Zeit eine Annonce geschaltet, auf die sich prompt die Nachfolger meldeten. „Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, menschlich hat es gepasst“, berichtet Christoph Kommerell. Bei seiner Suche konnte er unter anderem mit neuen, behindertengerechten Praxisräumen punkten. In die war er vor rund fünf Jahren mit seinem Team umgezogen. Auf die Idee, seine Praxis aus den Räumen in der Hauptstraße ein kleines Stück weiter in einen Neubau beim Rathaus zu verlegen, sei seine langjährige Vermieterin, die Schorndorfer Palmstiftung, gekommen, berichtet Christoph Kommerell, der sich nach reiflicher Überlegung auf den Umzug einließ. Seine Nachfolger profitieren nun davon, dass sie in einer Praxis arbeiten, die auf dem modernsten Stand ist. Auch die gemeinsamen anderthalb Jahre hätten sich als gute Sache erwiesen, sagt Christoph Kommerell: „Das hat uns Zeit gegeben, etliche bürokratische Hürden zu meistern.“ Anfang April ist er daher wie geplant ausgestiegen. Nein, schwer gefallen sei ihm das nicht, beteuert der Mediziner, auch wenn er seinen Beruf sehr gerne und mit vollem Einsatz ausgeübt hat. Aber auch mit der Überzeugung, dass „der Beruf nur ein Teil des Lebens sein darf“.

Start mit „Null Patienten“

Christoph Kommerells Laufbahn als Hausarzt in Hegnach hat im Juni 1985 begonnen. Gerade einmal 33 Jahre war er da alt. „Ich habe mit Null Patienten angefangen“, sagt der 68-Jährige – im Ort gab es zu dieser Zeit noch eine Praxis. Anfangs kümmerte sich Kommerell auch um Säuglinge, was dazu führte, dass er die meisten seiner Patienten, die heute in den Dreißigern sind, schon ewig kennt und duzt: „Die wären sonst beleidigt.“

Wenn Christoph Kommerell von seinen Vorfahren erzählt, erstaunt seine Berufswahl kaum: Sein Urgroßvater war Arzt im Remstal, und als solcher „mit einem Pferdekütschle unterwegs“. Der Opa war ebenfalls Mediziner und als Amtsarzt und Theaterdoktor in Stuttgart tätig. Auch die Großmutter arbeitete als Ärztin: „Sie war eine der ersten Medizinstudentinnen in Deutschland.“ Die Kinder von Christoph und Ursula Kommerell haben sich für Architektur und Design entschieden, zwei Bereiche, die ihre Eltern ebenfalls interessieren – neben Kunst, Musik, Theater und Sport. „Wir genießen, dass wir in der Umgebung Stuttgarts leben, denn wir brauchen Kultur“, sagt Christoph Kommerell. Dafür wird nun mehr Zeit sein als in den vergangenen Jahren, in denen nicht selten erst um 22 Uhr Feierabend war. Während sich Ursula Kommerell ums Praxismanagement gekümmert hat, war ihr Mann damit beschäftigt, Diagnosen zu stellen.

Der Hausarzt als Detektiv

Ein gutes Stück Detektivarbeit sei das, sagt Christoph Kommerell, „und ein Bauchgefühl müssen Sie immer haben als Hausarzt.“ Sein Anspruch war, Patienten mit möglichst wenig Fachbegriffen zu erklären, woran sie leiden und wieso sie ein Medikament brauchen. Der Allgemeinarzt ist froh, dass sich in den vergangenen Jahren einiges geändert hat, dass Hausärzte auch dank der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) nicht mehr als „Zweite-Klasse-Ärzte“ gesehen würden und mit weniger Bürokratie zu kämpfen haben. „Hausärzte sind aufgewertet worden und das war wichtig. Gerade jetzt in der Corona-Krise sind sie mit an vorderster Front und entscheiden.“

Die Corona-Krise schätzt der Mediziner als die wohl schwierigste Phase in seiner Arztkarriere ein. Mit seinen Nachfolgern hat er begonnen, Infektionssprechstunden abzuhalten. Dazu steht vor der Praxis ein kleiner Container. „Den hat die Gemeinde unbürokratisch und schnell genehmigt“, lobt der Arzt.

Patienten, die vermuten, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, rufen in der Praxis an, erhalten eine Nummer und können dann vorfahren und im Auto warten. Zur Infektionssprechstunde kommt ein Arzt vor die Praxis, hält die jeweilige Patientennummer hoch und nimmt im Container den Abstrich vor. Die Testergebnisse liegen nach wenigen Tagen vor. „Die meisten, die wir testen, sind positiv“, sagt Kommerell. Etwas Geduld sei daher nötig: „Wir müssen noch drei bis vier Wochen durchhalten.“