Die Kleine Tierschau: Michael Schulig (li.) und Michael Gaedt Foto: Jan Reich

Seit 35 Jahren gibt es die Kleine Tierschau. Doch an diesem Wochenende gibt es definitiv die letzten Vorstellungen von Michael Gaedt und Michael Schulig im Theaterhaus. Alle Vorstellungen sind ausverkauft.

Stuttgart – Aufhören soll man ja dann, wenn es am schönsten ist. Die heikle Frage war schon immer: Wann ist das? Könnte es nicht noch schöner werden? Die Kleine Tierschau hörte schon einmal auf, 2009. Michael Gaedt und Michael Schulig zankten sich gerichtlich mit Ernst Mantel; aus dem wilden Trio wurde ein Duo, das erst einmal nicht unter seinem alten Namen auftreten durfte. Das ist vorbei, der Streit ist beigelegt, Gaedt und Schulig sind noch zu zweit, und schön war es eigentlich immer.

Dass Schwaben für Blödsinn nicht zu haben sind, wurde von der Tierschau gründlich widerlegt. Man wird sie missen: Michael Gaedts schnaufende, süffisante, wunderbar schleimige, grollende, grinsende, manchmal allzu überzeugend psychopathische Moderation, sein eigentümliches Gelächter; Michael Schuligs ergeben tollpatschige Bereitschaft, auch den allerdämlichsten Einfall auszuagieren.

Seehund auf Skateboard

Noch einmal also darf die Sinnferne hohe Wellen schlagen – und Schulig kriecht als oinkender Seehund Robbie auf dem Skateboard über die Bühne, entsteigt mit strenger Heldenmiene der Trommel einer Betonmischmaschine. Gaedt zieht sich noch einmal unentwegt aus im Strip der tausend Herrenschlüpfer; er schleicht boshaft feixend durch das Publikum und sucht sich Opfer. Noch einmal muss eine Zuschauerin auf die Bühne, um sich mit Messern bewerfen zu lassen.

Dieses Mal heißt sie Tanja und fürchtet sich nicht. Noch einmal muss ein Zuschauer her, um sich von der großen Turban-Maschine der Tierschau einwickeln zu lassen – dieses Mal heißt er Bernd, er darf den Riesenturban aufbehalten bis zum Ende der Show. Und die enthemmten Zuschauer tanzen dazu den Sitzpogo. So grell und überspannt wie in all den Jahren gelingt es der Kleinen Tierschau auch in ihren Abschiedsshows, selbst den schlechtesten Witz in einen Knaller zu verwandeln, mit Pathos, Einfallsreichtum, Energie und unvergleichlicher Miene dem gesunden Menschenverstand ins Gesicht zu lachen. Gaedt und Schulig haben ein großes Repertoire, in dem sie kramen, aus dem sie immer neue schräge Streiche hervorziehen – der Abschied der Tierschau kommt jetzt im 35. Jahr ihres Bestehens. Als die fünf hübschen Girls, die stets um sie sind, schließlich mit Pauken aufmarschieren, steht auf den Instrumenten noch groß die 30 vom letzten Tierschau-Jubiläum.

Erfindungen aus dem Land der Tüftler

Die verwegenen Kostüme, die großen Bauten, die aberwitzigen Erfindungen waren ihre Markenzeichen, schließlich kommen Gaedt und Schulig ja aus diesem Land der Tüftler. Bei ihrem Abschied bleibt die Tierschau aber eher bescheiden. Dennoch gibt es ein Wiedersehen mit einigen Höllenmaschinen früherer Tage: Gaedt kurvt im Mikro-Chopper über die Bühne oder paddelt im Gummiboot über die Zuschauerfinger hinweg. Ein dröhnender Motor zerfetzt Klopapierrollen und Kissen, während Schulig auf der elektrischen Zahnbürste einen Glamrock-Klassiker improvisiert.

Am Scheideweg entsinnt sich der schwäbische Größenwahn seiner schlichten Wurzeln: Noch bevor Gaedt, Mantel und Schulig 1981 ihr erstes Programm vorstellten – „Das Programm des Jahrhunderts“ –, steppten, ulkten und musizierten sie etwa auf der Königsstraße. Nun turnen sie noch einmal als Salamander Lurchi umher, in leuchtend überspannten Kostümen, ausgebüxt aus der früheren Schuhzentrale in Kornwestheim – „oh mein Freund, du bist nicht ganz! Am Hinterteil fehlt dir der Schwanz!“

Kein Mann für eine Nacht

Sie spielen Cowboy in himmelblauen Rodeohosen, drohen mit Countrymusik, rappen unter dem grünen Tirolerhütchen und versuchen sich des Schwäbischen zu entwöhnen, mit Akupunktur und der Schwabolette, dem Schwabenpflaster. Es will ihnen nicht gelingen – der Kehrwisch auf dem Scheitel bleibt für die Tierschau der einzig mögliche Irokesenschnitt. Den Grund für ihren Abschied behalten die Clowns für sich – nur eines ist klar: Müde sind sie nicht. Obwohl Gaedt zugibt: „Ich bin kein Mann für eine Nacht – I hab die Kondition nemme.“ Oder wenn Schulig in Schwimmflossen durch das Scheinwerferlicht tappst, betreten dreinschaut und murmelt: „Da bin i jetzt 57 – und so verdien’ I mei Geld!“ Vielleicht werden Gaedt und Schulig ihren Lebensabend ja damit verbringen, weiße Tiefspüler zu züchten? Die letzten frei lebenden Exemplare dieser Gattung haben sie sich gesichert – Gaedt zischt auf einer Kloschüssel vorbei. Die Kleine Tierschau darf nicht gehen, ohne ihre größten Erfolge noch einmal gespielt zu haben. Silberne Gitarren, feuerspeiende Saxofone, ein Sousafon, das sich um Schulig wickelt – sie haben alles dabei. Die Mädchen tanzen hocherotisch in ihren indischen Kostümen, und Gaedt singt ein letztes Mal, von tiefenpsychologischer Einsicht beseelt: „Sie hatte gestern keinen Sex – und das seit Jahren.“ Wer um 1989 herum Gaby hieß, der wird die Kleine Tierschau nie vergessen . . .

Alle drei Aufführungen an diesem Samstag und Sonntag sind restlos ausverkauft.