Die grün-rote Landesregierung muss sich nach der Abschiebung einer Roma-Familie mit sechs kleinen Kindern Kritik aus den eigenen Reihen stellen. Foto: dpa

In den Regierungsparteien wächst die Kritik am Vorgehen der Behörden im Fall Ametovic. Das Innenministerium rechtfertigt die Abschiebung. Die Unterstützer der Roma-Familie sprechen von einem Exempel.

Freiburg - Nach der Abschiebung einer Roma-Familie mit sechs kleinen Kindern wächst die Kritik an der grün-roten Landesregierung in den eigenen Reihen. Die Grünen-Politikerin Beate Böhlen warf dem Innenministerium vor, die Zusage eines Stopps von Abschiebungen im Winter gebrochen zu haben. Bis zum 19. März werde es keine Abschiebungen geben, habe das Ministerium ihr gegenüber geäußert, sagte die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Landtags am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Innenminister Reinhold Gall (SPD) wies das zurück. „Diese Äußerung trifft nicht zu“, teilte er mit.

Auch die Gemeinderatsfraktionen von SPD und Grünen in Freiburg erklärten, sie seien „aufgrund von Hinweisen aus dem Innenministerium“ davon ausgegangen, dass es in den Monaten Januar und Februar keine Abschiebungen geben solle. Im Fall der Familie Ametovic sei ein ausführlicher Härtefallantrag „wegen dieser Fehlinformationen zu spät eingereicht“ worden. „Das Vorgehen der Landesregierung ist uns unerklärlich“, kritisierten die beiden Fraktionen in einem gemeinsamen Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Gall.

Der Innenminister sagte, er habe schon im Dezember öffentlich und gegenüber den Grünen den Winterabschiebe-Stopp für untauglich erklärt. Die Rückführung der Familie sei geboten und zumutbar gewesen. Diese habe „keine Probleme bei der medizinischen Versorgung und bekomme zum Teil Sozialhilfe“, sagte Gall und bezog sich dabei auf das serbische Innenministerium.

Keine Antwort von Kretschmann und Gall

Die Unterstützer der Ametovics wiesen dies als falsch zurück. Die Aussagen der Familie seien absolut glaubwürdig, sagte der Geschäftsführer des Jugendhilfswerks Freiburg (JHW), Carlos Mari, am Donnerstag. JHW-Mitarbeiter hatten die Familie in der Stadt Ni? besucht und anschließend von einer desolaten Unterbringung berichtet. Die Familie sei völlig mittellos und habe noch nicht einmal eine Fahrkarte für die Bahnfahrt in ihren früheren Wohnort erhalten.

Weder Kretschmann noch Gall hätten dem JHW auf die in der vergangenen Woche übersandten Berichte, Fotos und Videos zum Schicksal der Familie in Serbien geantwortet, kritisierte Mari. Die Regierungsparteien hätten im Rahmen des Verfahrens im Petitionsausschuss des Landtags die Möglichkeit gehabt, eine Duldung zu gewährleisten, sagte der JHW-Geschäftsführer. Er könne daher nicht verstehen, „wenn einige Grüne sich jetzt hinstellen und Krokodilstränen weinen“.

Mari warf den Behörden vor, „hier ein Exempel durchzuziehen, weil man befürchtet, dass andere Roma in gleicher Weise über solche Kampagnen versuchen, hier zu bleiben“. Dem Jugendhilfswerk gehe es aber allein um eine menschenwürdige Entscheidung in diesem Einzelfall.

Böhlen forderte das Innenministerium auf, die Kriterien für die Gesundheitsprüfung für von Abschiebung bedrohte Menschen transparent zu machen. Dies erwarte sie bei der Sitzung des Petitionsausschusses am 4. März. „Wir möchten zudem wissen, wie und inwieweit das Innenministerium den Beschluss des Ausschusses, ein Monitoring zu machen, umgesetzt hat und welche Folgen sich daraus ergeben.“ Das Monitoring soll untersuchen, welche Angebote die serbischen Behörden der Familie beim Zugang zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung und Schulen gemacht haben.