Die Abgasnorm Euro7 ist weiterhin umstritten. Foto: Frank Sorge/imago

Die Kommission schwächt ihren Vorschlag für die neuen Schadstoffgrenzwerte ab. Die Unternehmen stellen angesichts des Ausbaus der E-Mobilität den Sinn der Norm in Frage.

Niemand ist mit der geplanten Euro-7-Abgasnorm zufrieden. Die Autobauer kritisieren den aufwändigen Einbau von komplizierter Technik mit wenig Wirkung und warnen vor höheren Fahrzeugpreisen. Auf der anderen Seite beklagen die Umweltverbände, die EU-Kommission sei wieder einmal vor der Industrie eingeknickt. Das Ringen ist äußerst zäh und immer wieder wurde die Präsentation des Papiers verschoben. Auch dieses Mal wurde der für Mittwoch angepeilte Termin überraschend wegen allerletztem Abstimmungsbedarf überraschend um einen Tag auf Donnerstag verlegt.

Begrenzung von Feinstaub und Stickoxiden werden sogar entschärft

Der geplante Entwurf der Kommission birgt eine wesentliche Neuerung. Seit vielen Jahren werden die Autohersteller von der EU über immer schärfere Abgasnormen dazu gezwungen, dass ihre Motoren weniger gesundheitsschädliche Schadstoffe ausstoßen. Nach dem aktuellen Papier sollen sich diese Werte nur minimal ändern. Die ursprünglich geplante Regelung zur Begrenzung von gesundheitsschädlichen Stoffen wie Stickoxide und Feinstaub wird an manchen Stellen sogar entschärft. Als Grund für diesen Schritt führt die Brüsseler Behörde unter anderem die aktuelle geopolitische und wirtschaftliche Lage in Europa an, die die Kosten für Energie und Rohstoffe steil nach oben getrieben hat.

Damit sind die Autobauer aber keineswegs aus der Pflicht entlassen. Neue Grenzwerte will die EU-Kommission für den Abrieb von Bremsen und Reifen festlegen. Technisch ist es zum Beispiel möglich, einen Großteil der freigesetzten Schadstoffe beim Bremsvorgang mit einer Art Staubsauger einzusammeln. Jedes Auto mit Euro-7-Norm müsste mit solch einem System ausgerüstet sein. Damit werden dann etwa auch Elektroautos von der Regulierung erfasst.

Neue Grenzwerte für Abrieb von Reifen und Bremsen

Scharfe Kritik an der gesamten Euro-7-Norm kommt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Statt die gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxidemissionen zu reduzieren, soll der Grenzwert unverändert auf dem Niveau der vor über zehn Jahren festgelegten Euro-6-Abgasnorm (60 Milligramm pro Kilometer) verbleiben, empört sich die Organisation. „Sieben Jahre nach der Aufdeckung des Dieselgates – der größte Industrieskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte – plant die EU-Kommission einen Kniefall vor den Dieselkonzernen“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Geplant ist, dass die neue Euro-7-Regulierung für alle Fahrzeuge gilt, die ab dem Sommer 2025 erstmals zugelassen werden. Allerdings wird die Norm nach dem Willen der EU-Kommission noch einmal in zusätzliche Kategorien eingeteilt. Demnach ist etwa Euro 7+ für Autos vorgesehen, deren Batterie mindestens zehn Prozent länger hält als gesetzlich vorgegeben. Besondere Regelungen soll es auch für Hybridautos geben, die in Umweltzonen automatisch in den elektrischen Null-Emissions-Modus umschalten. Oder auch für Fahrzeuge mit flexiblem Abgasreinigungssystem, um etwa in Umweltzonen den Ausstoß zu senken.

Grenzwerte müssen auch unter extremen Bedingungen stimmen

Völlige Entwarnung gibt es für die Autoindustrie allerdings nicht. So plant Brüssel etwa, Testverfahren zu verschärft und Messtoleranzen zu verringert. Dabei müssen die exakten Testwerte erst noch festgelegt werden. Große Herausforderungen für die Hersteller sind die Tests unter extremen Bedingungen, denn die Grenzwerte müssen etwa auch bei voll beladenen Autos und unter extremen Außentemperaturen eingehalten werden.

Für reichlich Diskussionsstoff sorgt auch, dass sich die EU-Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren das Recht verschaffen will, Grenzwerte per „delegierten Rechtsakt“ anzupassen. Das heißt, dass das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten kein Mitspracherecht hätten. Kritiker befürchten einen Blankoscheck für die Brüsseler Behörde, um die Normen nachträglich doch noch zu verschärfen.

Busse und Lastwagen sind auch betroffen

Die geplante Euro-7-Norm soll natürlich nicht nur für PKW, sondern auch für schwere Nutzfahrzeuge gelten. Für die werden die Grenzwerte allerdings deutlich verschärft, da die EU-Kommission davon ausgeht, dass diese Fahrzeuge noch wesentlich länger mit Dieselmotoren angerieben werden. Die Position der LKW-Hersteller ist in diesem Punkt allerdings sehr klar. Till Oberwörder, Chef des Unternehmens Daimler Buses, erklärte dazu jüngst auf einer LKW-Messe in Brüssel: „Wir werden im City-Segment nicht in Euro 7 investieren.“ Ziel sei es, die Stadtbusse ab 2030 nur noch mit Elektroantrieben auszustatten. Er hält es aus diesem Grund nicht für sinnvoll, jetzt noch Geld und Energie in den Versuch zu investieren, mit einer neuen Norm den Schadstoffausstoß etwas zu verringern. Auch seine Kollegen aus anderen Bereichen für schwere Nutzfahrzeuge hielten es für wesentlich sinnvoller, die noch im Verkehr befindlichen schmutzigen Dieselfahrzeuge schnell auf Euro-Norm-6 hochzurüsten.